Es fjalf jedoch dem Nußbacher Anzeiger nichts, daß er seine Spalten jetzt nur solchen Darstellungen einräumen wollte, welche vornehme Gesinnung atmeten. Seine klobigen Feinde zwangen ihn zum wenigsten jede Woche einmal, mit einem zornigen Aufschrei ihnen auf das Gebiet politischer Gemeinheit zu folgen. Der Stadtprediger Roth wandte historische Kenntnisse und alle Künste scharfer Dialektik auf. um die Gegner zu er- drücken. Er versicherte von einem zum anderen Male, daß� ihm die krampfhaften Anstrengungen derselben unendlich viel Ver- gnügen bereiteten, und daß er ein herzliches Lachen nicht unterdrücken könne, ob des unbeholfenen Stiles, in welchen die verworrenen Gedanken eingekleidet seien. Aber wenn Hefele auch noch so oft hinzufügte, daß sich der bewußte Artikelschreiber im Wochenblatte von dem ver- mchtendcn Schlage kaum mehr erholen dürfte, so war er trotz- dem bald darauf gezwungen, angesichts neuer Gemeinheiten zu fragen, ob katholische HanSvorstände es mit ihrem Ge- wissen vereinigen könnten, das Nußbacher Wochenblatt zu halten (Fortsetzung folgt.> (Nachdruck uerZatcn.) xz Die Kolaken. Von Leo Tolstoi . Die Nacht war dunkel, warm und windstill. Nur an der einen Seite des Himmelsgewölbes glänzten Sterne, der andere größere Teil des Firmaments über dem Gebirge war in tiefes Gewölk yehüllt. Die schwarze Wolke, die mit den Bergen in eins verfloß, zog träge ohne Wind weiter und weiter und hob sich scharf mit ihren gezackten Rändern von dem tiefen Sternenhimmel ab. Nur vor sich sah der Kosak den Terck und die Ferne. Im Rücken und zur Seite umgab ihn eine Wand von Schilf. Die Schilfrohre wiegten sich von Zeit zu Zeit, wie es schien, ganz ohne Ursache und rieben sich eines an dem anderen. Unten erschienen die ckiwaickenden Wedel wie wollige Zweige eines BaumeS auf dem ichtcn Rande des Himmels, und unmittelbar zu seinen Füßen lag das Ufer, unter dem der Strom rauschte. Weiterhin schimmerte die glänzende bewegliche Masse des bräunlichen Wassers einförmig um die Sandbänke und das Ufer. Noch weiter hin verschwamm alles: Wasser, Ufer und Wolken in undurchdringliche Finsternis. lieber die Oberfläche zogen schwarze Schatten dahin, welche das geübte Auge des Kosaken als Baumstämme erkannte, die von oben herabgcschwommen kamen. Von Zeit zu Zeit nur bezeichnete ein Wetterleuchten, das sich im Wasser wie in einem schwarzen Spiegel widerspiegelte, die Linie des gegenüberliegenden steilen Ufers. Die einförmigen Stimmen der Nacht, das Rauschen des Schilfes, das Schnarchen der Kosaken , das Summen der Mücken uno daß Strömen des Wassers wurden nur selten durch einen Schuß in der Ferne, durch den Sturz von Ufersand, durch das Plätschern eines großen Fisches oder durch das Knistern eines TiercS in dem wilden, dichten Wald unterbrochen. Einmal flog eine Eule den Terek entlang, die regelmäßig nach dem zweiten Flügelschlage mit dem einen Flügel an den anderen klatschte, unmittelbar über den Häuptern der Kosaken wandte sie sich dem Walde zu und flog auf einen Baum. Nun schlug sie nicht bei jedem zweiten Flügelschlage, sondern bei jedem einzelnen ihre Flügel aneinander, ja, als sie schon auf der alten Platane saß, flatterte sie noch unruhig hin und her. Bei jedem dieser unerwarteten Geräusche spannte der wachende Kosak sein Gehör auf das äußerste an, kniff die Augen zusammen und tastete leise an der Flinte umher. Der größere Teil der Nacht war verstrichen. Die schwarze Wolke war nach Westen gezogen, aus ihren gezackten Rändern trat der lichte Sternenhimmel hervor, und das gebogene goldene Horn des Mondes erglänzte rötlich über den Bergen. Ein Frost trat ein. Najarka erwacht«, sprach etwas und schlief wieder ein. Lukaschka wurde ungeduldig. Er erhob sich, zog sein Mesicr unter dem Dolche hervor und schnitt sich eine Rute zum Ladcstock zurecht. Tausend Gedanken zogen ihm durch den Sinn: wie dort in den Bergen die Tschetschcnzen wohnen, wie die Tapferen nach dem diesseitigen Ufer übersetzen, wie sie die Kosaken nicht fürchten und wie sie wohl an anderer Stelle über den Fluß kommen könnten. Und er streckte den Oberkörper vor und spähte den Fluß entlangi Aber nichts war zu sehen. Von Zeit zu Zeit schweifte sein Auge über den Strom und das ferne Ufer, das sich in dem zitternden Lichte des Mondes nur schwach abhob. Er dachte nicht mehr an die Tschetschenzen und wartete nur der Stunde, wo er die Kameraden wecken und nach dem Standort zurückgehen könnte. Im Dorfe sah er Dunajka, sein„Scelchcn", wie die Kosaken die Geliebte nennen. Und er dachte mit Aerger an sie. Die Anzeichen des Morgens traten ein: der silbern schimmernde Nebel über dem Wasser, die jungen Adler, die in der Nähe gellend pfiffen und mit den Flügeln schlugen. Endlich ertönte weit her vom Dorfe der erste Hahnenschrei, gleich darauf ein zweiter, langgcdehnter im Walde. Ein Krähen von allen Seiten antwortete. „Es ist Zeit, daß ich sie wecke/ dachte Lukaschka, der seinen Ladcstock fertig hatte und nun fühlte, wie ihm die Augen zufielen. Er wandte sich zu den Kameraden und suchte zu bestimmen, wem die Beine gehörten, die da durcheinander lagen. Plötzlich aber war es ihm, als plätscherte etwas auf der anderen Seite des Terek , und noch einmal sah er nach den hellen Bergspitzen zurück, die von der Mondsichel beleuchtet waren, nach dem jenseitigen Ufer, nach dem Terek und nach den Baumstämmen, die nun deutlich sichtbar den Strom hinabschwammen. Ihm war's, als bewegte er sich, und als wäre der Terek und die Baumstämme unbeweglich; aber d« währt« nur einen Augenblick. Wieder schaute er scharf hin. Etn großer schwarzer Baumstamm mit einem Ast feflelte besonders seine Aufmerksamkeit. Wie seltsam! Ohne sich zu drehen, ohne sich hin und her zu bewegen, schwamm dieser Stamm gerade mitten im Flusse. Ja. es schien ihm sogar, als schwimme er nicht mit dem Strome, sondern schnitte den Terek und schwimme auf die Sandbank zu. Lukaschka streckte den Hals vor und folgte ihm mit gespannter Aufmerksamkeit. Der Baumstamm schwamm auf die Sandbank zu, hielt und machte eine sonderbare Bewegung. Da kam es ihm vor. als werde eine Hand hinter dem Baumstamme sichtbar.„Was, wenn ich den Abreken allein erickieße?" dachte er. Er griff nach der Flinte, stellte ohne Ueberhastung aber schnell die Stütze hin, legte die Flinte darauf, spannte ganz leise den Hahn� hielt den Atem ein und zielte mit festem Blick.„Und ich wecke sie nicht," dachte er, aber das Herz in der Brust pochte ihm so laut, daß er anhielt und horchte. Der Stamm plumste plötzlich ins Wasser und schwamm, die Wellen teilend, dem diesseitigen Ufer zu.„Nur nicht entschlüpfen lassen," dachte er, und siehe da, im schwachen Lichte des Mondes schaute ein Tatarenkopf über den Stamm hinüber. Er richtete die Flinte gerade auf den Kopf, Er schien ihm ganz nabe, am Ende des Laufes. Er sah darüber weg. „Ja, es ist ein Abreke," backte er freudig, fiel eilig auf die Knie, legte wieder an. ersah sick daS Ziel, das ganz nahe am Ende der langen Flinte zu sein schien, und sagte nach einem von Jugend auf gewohnten Kosakenbrauch:„Im Namen des Vaters und des Sohnes". Dann drückte er los. Ein Blitz beleuchtete auf einen Augenblick Schilf und Wasser. Der scharfe, kurze Knall schallte über den Fluß und ging in der Ferne in ein Knattern über. Nun schwamm der Baumstamm nicht mehr quer über den Fluß, sondern den Strom hinunter, schwankend und hin und her schaukelnd. Halt' ihn, sag' ich, schrie Jerguschow, nach seiner Flinte tastend und hinter dem Balken hervorkriechend. Schweig, Teufel, flüsterte ihm Luta mit zusammengebissenen Zähnen zu, eS sind Abreken. Auf wen hast Du geschossen, fragte Nasarka, auf wen hast Du geschossen. Lukaschka? Lukaschka antwortete nicht. Er lud die Flinte und folgte dem schwimmenden Baumstamme. Nach einer kurzen Strecke blieb dieser an einer Sandbank hängen, und hinter ihm erschien etwas Großes, das sich im Wasser hin- und herbewegte. Warum hast Du geschossen? Warum sagst DuS nicht? wieder- holten die Kosaken. Du hörst doch, die Abreken kommen, wiederholte Luka. Er lügt jal Oder ist die Flinte so losgegangen?... Einen Abreken habe ich erschossen. Sieh, darum habe ich ge- schössen, sagte Lukaschka mit erregt zitternder Stimme und sprang auf die Beine.— Ein Mensch schwamm dort... sagte er und zeigte nach der Sandbank. Ich habe ihn erschossen. Sieh nur hin! Er lügt, wiederholte Jerguschow und rieb sich die Augen. Lügt? Sieh hin, hier hin! sagte Lukaschka, faßte ihn bei der Sckmlter und drückte ihn mit solcher Gewalt nieder, daß Jerguschow aufstöhnte. Jerguschow sah nach der Richtung, nach welcher Luka hinge- wiesen hatte; er bemerkte den Körper und veränderte sofort seinen Ton. Hm, hm. ich sage Dir, es müssen noch andere da sein, sagte er leise und betrachtete seine Flinte. Das war der Vordermann, ent- weder sind sie schon hier oder nicht weit vom Ufer drüben. Du kannst mirs glauben. Lukaschka löste seinen Gurt uud begann den Tscherkcffenrock auszuziehen. Wohin willst Du, Du Dummkopf? schrie Jerguschow. WagS nur! Für ein Nichts gibst Du Dein Leben hin, sage ich Dir, hast Du ihn erschossen, so läuft er nicht davon. Gib mir Pulver zun, Nachschütten. Hast Du welches? Nafar, Du geh schnell nach der Grenzwache, aber nicht am Ufer entlang— sonst er, gießen sie Dich. Ich soll also allein gehen? Geh doch selbst, sagte Nasarka zornig. (Fortsetzung folgt.) Das Mirtfckaftsleben der alten Sermanen. IV. Heinrich T u n o w schreibt in dem einleitenden Vorwort zur zweiten Auslage der„Einleitung zur Geschichte der Mark-, Hof-, Dorf- und Stadtverfassung und der öffentlichen Gewalt/ von Georg Ludwig Maurer (Wien 1890):
Ausgabe
25 (29.10.1908) 210
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