Zlnterhaltungsblatt des vorwärts Nr. 205. Donnerstag den 22 Oktober. 1903 ClachdruL tttEolcn.) ie) Hndrcas Töft. Bauernroman von Ludwig Tboma. Heute. Herr Mang, wäre es mir lieber, wenn Sie nicht spielen." sagte Frau Sporner.«Ich habe schon den ganzen Tag Kopfweh." Wenn ich das gewußt hätte!" antwortete Sylvester rasch,entschuldigen Sie!" Der Inhaber der Firma Sporners selige Erben war kein Mann für weit ausgreifende Pläne. Dös hast aber doch sonst gar nie!" sagte er.Und im Laden lmst' mir koa Sterbenswörtel g'sagtl" Sich Hab' net mitten drin von der Kasse weggehen wollen. Und es war auch nicht so arg. Jetzt ist's aber stärker geworden." Ja. nachher geh' nur glei ins Bett!" So gefährlich ist's nicht. Bloß Musik tät' ich heut' lieber nicht hören." Es tut mir so leid," sagte Sylvester,daß ich Sie ge- stört habe." Nein, bleiben Sie nurl Es ist mir lieber, wenn Sie noch ein bißchen bleiben." Mathilde stand auf. Mich mußt du entschuldigen, Sophie! Ich bin so zu lang' geblieben. Morgen is die Friihmess' um sechs Uhr." Ja, wie du willst. Traudel, begleit die Tante hinunter: die Elis kann das Tor nicht ordentlich aussperren." Also gute Nacht! Und röcht gute Besserung I" ..Gut' Nacht. Mathild'l" Sylvester blieb in gedrückter Stimmung zurück. Er horchte auf die Schritte draußen: jetzt klangen sie die Treppe hinunter, und dann hörte er sie nicht mehr. Herr Mang!" Er schrak zusammen und sab auf Frau Sporner. Das war wieder der ernste Blick. Herr Mang, ich muß eine Bitte an Sie richten. Aber Sie dürfen mich nicht falsch verstehen." Sylvester brachte keinen Laut über die Lippen. Er wußte alles. Nun kam das Gesürchtete, und sein Herz klopfte. Nicht wahr, Sie verstehen mich recht. Es hat Schwätze- reien gegeben, und ich darf als Mutter nicht gleichgültig bleiben." Aber..." Ich weiß, was Sie sagen wollen, Herr Mang. Das braucht keine Versicherung, aber es ist besser, auch für Sie in Ihrer Stellung, wenn solche Reden nicht einmal den Schein für sich haben. Sie wissen, daß wir Sie gerne bei uns sehen, aber ich muß Sie bitten, daß die Mrisikstunden aushören. Wenn Sie sonst hie und da kommen, freut es uns alle. Sie verstehen, daß ich Sie gewiß nicht kränken will?" Ich war... ich bin..." Sie müssen sich an meine Stelle denken." Ich war so gerne bei Ihnen." Lieber Herr Mang, nehmen Sie das nicht schwer! Wir freuen uns ja. wenn Sie wiederkommen, aber ich meide nur wegen der Musikstunden..." Ja, Frau Sporner.. Ich schreibe Ihnen morgen noch, ich wollte nur zuerst mit Ihnen reden. Brieflich sieht c3 immer sonderbar aus..." Ja, Frau Sporner.. Leichte Schritte näherten sich der Türe. Traudel kam zurück. Ein Blick zeigte ihr, daß sich etwas zugetragen hatte. Und es war nicht schwer, das zu sehen. Der Alte stand am Fenster und schaute angelegentlich auf die dunkle Straße hinaus. Er hütete sich, den jungen Mann anzusehen: eine solche Aussprache war nicht? für ihn. Er ärgerte sich über seine Frau: die tat ja, als wäre sie ihrer Lebtage Hofdame gewesen. So etwas Großartiges I Er hätte das nie fertig gebracht: ganz gewiß nicht. Es wurde ihm beim Zuhören unbehaglich zumute, und er hatte Angst, daß seine Frau sich am Ende auf ihn berufen würde. Er schaute verstohlen zu ihr hinüber. Da mußte er sie doch bewundern, wie sie in mütterlicher Würde dasaß und ruhig die langen Sätze redte. In den Frauenzimmern steckt etwas Gefährliches. Wer hätte bei seiner Sophie diese Grausamkeit gesucht? Seit vierundzwanzig Jahren saß sie bescheiden und still an der Kasse von Sporncrs seligen Erben, in vicrundzwanzig Jahren hatte sie ihm nichts genommen von der überlegenen Stellung. die ihm als Chef dieser Firma gebührte, und jetzt saß sie dort auf ihrem Stuhle und zeigte ein so beherrschendes Wesen, daß ihm nachträglich der Schrecken in die Glieder fuhr. Er hätte sich gefreut, wenn dieser junge Mensch sich vor ihrer Hoheit nicht gebeugt hätte. Aber der saß wie betäubt da und brachte nichts heraus, als seinja, Frau Sporner". Natürlich, so mußte er unterliegen. Jetzt schwieg sie. und Traudel kam in daS Zimmer. Papa Sporner war neugierig, ob Sylvester nicht doch noch mit diesem Bundesgenossen einen Gegenangriff vec- suchen würde. Das Mädel mußte ihm tapfer Helsen und sagen, daß sie alle zusammen fröhlich waren, und daß keine böse Zunge das unschuldige Vergnügen stören dürfe. Aber das war nun heute schon so. Niemand kämpfte wider die Macht der Frau Sophie. Der junge Mensch sagte kein Wort, und Traudel stand verlegen mitten im Zimmer: eine leichte Röte stieg ihr in die Schläfen, und sie machte sich am Tische zu schassen: sie räumte einige Teller ab und eilte mit ihnen auffallend rasch hinaus. Nirgends war eine Spur von Mut und Entschlossen- heit zu bemerken. Auch Sylvester erhob sich. Seine Stimme klang verschleiert. Es tut mir so leid, wenn ich Ihnen Verdruß gemacht habe. Grüß Gott, Frau Sporner!" Jetzt ging er zum Fenster hin. Der Alte gab ihm die Hand, und Sylvester drückte sie kräftig. Gute Nacht. Herr Sporner, und.. Der Satz brach ab und wurde durch Händeschütteln er- gänzt. So verständlich, daß der Chef der Firma gerührt wurde und beinahe versucht war, den Sieg der Frau Sophie in eine Niederlage zu verwandeln. Aber Sylvester wartete es nicht ab: er verließ daS Zimmer noch rascher als Traudel, und erst auf der Treppe kam er in langsame Gangart. Diesmal ging Elise mit, obgleich man der Ansicht war, daß sie das Tor nicht ordentlich aufsperren könne. Sylvester bemerkte diese Ungeschicklichkeit nicht: es ging viel rascher, als er dachte. Er blieb sogar noch eine Weile in dem gewölbten Haus- gange, als das Tor bereits offen stand. Und dann schritt er zögernd hinaus. Es war alles wie sonst. Die Straße war still und menschenleer: die Gaslaicrne warf ihren Schein auf den fröhlichen Neger, der auch bei Nachtzeiten guten Knaster rauchte und sich an den Kaffee- sack lehnte. Und es war empörend, wie vergnügt er lachte, während doch neben ihm ein junger Mann sich an die Mauer lehnte und bitterlich weinte. 9. Kapitel. Herr Bausiätter saß in der geräumigen Stube, die von ihm und Fräulein Lechner Studierzimmer genannt wurde. Neben dem Schreibtische stand eine offene Bücherstellage, und die frommen Gäste des Pfarrers konnten auf derselben einige dicke Folianten bemerken, welche nur von heiligen Dingen handelten. Die Schrifen des heiligen Thomas von Aquin ,Die Herrlichkeiten Mariä" von Alphons von Liguori, daneben mehrere Gebetbücher und Breviere und an profanen Schriften:Die Verwaltung des katholischen Pfarramtes