.Ebenso' wie bei den alten Gennanen. den alten Römem, den alten Peruanern.läßt fich bei den altei Ejinefen, den Japanern. den irischen Kelten, den Afghanen, Malai 1, Jndochinesen usw. die GeschlechtSverfassnng als Bas S ihrer Territorial- Verfassung erweiien, und selbst in bezug auf die einzelnen 5?eldeinrichtungen und die agrarischen Rechtsbestimmungen ergeben sich oft überraschende Analogien.... Es zeigt sich aus, in diesen Uebereinstimmungen wieder die von der heutigen Ethnologie der- fochlene Gesetzmätzigkeit der menschheitlichen Ent- Wickelung, die Tatsache, daß überall auf gleicher Entwickelungs- stufe unter gleichartigen Lebensbedingungen sich gleichartige wirtschaftliche, rechtliche, verwandtschaftliche Institutionen heraus- bilden. Zwar nicht in allen Einzelheiten ergeben fich Analogien; je nach den besonderen geschichtlichen Einflüssen und der Besonder- heit der lokalen Bedingungen mögen Abweichungen fich zeigen...* ES ist eine natürliche Eigentümlichkeit der vergleichenden Völker- künde, dag sie daS, auf was eS ihr ankommt, nämlich das den Völkern Gemeinsame, mit einer Schärfe und mit einer kon- struktiven Bestimmtheit herausarbeitet, die jjch aus den direkten ge- schichtlichen Spezialquellen sehr oft nicht positiv rechtfertigen lägt. Ist indes die Voraussetzung richtig, die jeder ethnologischen Kon- struktion zugrunde liegt, die Boraussetzung,„daß überall auf gleicher Entwickelungsstnfe unter gleichartigen Lebensbedingungen fich gleichartige... Institutionen herausbilden," dann kann über die Fähig- keit der vergleichenden Völkerkunde, unmittelbare geschichtliche Spezialzeugnisse zu ersetzen, kein Zweifel bestehen. Und diese Voraus- setzung ist in der Tat richtig. Ich hatte mich bis jetzt damit begnügt. auZ den auf im* gekommenen Spezialzeugnisien heraus und mit Hilfe der nächsten Kombinationen, die im Rahmen dieser Spezialzeugnisse wissen- schaftlich zulässig find, das Bild des altgerinanischcn Wirtschaftslebens zu zeichnen, das folgende Züge trug: DaS altgermanische Wirtschaftsrecht, die altgermanische Siede- lungS- und Arbeitsweise entwickelte sich auf dem Grunde gentilizischer sverwandtschakllicher) Beziehungen zwischen den Arbcitsgenosien: die Wirtschafts- und Territorialgenossenichaften, die räumlich bei- einanderwohnenden Gruppen deckten fich mit den gentilizischen Gruppen. Zur Zelt des Cäsar erschien die Völkerschaft als In- haberin des BodeumonopolS, die Geschlechtsgenossenschaft(das ist der Verband verwandlschastlich verbundener Familien ober Einzel- hauSholtungen) als Nutznietzerin deS jährlich ausgewechselten BodenS. In tacitcischer Zeit war die GeschlechtSgcnossen- schaft Grundeigentümerin' sie veneilte je auf ein Jahr, späterhin je auf einige Jahre das Land zur Nutz- niefiung an die Einzelfamilien, die nur daS HauS und das nächste Umland deS Hauses eingentümlich besahen. Dir BevölkcrungS- Vermehrung selbst, die Zunahme der Zahl der in den Geschlechts- geuosscnschaften vorhandenen Personen drängte zu dieser Spezialisierung. Die ehedem umhcrwandernde Geschlcchlsgenossen- schaft ward nunmehr zur sehhaften Fcldgemeinde oder Mark- gcnossenschaft. Diese konnte in einem Dorfe beisammen wohnen, jedoch auch mehrere Dörfer umfassen. Die Hunderlschaft, deren Bedeutung für die altgermanische Wehr- und Gerichtsverfassung wir kennen, dürfte im allgemeinen mit der Geschlechts- oder Mark- genossenschaft identisch gewesen sein. Auch der Gau scheint, g r u n d- sä tz l i ch gesprochen. mchlS anderes bezeichnet zu haben, als die Hundertschaft. Trotzdem war eS meines persönlichen Trachtens nicht ausgeschlossen, daß ein Gau mehrere Markgenossenschaften oder Hundertschaften umschlotz.*) Hier ist die Mannigfaltigkeit besonderer Einzelumstände doch wohl von hervorragender Bedeutung für die Gestaltung deS realen historischen BildeS gewesen. Damit sei nicht gesagt, daß die Prinziplenlehre der primitiven agrarischen Entwickelunge», die Cunow auS der Masse seiner ver- gleichenden Einzelstudien herausgeschöpft hat. der tiefsten geschichtlichen Begründung entbehre. Cunow selbst faßt in der erwähnten Arbeit den Schematismus dieser Entwickelungen in folgende Worte: .Heute wissen wir, daß überall auf der Erde die ältesten territorialgenossenschaftlichen Organisationen auf geschlechterrechtlicher Verfassung beruhen. Sie entstehen dadurch, daß die zu einem Stamme vereinigten Geschlechts- aenossenschaften... sich als solche in einem Distrikte nicderlnjsen. iewöhnlich wird daS in Besitz genommene Land einfach zwischen den Geschlechtern aufgeteilt, oder auch eS gelangt nur der zum An- bau geeignete bessere Teil des Bodens zur Verteilung, während daS weniger nutzbare Gebirgs-, Oed- und Sumpsland als allgemeines, sämtlichen Gcschlechtsgenossenschaftcn gemeinsam gehörendes Stammesland übrig bleibt. Diesen Geschlechterbczirken finden sich durchwegs, entsprechend der Verbindung mehrerer Einzel- geschlechtSgenossenschaften zu einem größeren Geschlechts- ") Cäsar schreibt in Kapitel 1 deS 4. Buches:„Das Land(der Suevcn) besteht auS 100 Gauen, aus denen jährlich je 1000 lsiaxuli» milia) Bewaffnete ins Feld ziehen*. Hier ist der Gau sogar als Zehnerschaft von Hundertschaften be- griffen: 10 Hundertschaften gleich 1 Gau. Eö scheint nur durchaus nicht statthaft, diese Angabe einfach durch Casars Stratcgeneitelkeit zu erklären; der, wie Cunow sagt,„die noch heute unter kriegführenden Mächten übliche Taktik* befolgt habe, durch Fälschung der Zahl deS Gegners(ums Zehnfache) den eigenen Erfolg zu steigern. bruderschastsverband«(Phratrie). wieder größere Distrikts« genofienichaften übergelagert, sogenannte Landschaftsverbände, und über diese endlich erhebt fich die Gesamtterriotorialgenofieuschast deS Stammes. Wo in kriegerischen Völkerschaften eine Einteilung nach Wehrfähigen üblich ist, deckt fich diese.... mit der geutillzischen Gliederung. Die Geschlechtsgenossenschaften sind dann zugleich Hundertschaften, die Pbratrien Tausendschafien, die Stämme Zehn- tausendschaften. Der Stamm wird dann zu hundert Geschlechts» genostenschaften gerechnet, wenngleich diese Zahl natürlich nur selten genau zutrifft. Eine derartige Geschlechterverfafiung liegt... auch der alten germanischen Terrilorialvcrfasiung zugrunde.* Diese Bevölkerungsgliederung ließe sich, woiern wir uuS aus» schließlich aus Casar und Tacimö zu stützen hätten, schwerlich er» kennen. Indes beweist der Umstand, daß die Tauieudschaftsverbände bei den Vandalen, den Goten, den Niedersachsen , den skandinavischen (Nord-jgermanen geschichtlich bezeugt sind, den gemeingermanischen Charakter jener Gliederung, die im altgermanischen Wirlschaftsrecht eine so entscheidende Rolle gespielt hat. Jene geschlecbterrechtliche Gruppierung wurde jedoch auch für nichtgermanische Raffen nachgewiesen: beispielsweise für die Peru » i n d i a n e r und für die alten Römer. Begnügen wir uns hier mit einem Blick aus die altlatinische Agrarverfassung, über deren gcschlcchterrechtlichen Ursprung Theodor Mommscn folgendes geschrieben hat: ..... die römische Mark zerfiel in ältester Zeit in eine Anzahl Geschlcchterbezirke.... Wie zu dem Hause ein Acker, so gehört zu den, Geschlechtshaus oder Dorf eine Geschlechtsmark, die aber... bis in verhälmismäßig fpäte Zeit noch gleichsam als Hausmark, d. h. nach dem System der Feldgemeinschaft bestellt wurde...* Die römische Geschlechtsaenosjcnschaft, die sicherlich der germani - schen Cent oder Markgenossenschaft entsprach, bestand auS zehn Einzel- familien und bildete ihrerseits mit neun anderen Geschlechtsgenoffen» schaften eine höhere Einheit, die von Momniscn„Cunenniark* genannt wird und der gotischen Tauseudschaft entsprochen haben dürfte. Zehn Curienmarken bildeten den Stamm. Aber nicht bloß der gentilizische Aufbau der Gesellschaft, sondern auch die kommunistische Bodennutzung war den alten Germanen und den alten Römern gemein. Mommsen sagt, daß daS römische Ackerland in ältester Zeit „nach den einzelnen Geschlechtsgenoffeiischaften und dann der Ertrag unter die einzelnen dem Geschlecht angebörigen Häuser verteilt ward* und daß nach römischer Rechtsüberlieferung„das Vermögen anfänglich in Vieh und Boden benützung bestand und erst später daS Land unter die Bürger zu Sondereigentum oerteilt ward.* Eine jüngere Analogie, die vielen Mißdeutungen unterworfen worden ist. mag ich nicht verschweigen. Ich denke an die russische Feldgemeindeverfassung des 18. und 19. Jahrhunderts, die dem europäischen Westen wohl erstmals durch die(184S in deutscher Ueberfetzung erschienenen) Vorlesungen MickewiczS am EollsAS de France in Paris und daS 1847 ertchienenc toll reaktionäre Buch des BaronS Haxthausen :„Studien über die inneren Zustände Rußlands * bekannt geworden ist. Nicht wesentlich andere als die Agrarverfassung der wciteischen Germanen�) war die russische im Zeitalter deS Zaren Nikolaus I. und des Zaren Alexander IL; nicht anders ist fie noch heute vielerorten in Rußland . Die russische Landgemeinde deS 19. Jahrhunderts teilte ihr ur- bares Land in drei Gewanne, zwei dieser Gewanne in schmale Riemen. Die Riemen der ersten Gewanne ivurdcn im ersten Jahre durchweg mit Winterkorn, die der zweiten gleichzeitig mit Hafer oder Buchweizen besäet; die dritte Gewanne lag währenddeffen als Brache für daS Bieh. Jahr für Jahr er» folgte ein Wechsel im Anbau der Gewanne und in der Nutznießung der Landstreifcn durch die im Dorfe befindlichen arbeitenden Per- sonen(Bauern). ES ergab fich kür die Technik deS Anbaus folgendes dreijährig umlaufende Wechselsystem: Erstes Jahr: W 8 E(Winterkorn, Sommerkorn, Brache), Zweites, 3 E IV, Drittes, BWS. Der bekannte russische Sozialist Alexander Herzen gab in seinem 1853 erschienenen Buche„Du developpernont des idöes rövolutionaires en Russie"(lieber die Eulwickelung der revolutio- nären Ideen in Rußland ) eine gelungene Charakteristik der russischen Landgemeindeversassung. „DaS Land gehört der Gemeinde, nicht den einzelnen Gliedern; diese haben das unverletzliche Recht, ebenso viel Land zu befitzen wie jedes andere Mitglied derselben Gcnieinde.... ES geschieht häufig, daß sehr bejahrte Greise ihr Land zurückgeben und dadurch das Recht erlangen, keine Steuer zu bezahlen.... Alle diejenigen. welche in der Gemeinde Land besitzen. daS heißt jedes gragjährige, stcuerzahleitde Jndividunm, sind in Gemeiitdeangelegenheiten stimm- fähig.... Im Grunde ist'S nur der Boden. welcher die Steuern zahlt, nicht die Person. Die Regierung zählt nur die Kopse, die Gemeinde macht ihre Totalsumnte, indem fie den tätigen Arbeiter, da- heißt den. der ein Stück Land zur Nutznießung besitzt, als Ein- heit betrachtet....* Der romantische Sozialismus in Rußland , bem noch ein Herzen angehörte, erblickte in der sozialistischen Agrarversassung der russischen *) lieber wilde FeldgraSwirtschaft und Dreifelderwirtschaft haben wir bereits gesprochen. Die letztere ist bei den Germanen wohl erst im S. Jahrhundert eingedrungen
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25 (29.10.1908) 210
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