Hlnterhaltimgsblatt des Vorwärts Nr. 201. Freitag, den 16� Oktober. 1908 (Nachdruck vcrvolen.) 121 Hndreas Vöft. Bauernroman von Ludwig Thoma  . Einige Tage nach Allerseelen kamen die Lehrer der de- nachbarten Gemeinden in Aufhausen   zusammen: es war ein vlter Brauch, sich in jedem Monate einmal zu sehen und über Beruf und andere Dinge zu reden. Diesmal war es ziemlich lebhaft geworden, und Herr Stegmiiller hatte über vieles nachzudenken, als er den Web Zlinger Feldweg entlang schritt. Welche Haltung sollen wir bei den Gemeindewahlen beobachten?" Ueber diese Frage hatte der Lehrer von Hilgertshofen einen Vortrag gehalten. Der war ein systematischer Mensch, welcher alles mit erstens, zweitens und drittens haben mußte. ilnd da war doch wenig oder nichts zu sagen. Wer einen jpolitischen Kampf führen will, muß unabhängig sein: und das waren die Lehrer nicht. Sie konnten nicht gegen die Geistlichkeit streiten. Erstens, zweitens und drittens, weil die Pfarrer auch Schulinspcktoren sind. Die Bauern sollten ihre Sache nur selber ausfechten: und wer weiß, wenn sie die Oberhand hätten? Wer weiß, ob es die Lehrer dann besser träfen? Das kann niemand sagen. Ueberhaupt so gescheite Reden I Herr Stegmüller blieb stehen und schlenkerte die schweren Erdknollen weg, die sich an seinen Stiefeln festgesetzt hatten. Wie grau und öde jetzt alles warl Das Feldkreuz sah aus wie ein Grabstein: die zwei Buchen, welche daneben standen, ließen ihre verwelkten Blätter auf den Gekreuzigten fallen. Da war es." dachte Stegmüller,da hat er gesungen, Wie das hübsche Mädel dabei war." Was ihm der Lehrer von Aufhausen   erzähltet Der Studiosus Mang komme häufig in das Haus des Herrn Kaufmann Sporner und musiziere mit dem Fräulein. Und das Fräulein habe ganz begeistert an die Frau Lehrer ge- schrieben über den Herrn Mang und seinen Tenor, und der Herr Mang hatte ihm, dem Herrn Stegmüller, geschrieben. Auch ganz begeistert über das Familienleben beim Kaufmann Sporner. Was war am Ende dabei? Junge Leute und die Freude an guter Musik. Denn der Mang, der war ein Künstler, gewiß und wahr. Aber der Lehrer von Aufhausen   hatte gesagt, der Studio- sus wäre gar nicht so dumm, denn der Sporncr Michel mit seinen zwei Häusern und dem alten Geschäft wäre kein übler Schwiegervater. Was hatte Sylvester damit zu schaffen? Weggehen vom geistlichen Berufe? Wenn er bloß die Miene dazu machte, dann zog sein Vetter die Hand von ihm ab: der Spanninger von Pasenbach, der ihn studieren ließ. Stegmiiller blieb wieder stehen. Er war am Weblinger Holze und fand auf dem Waldboden einen besseren Weg. Ja. die Jugend!" sagte er.Das lebt so dahin und denkt nichts." Neben ihm rauschte es heftig durch das welke Laub: ein Hase sprang weg und setzte über das Feld. Plötzlich schlug er einen Haken, und Stegmüller sah, daß weiter unten ein Bauer bei seinem Düngerwagen stand. Es war der Schuller. Stegmüller erkannte ihn und wollte nicht ohne Gruß und Rede an ihm vorbeigehen. Gut' Morgen. Schuller!" Ah, der Herr Lehrer! Waren's in Aufhausen   drüben?" Freilich. Hat ein bisse! lang gedauert, da bin ich gleich über Nacht geblieben." Stegmüller kam näher und reichte dem Schüller die Hand hin. Es geht it." sagte dieser,an andersmal, Herr Lehrer. Bei dem G'schäft hat ma koane sauber'n Händ." Und er nickte mit dem Kopfe gegen den Dünger- wagen hin. Es gilt auch so," erwiderte Stegmüller.Sie sind schon wieder fleißig?" Ja, muaß scho sei." Freilich. Wer durch den Pflug reich werden will, muß ihn selber anfassen. Und Arbeit hat bittere Wurzel, aber süße Frucht." Der Schuller lächelte. Sie ham's allawei mit die Sprichwörter, Herr Lehrer." Da steckt die größte Weisheit drin. Schuller. No, Ihnen braucht man nichts zu sagen. Es hat keiner seine Sach in besserer Ordnung wie Sie." Es gibt Leut', de öffentlich was anders sag'n, Herv Lehrer." Ich versteh' Sie schon, aber wenn man auch nicht alle? sagen darf, was man denkt, deswegen ist man doch nicht ein� verstanden damit." Ja, und vo dem kommt's her, daß de Schlechtigkeit so guat wachst." Von was. Schuller?" Vo dem, daß sie die oan nix, und die andern alles trauen derfen." Stegmüller wurde etwas verlegen. In den grauen Augen, die ihn so frei und gerade an» blickten, lag ein Vorwurf. Er gehörte auch zu denen, die sich nichts trauten und aus Acngstlichkeit zu allem schwiegen. Ja, Schuller. was will man machen?" sagte er.Weni» ich frei wäre oder einen Hof hätte wie Sie oder.. ,.J Hab' net grab' Eahna g'moant, Herr Lehrer, i moan überhaupt bloß a so." Stegmüller bohrte mit seinem Schirme Löcher in den Boden und schaute nachdenklich vor sich hin. Schuller," sagte er plötzlich,ich Hab' neulich schon mit Ihnen reden wollen, wie die Geschichte passiert ist mit dem Grab. Sie dürfen glauben, daß ich das nicht gebilligt habe, durchaus nicht." Dös glaab i Eahna gern." Es hat mir so leid getan wegen Ihnen und Ihrer Frau. Es verletzt doch das religiöse Gefühl, so was." Dös mei nimmer. Herr Lehrer." Stegmüller sah den Bauer verwundert an. Der breitete gleichmütig den rauchenden Mist vor sich auS und holte wieder eine Gabel voll vom Wagen herunter. Wie meinen Sie das. Schuller?" Wia'r i dös moan? Dös will i Eahna scho sag'n." Der Schuller stützte sich auf die Gabel und stellte sich breitbeinig hin. I Hab' nix mehr z' toa mit der Religion." No. no!" Na. gar nix mehr. I mach' net bloß Sprüch'. Sie derfen mir's glaab'n." Ich weiß, daß Ihnen Unrecht g'schehen is. Schuller. Aber so darf ma doch net gleich mit allem fertig sein." Glei? Dös is gar net so glei g'wen." Aber doch bloß wegen den G'schichten." Na, net bloß desweg'n, Herr Lehrer. Mir san ja dtlmmc Bauern und Hamm   nix g'lernt. Aber ma hört do was und siecht was. Und dös hat mir g'langt." Es sind nicht alle gleich, Schuller, es gibt auch sehr brave Geistliche." Ko scho sei: i nimm eahna nix weg von der Bravheit- Brave Menschen gibt's überall." Weil Ihnen jetzt der unsrige alles mögliche antut, meinen Sie, es sind die andern auch so." J schaug's ganz anders o, Herr Lehrer. Sehg'n S'. dös, was mir inser Pfarrer o'tuat, dös kimmt von seiner Bosheit. Und da könna'n de andern nix dafür. Dös va'steh i recht guat. Und dös woaß i aa, es gibt bei' a jeden Sach' guata und schlechte Leut'. Bei der Religion aa." Da haben Sie recht. Schuller." Ja, da Hab' i recht. Aber dös is net des Schlechte, Herr Lehrer. Dös Schlechte is, daß d' Religion net dagegen is. Gegen dös, was inser Pfarrer tuat." Passen Sie einmal auf, Schuller.. Na, na, Herr Lehrer, da is d' Religion schuld, wenn ma solchene Unterschied macht, ob jetzt oans g'schwind tauft is, oder net. Dös versteh' i do no, wenn i aa bloß a dummer Bauer bin." Das glaubt niemand, daß Sie dumm sind." Ja no, unseroaner lernt nix: Oes habt's viel mehr» g'lesen. Aber dös Hamm   S' no nirgends g'lesen, Herr Lehrer,