Frau Sporner nickte lächelnd zu Sylvester hinüber. tzch kann mir den Herrn Mang gut vorstellen als Pfarrer. Der bleibt jede freie Stund' bei seiner lieben Musik." Sylvester litt unter diesen Reden. Lag eine Mahnung darin? Wollten sie ihm bedeuten, daß er kein Recht habe, sich gefährlichen Träumereien hinzugeben? Aber mas konnten sie von Gedanken wissen, die er vor sich selbst verbarg? Nein, es lag sicher keine Absicht in den Worten. Es war nur sein Unrecht, daß er die arglosen Reden schmerzlich empfand. Frau Sporner," sagte er,weil Sie von der Musik reden, ich habe das Largo von Händel   bei mir. Darf ich es spielen?" Ja, ich Hab' mich schon darauf gefreut," bat Gertraud. Und es lag frohe Erleichterung in ihrer Stimme. Mama Sporner hörte sie heraus, und ein Blick auf die Schwägerin zeigte ihr, daß nicht ihr allein die Wärme des Tones aufgefallen war. Ein boshaftes Lächeln saß in den Mundwinkeln der alten Jungfer, und ihre flinken Augen schössen von Gertraud hinüber zu Sylvester. Der merkte nichts. Er freute sich an der lieben Stimme, deren Klang er diesen langen Abend vermißt hatte. .(Fortsetzung folgt.)! (ZZachdrack derl-eten.) 2] Die Kofaken. Von Leo Tolstoi  . 2. Ich lieb sie? ich liebe sie sehr! Prächtige Menschen! Gut so? sprach er vor sich hin und war dem Weinen nahe. Al>cr warum sollte er weinen? Wer waren die prächtigen Menschen? Wen liebte er so sehr? Er wußte es nicht recht. Bald heftete er seinen Blick auf ein Haus und wunderte sich, daß es so sonderbar gebaut war, bald wunderte er sich, warum der Postknecht und Wanjuscha, oie ihm so fremd waren, so ganz in seiner Nähe saßen und gleichzeitig mit ihm zitterten und schaukelten, wenn die Seitenpferde die ge- frorenen Stränge anzogen, und wiederum sagte er: Prächtige Menschen! Ich liebe sie, ja einmal sagte er sogar: Wenn es glückt, bortrefflich und er wunderte sich selbst darüber, daß er es gesagt hatte, und fragte sich: Bin ich nicht etwa gar betrunken? Olentn hatte allerdings auf seinen Teil zwei Flaschen Wein getrunken, aber nicht der Wein allein hatte auf ihn eingewirkt, alle die herz- licben Worte der Freundschaft, die ihm verschämt, gleichsam zu- fällig vor der Abreise ausgesprochen wurden, traten vor seine Er- mnerung. die Händedrücke, die Blicke, die stummen Mienen, der Klang der Stimme, die ihm sagte: Lebe wohl, Mitja, als er schon im Schlitten saß, seine eigene entschlossene Aufrichtigkeit trat vor sein Gedächtnis und all dies hatte für ihn eine rührende Be- deutung; nicht bloß die Freunde, die Verwandten, nicht bloß die Gleichgültigen, sondern auch Leute, die er nicht leiden konnte uns die ihm nicht wohl wollten alle schienen sich gewissermaßen der- abredet zu haben, ihn vor der Abreise mehr zu lieben, Abschied zu nehmen, wie vor der Beichte oder vor dem Tode. Vielleicht ist mirs bestimmt, nicht mehr vom Kaukasus heimzukehren, dachte er. Und ihm war», als liebte er seine Freunde und als liebte er noch jemanden. Und er hatte Mitleid mit sich selbst. Aber nicht die Liebe zu seinen Freunden hatte seine Seele so weich gestimmt und so gehoben, daß er die sinnlosen Worte, die von selbst auf seine Lippen kamen, nicht zurückhielt, auch nicht die Liebe zu einem Weibe(er hatte noch nie geliebt) hatte ihn in diesen Zustand ver- setzt. Die Liebe zu sich selbst, die glühende, hoffnungsvolle junge Liebe zu allem, was Gutes in seiner Brust lebte(und in diesem Augenblick schien ihm, als lebte nur Gutes in ihr), erpreßte ihm Tränen und ließ ihn zusammenhanglose Worte murmeln. Olenin war ein Jüngling, der nie eine Schule l-cendet hatte, der nirgends ein Amt gehabt(er wurde irgendeiner Behörde zugc- zählt), der die Hälfte seines Vermögens durchgcbracht, bis zum 24. Lebensjahre keinen Beruf geivählt und nie etwas getan hatte. Er war, was man in der Moskauer Gesellschaft einenjungen Mann" nennt. Mit achtzehn Jahren war Olenin so frei, wie eS nur die reichen russischen jnngen Leute der vierziger Jahre waren, die in früher Kindheit die Eltern verloren hatten. Für ihn gab es weder physische noch moralische Fesseln; er konnte alles tun, es fehlte ihn: nichts, es band ihn nichts. Er hatte weder Familie noch Vaterland, noch Glaube, noch Not; er glaubte an nichts und er- kannte nichts an. Aber«bgleich er nichts anerkannte, war er doch keineswegs ein düsterer, schmachtender, vernünftelnder Jüngling, sondern im Gegenteil, er war in steter Begeisterung. Er war zu dem Schlüsse gekommen, es gäbe keine Liebe, und so oft er einem jungen und hübschen Weibe begegnete, pochte sein Herz stärker. Er wußte längst, daß Ehren und Titel Torheit seien, und empfand doch unwillkürlich Freude, wenn auf dem Ball Fürst Sergej an ihn herantrat und sich liebenswürdig mit ihm unterhielt. Aber allem, was ihn begeisterte, gab er sich nur so weit hin, als es ihn nicht band. Hatte er sich einem Streben hingegeben und begann er die Nähe von Mühe und Kampf zu fühlen, den kleinlichen Kampf mit dem Leben, so beeilte er sich instinktiv, sich von dem Gefühl oder der Sache loszumachen und seine Freiheit wieder herzustellen. So machte er es mit dem gesellschaftlichen Leben, dem Dienste, der Landwirtschaft, der Musik, der er sich eine Zeitlang zu widmen ge» dachte, ja selbst der Liebe zu den Frauen, an die er nicht glaubte. Er dachte darüber nach, worauf er die ganze Kraft der Jugend, die dem Menschen nur einmal im Leben geschenkt ist, verwenden solle, auf die Kunst, auf die Wissenschaft, aus die Liebe zum Weibe oder auf eine praktische Tätigkeit, auf die Kraft des Geistes, des Herzens, der Bildung jene nie wiederkehrend« Begeisterung, jene dem Menschen nur einmal gegebene Macht, alles, was er will, aus sich und, wie er glaubt, auch aus der Welt zu machen alles, was er will. Gewiß gibt eS Menschen, die diese Begeisterung nicht befitzen, die sogleich ins Leben eintreten und das erste beste Joch auf sich nehmen und ehrlich bis an ihr End« darin arbeiten. Aber Olenin fühlte zu mächtig diese allmächtige Gottheit der Jugend in sich, diese Fähigkeit, in einem Wunsche, in einem Gedanken aufzu» gehen die Fähigkeit, zu wollen und zu hoffen, sich kopfüber in den bodenlosen Abgrund zu stürzen, ohne zu wissen, wofür, ohne zu wissen, warum. Er trug dieses Selbstbewußtsein in sich, er war stolz darauf, er war, ohne es zu wissen, glücklich. Er hatte bisher nur sich selbst geliebt, und es konnte nicht anders sein, denn er erwartete nichts als Gutes von sich und hatte noch keine Ent- täuschung an sich erlebt. Als er Moskau   verließ, befand er sich in der glücklichen, jugendlichen Stimmung, in welcher der Jüngling seine früheren Fehler einsieht und sich plötzlich sagt, alles Borangegangene sei nicht das Richtige gewesen, er habe bisher noch gar nicht das Ver- langen gehabt, ordentlich zu leben; jetzt aber mit dem Tage der Abreise beginnt ein neues Leben, ohne die alten Fehler, ohne die Reue, ja sicherlich nur voll Glück. Wie es immer bei einer weiten Reise zu sein pflegt, daß die Phantasie auf den ersten zwei, drei Stationen noch an dem Orte haftet, von dem man herkommt, und dann plötzlich mit dem ersten Morgen, der uns unterwegs begrüßt, hinüberspringt nach dem Ziel der Reise, und dort Luftschlösser erbaut, so geschah es auch mit Olenin. Als er zur Stadt hinausgekommen war und den Blick über die Schnccfelder schweifen ließ, freute er sich, so allein inmitten dieser Felder zu sein, hüllte sich in seinen Pelz, ließ sich auf den Boden des Schlittens nieder, beruhigte sich und schlief ein. Der Abschied von seinen Freunden hatte ihn weich gestimmt, und der ganze letzte Winter, den er in Moskau   verbracht hatte, trat vor seine Erinnerung, und die Bilder dieser vergangenen Zeit, unter- brachen von unklaren Gedanken und Borwürfen, lebten ungerufen wieder auf in seiner Phantasie. Er gedachte des Freundes, der ihn begleitet hatte, und seiner Beziehungen zu dem Mädcben, von welchem sie gesprochen hatten. Das Mädchen war reich. Wie ist es möglich, daß er sie liebt, ob- gleich sie mich liebt, dachte er, und ein häßlicher Verdacht kam ihm in den Sinn. Es gibt doch viel Schlechtes unter den Menschen, wenn man darüber nachdenkt. Und wie kommt eS, daß ich in der Tat noch nie geliebt habe? fragte er sich selbst. Alle sagen es mir, ich hätte noch nie geliebt. Bin ich denn ein sittlicher Krüppel? Und nun traten seine H«rzensneiguugen vor sein Gedächtnis. Er erinnerte sich der ersten Zeit seines Lebens in der Gesellschaft, der Schwester eines seiner Freunde, mit der er die Abende am Tisch beim Licht der Lampe   verbrachte, die bei der Handarbeit ihre zarten Finger und den unteren Teil ihres schönen, zarten Gesichts beschien, er erinnerte sich der Gespräche, die sich wie ein kindliches Pfänderspiel hinzogen, der allgemeinen Unbehaglichkeit des Zwanges und des beständigen Gefühls der Auflehnung gegen diese Un- freiheit, immer sprach eine Stimme in ihm: Nein, das ist nicht die Rechte und wirklich, es war nicht die Rechte; dann er- innerte er sich des Balles und der Mazurka mit der schönen D. Wie verliebt war ich an diesem Abend, wie glücklich war ich, und wie schmerzte und kränkte es mich, als ich am anderen Morgen er- wachte und fühlte, daß ich frei war! Warum kommt sie nicht, die Liebe, warum bindet sie mich nicht an Händen und Füßen? dachte er, nein,«S gibt keine Liebe! Die schöne Nachbarin, die mir und Dubrowin und dem Adelsmarschall immer mit denselben Worten sagte, wie sehr sie die Sterne liebe, war auch nicht die Rechte. Da fällt ihm seine Wirtschaftstätigkeit auf dem Lande ein. und .wieder fehlt ihm ein Gegenstand, bei dem er gerne in der Er- innerung verweilte. Ob sie wohl lange von nicincr Abwesenheit sprechen werden, fällt ihm ein, aber wer diesesie" sind, weiß er nicht. Und gleich darauf fällt ihm«in Gedanke ein, der scino Stirn verdüstert und wirre Worte auf seine Lippen drängt: es ist die Erinnerung an Monsieur Capel uiid die 678 Rubel, die er dem Schneider schuldig geblieben, und er erinnert sich der Worte, mit welchen er den Schneider gebeten, noch ein Jahr zu warten. und des Ausdruckes der Mißstimmung und der Ergebenheit in den Zügen des Schneiders. Ach, mein Gott, mein Gott, wiederholt er, die Stirn runzelnd, und bemüht sich, den unerträglichen Ge- danken abzuweisen. Und doch, trotz alledem hat sie mich geliebt, denkt er von dem Mädchen, über das sie sich beim Abschied unter- halten hatten ja. wenn ich sie geheiratet hätte, hätte ich keine Schulden, so aber bin ich Wassiljcw» Schuldner geblieben. Und