Nnterhaltnngsblatt des vorwärts Nr. 203. Dienstag, den 27. Oktober. 190ö (NachdruS derbolm.Z tSj Knäreas Völt. Vauernroman von Ludwig Thoma . Aber der Paulimann war unruhig. Seit er nüchtern war, reute ihn die Geschichte. Eine solche Dummheit, wie das war! Allemal nahm er sich vor, keinen Rausch mehr kriegen, und allemal kam er wieder zu einem. Und jetzt eine solche Verlegenheit! Sonst kriegte er bloß Schläge im Wirts- Haus, und seinen Landler von der Bäuerin; hernach war es wieder gut. Aber diesmal ging es anders: er war mitten hineingekommen in einen Streit, der ihm schon vom An- schauen zuwider war, und mit dem er durchaus gar nichts zu tun hatte. Er mußte die Suppe auslöffeln, die andere ein- gebrockt hatten: er sollte jetzt auf das Gericht gehen. Lieber wären hundert Mark hingewesen, oder noch mehr. Er kraute sich in den Haaren und schob unruhig einmal den rechten und einmal den linken Fuß vor. „Also," sagte Kloiber,„ös wißt's ja. warum mir da z'sammcnkemma san. Der Bürgermoasta will enk zwoa weg'n Ehrenbeleidigung verklagen, und, also, indem's ös in der nämlichen Gemeinde seid's, is also dös G'setz a so, daß z'erjcht a Sühneversuch sei muatz. Dös is richtig, Herr Lehrer, nei wahr?" „Ja, das ist die g'setzliche Vorschrift." „Also, und da muaß i enk frag'n, an Bürgermoasta aa, ob's enk it Vergleichs wollt's und de Sach' guat sej lassen?" „J nimm all's z'ruck," sagte der Paulimann,„i will koan Streit gar it." „Is g'scheiter aa. Waar ja do z'wider, wann a solchen? Feindschaft ins Dorf kam. Was sagst denn Du, Bürger- moasta?" Der Schuller legte die Hände auf den Rücken und sagte ruhig: „Dös woaß a jeder, daß i net glei da bin mit'n G'richt. Aba dös helft mir gar nix, wann da Paulimann sagt, er nimmt's z'ruck. Es muaß öffentlich erklärt wer'n, daß de G'schicht verlogen is, und dös muaß aa g'sagt wer'n, woher dös G'red kimmt. Nacha will i gar nix vom Paulimann und halt' mi an den, der a solchene Verleumdung auf d'Wclt bringt." „J Hab' halt an Rausch g'habt," sagte der Paulimann, „da red't ma dumm daher. I Hab' durchaus gar nix geg'n Schüller, und i sag's öfsentli, daß er a richtiger Mann is." „Was is denn nacha mit Dir, Hierangel?" fragte Kloiber. „Mit mir?" „Ja; was Du sagst, ob Du net aa an Erklärung macha willst?" „Was geht denn mi de ganz' G'schicht o?" „Du bist halt jetzt amal vorg'laden vom Schuller und muaßt Di nach'» G'setz erklär'»." „Hab' i was g'sagt? Was geht denn dös mi o, wenn da Paulimann im Wirtshaus aufdraht? Hab' i was g'sagt?" „Jetzt woaßt, gar a so unschuldi muaßt Di net hi'stellen!" schrie der Paulimann,«balst Du zu mir nix g'sagt hätt'st, nacha hätt' i de Dummheit net daher bracht im Rausch!" „Wo Hab' i was g'sagt zu Dir?" „Mögst Du dös laugna? Bei Dir dahoam, in Deiner Stuben hast as g'sagt. Jetzt mögst Di außischwindeln, gel?" „Du werst Dir's überlegen, ob Du dös behaupten ko st, daß i schwinde!. Sinscht verklag' i Di aa." „Vo mir aus, nacha weis' i auf, daß Du dös g'sagt hast." „J Hab' zu Dir gar nix g'sagt. Du bischt zu mir kemma und hast g'sagt, daß der Kloaweber zu Dir g'sagt hat, daß der Schuller sein Vater'n a so mißhandelt hätt'." „Und nacha hast Du g'sagt..." „Nix is. Nacha hast Du mi g'fragt, ob dös Wahr is. Und i Hab' g'sagt, i woaß bloß, daß der Herr Pfarrer den Zettel hat, wo dös drauf steht." Der Schuller war nicht aus seiner Ruhe gekommen und hatte den beiden zugehört. Bei den letzten Worten des Hierangl stieg ihm die Nöte in das Gesicht, und er trat einen Schritt vor. 1 „Was steht auf dem Zettel?" fragte er. Der Hierangl schaute an ihm vorbei und sagte kurzabs „Mit Dir red' i net." «Du werst scho no reden müassen. Du Tropf, Du schein- heiliger!" „Halt!" sagte der Kloiber,„macht's net wieder aufs nett' a Beleidigung her! Dös hat koan Wert it!" „Laß'n reden!" schrie der Hierangl,„dös rührt mi gar it o, was der sagt." Jetzt kam der Schuller in Zorn. _„Dös seil wer'n mir sehg'n," sagte er,„ob Di gar nix o'rührt. In ganz Erlbach derf koa Mensch no an Achtung Hamm vor an solchen Ehrabschneider!" „So? Moanst? So? Vo Dir derf koa Hund mehr an Brocken o'nehma. Hast as g'hört?" „Nimm Di z'samm, Hierangl l" „Na, grad' net. Jetzt behaupt' i's no mal, was i zu'n Paulimann g'sagt Hab'. Der Pfarra hat mir dös Schreiben zoagt vom Herrn Held. Der hat's aufg'schrieben, was Du für oana bischt. Jeder Christ muaß Dir aus'n Weg geh! Dir!" „Halt, jetzt is gnua!" schrie der Schuller. „No lang it. Dein Vater'n hast g'schlag'n, daß er im Pfarrhof um Hilf' hat bitten müassen!" „Sauhund, Hab i Di! Du und der Pfarra!" Der Schuller faßte den Hierangl an der Gurgel. Alle Besonnenheit war weg. „Der Pfarra und Du! Habt's dös g'funden, was an Menschen schlecht macht?" Der Hierangl stemmte sich dagegen. Seine Stimme gellte, daß man sie über die Straße hinüber hörte.„Aus- lassen! Du! Dir geht's schlecht!" Stegmüller sprang auf, der Kloiber und der Paulimann hingen sich an den Schuller. Aber der hatte eiserne Finger und hielt fest. Und der Hierang! kreischte wieder:„So hast as Dein Vater'n g'macht, gel? Dein alten Vater'n?" Der Schuller ließ aus. Noch einmal der Schimpf! Nein, damit machte er ihn nicht gut, daß er sich an dem heimtückischen Lügner vergriff. „Geh zua, Lump!" Er sagte es wieder ruhig. Eine rechte Verachtung kam über ihn, als er die Verleumdung noch einmal hörte. Wie sich der Hierangl frei fühlte, ging er an die Türe� Er richtete seinen Kragen und die Halsbinde. „J nimm enk allsamt als Zeug'n." sagte er,„dös werd si aufweisen, ob der da d' Leut' schlag'n derf." Er ging, und die anderen hörten ihn noch in der Gast- stube und im Hausgange schimpfen. „Schuller, dös hätt'st it toa soll'»," sagte der Kloiber. „Soll i mir all's g'fallen lassen?" „Durch de Rauferei bist selm strafmäßig, wenn er Di o'zoagt." „Soll i mi hi'steh und mi g'rad schlecht macha lassen?� ,.J Hab''s Recht it, daß i Dir was ei'red': dös muaßt selm ausmacha." „Kloiber, Du muaßt ma'r an G'fallen toa." „Was nacha?" «J geh' zum Pfarrer'nauf, und Du muaßt mir an Zeug'n macha." „I tua's it gern, Schuller." „Warum? I Hab' g'moant, Du bischt it bei dena, de si aufhetzen lassen." „J lass' mi net aufhetzen: i Hab' nix gegen Di, und i hab� nix geg'n an Pfarra." „G'rad desweg'n mächt' i, daß d' mitgehst. Du muaßt it moana. daß Du Partei nehnra sollt'st." „J hätt' am liabern mit dera Sach' nix z'toa. Dös i< z'wider für an jed'n, der si d'rei mischt." „I ko it alloa'naufgeh'. I muaß an Pfarra frag'n, waS dös is mit dem Zettel, und da brauch' i an Zeug'n. Den G'fallen tat i an jed'n, und bal's mei Feind waar." „I sag' dir's, wia's is. Schuller. I bin it dci Feinds „I tat di net plag'n und gang zum Haberlschneider. Aba es muaß oana sei, der dös jetzt g'hört hat vom Hierangl."
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25 (27.10.1908) 208
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