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Das war die Bibliothek Baustätters. Auf dem Kanapee lag noch ein großes Buch mit schwerem Einbande, die Ge­schichte der Heiligen, herausgegeben zu Regensburg

Anno 1672.

bon Stingl", der Sulzbacher Kalender" und Pfarrer Kneips Schönheit der Schneeberge, von der man ihm fo viel erzählt hatte, Wasserkur. sei ebenso Erfindung, wie die Musik von Bach und wie die Liebe zum Weibe, an die er nicht glaubte. Er sehnte nun nicht mehr die Berge herbei. Am anderen Tage aber, am frühen Morgen medte gültig nach rechts. Der Morgen war flar und hell. Plöhlich er­ihn in seinem Bostwagen die frische Morgenluft. Er sah gleich blidte er auf zwanzig Schritt Entfernung, wie es ihm im ersten Augenblic vortam, die schneeweißen Riesen mit den garten Um riffen der Gipfel, die sich wunderbar von dem fernen Horizont abhoben. Und als er den ganzen Abstand stoischen sich und den Bergen und dem Himmel, die ganze gewaltige Größe der Berge begriff, und als er die ganze Unendlichkeit dieser Schönheit emp fand, erschrat er, alles erschien ihm wie ein Traumgesicht. Er schüttelte sich, um zu erwachen. Die Berge standen feft. Was ist das? fragte er den Bostknecht.

Es war stark abgenüßt, die Messingschließen hingen her unter, einzelne Blätter sahen hervor, und die Ecken waren berbogen.

Fremde Besucher fonnten glauben, daß der Pfarrer in diesem Buche häufig lese; Herr Kooperator Sizberger und Fräulein Lechner jedoch wußten, daß die Schäden von den heftigen Würfen famen, mit welchen es tags zuvor gegen die Wand geschleudert wurde.

Sonst erinnerte nichts mehr an die stürmische Szene. Auch nicht auf dem Antlige des hochwürdigen Herrn, welcher soeben den Hierangl empfing.

" Ich hab' Sie rufen lassen," sagte er, feßen Sie sich, denn wir müssen länger miteinander reden."

" Der Geitner hat ma's ausg'richt'. Weg'n der Wahl hat er g'sagt."

a, auch wegen der Wahl."

" Da möcht' i Eahna scho glei fag'n, Herr Pfarrer, daß tam liabern glei gar nir mehr hör' davo."

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,, Hierangi, reden können wir ja einmal darüber."

( Fortsetzung folgt.).

Die Kofaken.

Bon Leo Tolstoi . 8.

( Nachdruck berboten.)

Die Berge, antwortete der Rogaier gleichgültig. Ich sehe sie auch schon lange, sagte Wanjuschka, o, wie schön! Bei uns zu Hause würde mans nicht glauben.

Bei der schnellen Bewegung des Dreigespanns auf der ebenen Landstraße schienen die Berge am Himmelsgewölbe vorüberzu­laufen, und ihre rötlich strahlenden Gipfel erglänzten von der aufgehenden Sonne. Erst setzten die Berge Olenin nur in Er­staunen, dann gewährten fie ihm Freude, dann aber, da sein Auge immer tiefer in diese nicht aus anderen dunklen Bergen, sondern unmittelbar aus der Steppe hervorwachsenden und vorübereilenden Ketten von Schneebergen eindrang, ging ihm allmählich ihre ganze Schönheit auf, und er empfand die Berge. Von diesem Augenblicke an bekam alles, was er gesehen, alles, was er gedacht, was er gefühlt hatte, den neuen, ernst erhabenen Charakter der Berge. Alle Moskauer Erinnerungen, Echam und Reue, alle niedrigen Gedanken über den Kaukasus , alles entschwand und lehrte nie mehr wieder. Jetzt fängt es an, schien ihm eine feierliche Stimme zu. sagen, und die Landstraße und das in der Ferne schimmernde Band des Terek und die Kosakendörfer und die Menschen alles erschien ihm nun ernster. Er blidt gen Himmel und gedenkt der Berge. Er blickt sich, er blidt Wanjusaha an wieder stehen die Berge vor ihm. Zwei Kosaten reiten vorüber, und ihre Flinten im Futteral bewegen sich gleichmäßig auf ihrem Rücken. Die grauen und braunen Beine ihrer Pferde laufen ineinander, und die Berge Jenseits des Teret sieht man den Rauch aus dem Die Sonne steigt empor und Aul( Dorf), und die Berge Aus beleuchtet den schilfumsäumten Teret, und die Berge. einem Rosakendorf kommt ein Wagen gefahren; er fieht schöne Die Abreken sprengen Weiber, junge Weiber, und die Berge. durch die Steppe, und ich fahre dahin und fürchte sie nicht ich habe eine Waffe und Kraft und Jugend, und die Berge.

4.

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Je weiter fich Olenin von dem Zentrum Rußlands entfernte, desto entfernter schienen ihm auch seine Erinnerungen; je mehr er sich dem Kaukasus näherte, desto freier wurde ihm die Seele. Für alle Zeit fortzugehen und nie mehr zurüdzukehren, nie mehr sich wieder in der Gesellschaft zu zeigen. Dieser Gedanke zog ihm manchmal durch den Sinn. Und diese Menschen, die ich hier sehe, find nicht die Menschen, niemand von ihnen tennt mich, niemand von ihnen fann je nach Moskau kommen in dieselbe Gesellschaft, in welcher ich verkehrte, und etwas über meine Bergangenheit hören, und niemand wird von dieser Gesellschaft erfahren, was ich Die ganze Gegend der Tereklinie, an welcher die grebenischen getan habe, als ich unter diesen Menschen lebte. Und das ihm Kosakendorfer liegen, ist etwa achtzig Werst lang und trägt nach völlig neue Gefühl der Freiheit, der Unabhängigkeit von allem Ber - ihrer Bodenbeschaffenheit und nach ihrer Bevölkerung einen ein­gangenen erfaßte ihn mitten unter diesen rohen Wesen, denen er heitlichen Charakter. Der Teret, der die Kosaten von den Berg­auf dem Wege begegnete, und die er nicht als gleichberechtigt mit völkern trennt, fließt trüb und reißend, aber schon breit und ge­seinen Moskauer Bekannten anerkannte. Je roher die Menschen räuschlos dahin; er sett beständig auf dem niedrigen, schilf waren, je weniger Merkmale der Zivilisation sie an fich trugen, bewachsenen rechten Ufer einen grauschimmernden Sand ab und défto freier fühlte er sich. Stawropol, durch das er fahren mußte, unterspult das abschüssige, wenn auch nicht so hohe linte Ufer mit gefiel ihm nicht. Die Schilder, sogar französische Schilder, die seinen Wurzeln hundertjähriger Eichen, faulender Platanen und Damen in den vornehmen Wagen, die Droschken, die am Blake jungen Nachwuchses. Am rechten Ufer liegen friedliche, aber noch hielten, der Boulevard und der Herr in Mantel und Müße, der nicht beruhigte Auls; das linte Ufer entlang, eine halbe Werst vom auf dem Boulevard spazieren ging und die Vorüberfahrenden Waffer, liegen in Zwischenräumen von fieben bis acht Werst die musterte, machten ihm einen schmerzlichen Eindruck. Diese Menschen Kosakendörfer. In alten Zeiten lag der größte Teil diefer Dörfer tennen vielleicht jemanden von meinen Bekannten und wieder unmittelbar am Ufer; aber der Teret entfernt sich mit jedem Jahre fiel ihm der Klub, der Schneider, die Karten, die Gesellschaft ein..mehr von den Bergen in nördlicher Richtung und hat fie unter Dafür aber ging es von Statropol weiter zu voller Be- spült, so daß jezt nur noch die dicht bewachsenen alten Fl- den friedigung; hier war alles wild und überdies schön und friegerisch. fichtbar find, Gärten, Birns, Feigenbäume und Linden, durch­und Olenin wurde immer heiterer und heiterer ums Herz. In wachsen von Brombeeren und wildem Wein. Keine Menschenseele allen Kosaken, Postknechten, Stationsvorstehern sah er einfacje wohnt jetzt hier, und nur im Sand sieht man Spuren von Hirschen, Wesen, mit denen er zwanglos scherzen und plaudern konnte, ohne Wölfen, Hafen und Fasanen, die sich gern an diesen Orten auf sich darüber Gedanken zu machen, zu welcher Gesellschaftsklasse sie halten. Von einem Dorf zum andern führt ein Weg, der grada gehörten. Alle gehörten der Menschheit an, und dieser gehörte linig durch den Wald gehauen ist. An diesem Wege liegen die Olenins unbewußte Liebe, und alle waren gegen ihn freundlich Grenzwachen, in welchen die Kosaten stehen. Zwischen den Grenz­und entgegenkommend. wachen auf Erhöhungen befinden sich die Wachtürme. Nur ein schmaler, dreißig Klafter langer Streifen maldigen, fruchtbaren Bodens bildet den Bereich der Kosaken . Nördlich von ihnen bes ginnen die sandigen Dünen der nogaischen oder mosdotschen Steppe, die fich weit nach Norden erstredt und fich, Gott weiß wo, in die truchmenische, aftradjanische und die tirgiskaisadische Steppe ver liert. Südlich, jenseit des Teret, liegt die große Tschetschnja, der Bergrüden von Rotschkolossow, die schwarzen Berge, noch ein Berg­rücken und endlich die Schneeberge, die nur das Auge ficht, die aber noch nie der Fuß eines Menschen betreten hat. In dieser frucht­baren, waldigen und pflanzenreichen Gegend lebt seit urdenklichen Zeiten eine friegerische, schöne und reiche altgläubige ruffische Be völkerung, die man die Greben- Kofafen nennt.

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Schon im Dongebiet hatten sie ihren Schlitten gegen eine Telege( Bauernwagen) vertauscht, und hinter Stawropol war es bereits so warm, daß Olenin den Belz ablegte. Es war schon Frühling ein überraschend heiterer Frühling für Olenin. Zur Rachtzeit ließ man niemanden mehr aus den Kosakendörfern, und am Abend hieß es, es sei gefährlich in der Gegend. Wanjuschka bekam Furcht. Im Postwagen lag eine geladene Flinte. Olenin wurde noch heiterer. An einer Station erzählte der Vorsteher von einem schrecklichen Mord, der unlängst auf der Landstraße geschehen war. Man traf bewaffnete Männer. Hier also fängt es an, sagte Olenin zu fich selbst und erwartete stündlich den Anblick der Schneeberge, von denen er so viel gehört hatte. Eines Tages zeigte der Boftknecht, ein Nogaier, mit der Peitsche nach den Bergen hinter einer dunklen Wolke. Olenin schaute begierig hin, allein es war dunkel, und die Wolken hüllten die Hälfte der Berge ein. Olenin sah etwas Graues, Weißes, Badiges, und so sehr er sich Mühe gab, er konnte in dem Anblick der Berge, von denen er so oiel gelesen und gehört hatte, nichts Schönes finden. Berge und Wolken, denkt er, haben ganz dasselbe Aussehen, und die besondere

In uralter Zeit hatten fich ihre Voreltern, Altgläubige, aus Rußland geflüchtet und am Zeret niedergelassen, mitten unter den Tschetschenzen auf dem Greben, dem ersten Kamm der wald­reichen Berge der Großen Tschetschnja. Sie vermischten sich mit ihnen und nahmen die Gebräuche, die Lebensweise und die Sitten der Bergbewohner an, behielten aber auch dort die russische Sprache und den alten Glauben in vollster Reinheit bei. Eine noch heute