Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 206.
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Freitag. den 23 Oktober.
1908
handlungen, welche et von seinem Sohne erdulden mußte. ( Nachdruck berboten.) Er zeigte mir die absreckenden Spuren derfelben.
Andreas Vöft.
Bauernroman von Ludwig Thoma , mag von die Erlbacher nig mehr wissen. Sollen's an Schuller b'halten, weil's'n gar so gern bamm. I brauch' foan Erlbacher, i bin koan was schuldi und brauch' auf neamd aufz'passen. Na, i mag vo dera Wahl gar nig mehr hör'n." Baustätter hörte ruhig zu und sagte dann: ,, Sie ärgern sich. Das müssen Sie nicht tun." ,, Sie hamm Eahna'r aa g'ärgert."
" Ich? Nein, dazu hab' ich keinen Grund gehabt."
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"
Bal der Schuller
Nein, Hierangl. Ich bin Pfarrer und hab' kein Recht, mich in die Wahlen einzumischen."
,, Nacha ko's Eahna ja ganz recht sei, daß's a so ausganga is."
Das ist etwas anderes. Darüber will ich ja mit Ihnen reden. Ja hätt' es sehr gern gesehen, wenn Sie Bürgermeister geworden wären, ich hätt' aber kein Wort verloren, wenn es ein anderer geworden wär'. Nur nicht der Schuller. Da ist es meine Pflicht, zu warnen."
Jept is er's halt. Ob's oan freut oder it." ,, Er ist doch nicht bestätigt, und daß er nicht bestätigt wird, dazu können Sie mithelfen."
J? Na, i dank' schö, Herr Pfarrer. I laß ma it' s Maul o'hänga vom Haberlschneider. I laß mi it schlecht macha. brauch' koan Erlbacher durchaus gar nimmer; i bin foan nig schuldi und brauch' auf neamd aufz'passen." ,, Sie müssen helfen, daß die Wahl rückgängig wird." Dös soll'n de andern toa! Bal i was sag', wer' i ausg'lacht, weil a jeder woaß, daß i sei Feind bin." Das is auch nicht recht von Ihnen."
Was is it recht?"
" Daß Sie eine Feindschaft haben. Das soll inan nicht." Herr Pfarrer, nehmen Sma's net übel aber i moan, Sie fan no hoaßer auf'n Schuller."
Da sind Sie im Irrtum. Ich tue nur meine Pflicht als Geelsorger. Aber feind bin ich niemand."
Der Hierangl drehte seinen Hut in der Hand und schaute gleichmütig zum Fenster hinaus.
Die Rede machte keinen Eindruck auf ihn, und er wartete, ob es nicht wieder anders kommen werde.
Ich habe schon öfter bemerkt, daß mich viele für einen Feind des Schuller halten," sagte der Pfarrer nach einer Pause.
Ja, dös glaab'n viel Zeut'."
" Da glauben die Leute etwas Unrechtes von mir. Das würde schlecht passen zu meinem Priesterkleid."
"
Ma hört halt a so reden davo."
Ich weiß schon, warum. Das muß jeder leiden, der seine Pflicht tut."
Für was fan nacha Sie so dageg'n, daß der Schuller Bürgermoasta werd'?"
Das ist meine Pflicht, und ich darf nicht anders handeln. Der Schuller ist nicht fähig, daß er einen Ehrenposten in der Gemeinde hat."
Der Hierangl wurde aufmerksam. Er merkte, daß der Pfarrer noch einen Trumpf in der Hand hatte.
Ich habe es von meinem Vorfahren gewissermaßen als ein Vermächtnis überkommen," fuhr Baustätter weiter. Vom Herrn Held?"
Ja, von meinem Vorgänger Maurus Held." " Da hat ma nia nix g'hört, daß's da was geb'n hat." " Ich habe auch nichts gesagt bis heute, und ich hätte immer geschwiegen, wenn der Schuller nicht gewählt worden wäre."
Ja, was is nacha dös?"
Baustätter stand auf und holte aus dem Schreibtische ein Blatt Papier . Er hielt es dem Hierangl hin.
ho mei Brill'n it bei mir, da kon' i net lesen." Dann will ich es Ihnen vorlesen.„ Erlbach am 16. Juni 1889. Heute war zum zweiten Male der Austragsbauer Johann Vöst bei mir und klagte bitterlich über die Miß
Nachschrift: Ich habe dem Andreas Vöst sein abscheu. liches Unrecht vergehalter. Er zeigte feine Neue und ant wortete mit wüsten Drohungen gegen seinen Bater.
Zweite Nachschrift: Andreas Böst ist ein Mensch, dem ieder aus dem Wege gehen soll, und vor dem öffentlich gewarnt werden müßte."
Unterschrieben ist es: Maurus Held, Pfarrer in Erlbach. Was sagen Sie jeßt, Sierangl? Habe ich die Pflicht, einzuschreiten?"
Baustätter legte das Papier in den Schreibtisch; er sah den raschen Blick nicht, mit dem ihn der Hierangl streifte. Der saß unbeweglich und schaute wieder zum Fenster hinaus, als sich der Pfarrer gegen ihn wandte.
„ Nun?"
Da hat mi gar nia was g'hört. Der alt Böst hat si nia beklagt; i glaab, daß in ganz Erlbach foaner is, der wo vom alten Vöst was g'hört hat."
,, Das glaube ich schon. Es ist ganz natürlich, daß er so was nicht erzählen mochte."
a, hat er's an Herrn Held beicht?" „ Was fällt Ihnen ein? Da wüßte ich es so wenig, wie Sie."
ša, ja."
" Der alte Mann wird aber sein Leid geklagt haben und wird ihn gebeten haben, daß er den Sohn zur Rede stellt." ,, Daß mi da gar nia was g'hört hat?"
,, Sie täten es auch nicht erzählen, Hierangl." " Ja, ja."
Aber meinen Sie, daß ich ruhig zusehen soll, wenn der Schuller Bürgermeister wird? Ein gefährlicher Mensch, heißt es."
a, was wollen& nacha toa, Herr Pfarrer?' Ich melde das dem Bezirksamt."
An Bezirksamt? Dös werd aa nig machen kenna." ,, Es kann die Bestätigung verweigern. Und dann noch etwas, Hierangl. Ich habe Sie gerade deswegen rufen lassen, weil ich will, daß die Gemeinde Kenntnis erhält von dieser Aufschreibung."
mi
" Sie moana, i soll dös weiter erzähl'n?" a, das heißt
"
,, Herr Pfarrer, i will Eahna glei sag'n, auf dös kon' i net ei'laffen. G'rad wann's i berzähl, hamm d' Leut' an Zweifel."
Ich will nicht, daß Sie's öffentlich erzählen. Aber ein paar Leuten, die ohnehin gegen die Wahl sind. Vielleicht beschweren sich die."
"
"
Wer mag der Kay' d' Schellen o'hänga? net
,, Sie brauchen es nicht selber zu tun. Aber finden sollen Sie einige. Es ist doch im Interesse der Gemeinde!" ,, Es gibt an großen Spektakel. Der Schuller hat viel Leut' auf seiner Seiten."
Die Leute werden doch nicht immer gegen ihren Pfarrer sein! Wenn sie erfahren, daß auch mein Vorgänger die größten Bedenken hatte, müssen sie glauben, daß etwas daran ist. Da müssen ihnen doch die Augen aufgehen!" ,, A paar vielleicht, aba viel it." Das ist sehr traurig."
Ja no; von heut' auf morg'n geht so was it. Sie wer'n febg'n, es gibt viel Verdruß."
,, Das hindert mich nicht; jetzt fechte ich diesen Stampf erst recht durch. Ich tue es dem Andenken meines verstorbenen Amtsbruders zuliebe."
Baustätter hatte die Stimme erhoben; aber es flang nicht wie heiliger Eifer aus seinen Worten; es verbarg sich hinter ihnen Saß, recht irdischer Haß.
Hierangl hörte ihn heraus und freute sich. Aber er ver. stand es besser, seine Gedanken zu berbergen; seine Augen blitten nicht wie des Herrn Baustätt rr; fie hafteten ruhig auf dem Marienbilde über dem Schreibtische und wanderten hinüber zu der Bibliothek, wo die verstaubten Bücher lagen; der heilige Alphons von Liguori neben dem Sulzbacher Kalender.
.Recht viel wer'n si net unterschreiben," sagte er gleich mütia..aber oan woak i."