des Pfarrers Zkmstattcr gegen die Bestätigung des Andreas Vöst. Datum vom 21. November.„Ich muß ganz ergebenst eine äußerst wichtige Mitteilung machen, daß nämlich in den hinterlassenen Papieren meines verstorbenen Amtsvor- gängers sich eine dringende Warnung vorfindet... et eetera. F o l i u m vier. Protokoll des königlichen Bezirks- amtes Nußbach, den 24. November. Erscheint der Pfarrer Jakob Banstätter und gibt an, was folgt. Meine Pflicht als Seelsorger...._ und so weiter. Uebergibt gleichzeitig eine Urkunde, Niederschrift des verstorbenen Pfarrers Maurus Held, und bittet um Ruckgabe. Folium fünf. Abschrist der von Zc. Baustätter über- gebenen Urkunde. Das Original auf Wunsch zurückgegeben. Erlbach, den 16. Juni 1889. Heute war zum zweiten Male der Austragbauer Johann Vöst bei mir und klagte bitterlich über die Mißhandlungen, welche er von seinem Sohne er- dulden mußte. Er zeigte mir die abschreckenden Spuren der- selben.-• (Fortsetzung folgt./! (Rachdrvck»erboten.) uq Die Kofaken. Von Leo Tolstoi . Wird's nun, schleppt ihn hierher, Kameraden, schrie Lulaschka den Kosaken, die sich mürrisch an die Leiche gemacht hatten, in be- fehlendem Tone zu, und die Kosaken führten seinen Befehl aus, als ob er ihr Vorgesetzter wäre. Sie schleppten die Leiche einige Schritte fort, ließen die Füße, die schwer herabhingen, nachschleifen, legten fie nieder und standen eine Zeitlang schweigend um sie herum. Nasarka trat an die Leiche heran, legte den verschobenen Kopf so zurecht, daß man die blutige runde Wunde an der Schläfe und das Gesicht des Toten sehen konnte..Sieh, was er ihm für einen Denkzettel gegeben hat, gerade ins Gehirn, sagte er, der geht nicht verloren, den erkennen sie bald wieder!" Niemand antwortete, und wieder herrschte Schweigen unter den Kosaken. Die Sonne war schon hoch emporgestiegen und beleuchtete mit ihren gebrochenen Strahlen das taustische Gras. Der Terek mur» nu-lte nahe in dem erwachten Wald. Die Fasanen begrüßten von allen Seiten den Morgen mit lautem Geschrei. Die Kosaken standen schweigsam und unbeweglich um den Toten herum und be- trachteten ihn. Der dunkelbraune Körper, den die dunkler ge- wordene, nasse blaue Hose, die um den eingefallenen Leib von einem Gurt gehalten wurde, einhüllte, war wohlgebaut und schön. Die nervigen Hände lagen langgestreckt zu beiden Seiten. Der bläuliche, frisch rasierte, runde Kopf mit der getrockneten Wunde an der Seite lag zurückgebogen, die glatte, sonnverbrannte Stirn hob sich scharf ab von der geschorenen Kopfhaut. Die gläsernen Augen mit den eingesunkenen Pupillen schienen in die Höhe, über alles hinweg, zu sehen. Auf den dünnen Lippen, die unter dem roten, kurz geschnittenen Schnurrbart hervortraten, schien ein gut- mütigcs, leichtes Lächeln zu liegen, die kleinen, mit roten Haaren bedeckten Hände hreltcn die Finger nach innen gebogen, die Nägel waren rot gefärbt. Lulaschka stand immer noch ohne Rock da; er war naß, sein Hals war gerötet, und seine Augen glänzten mehr als gewöhnlich, ferne breiten Backenknochen zitterten, von seinem weißen, gesunden Körper strömte ein kaum wahrnehmbarer Dampf »n die frische Morgenluft. Er war auch ein Mensch, sagte er, sichtlich mit Gefühl den Toten betrachtend. Ja, wärst Da in seine Hände gefallen, er hätte Dich nicht los- gelassen, bemerkte einer der Kosaken . Das Schweigen war gebrochen. Die Kosaken kamen in Be- wcgung und fingen an zu plaudern. Zwei entfernten sich, um Holz zum Zeltbau zu holen. Tie anderen gingen zur Grenzwache . Lula und Nasarka liefen eilig ins Dorf. Eine halbe Stunde gingen Lulaschka und Nasarka fast laufend durch den dichten Wald, der den Terek vom Dorfe kennte, nach Hause. Sie plauderten den ganzen Weg. Tu sagst ihr nicht, daß ich Dich geschickt habe, merks wohl; geh hin und schau nach, ob ihr Mann zu Hause ist, sagte Luka mit scharfer Stimme. Und ich gehe zu Jamka; wir wollen dort lustig sein, nicht wahr? fragte der bescheidene Nasor. Wann sollten wir denn lustig sein, wenn nicht heute? ant- wartete Luka. Als die beiden Kosaken ins Dorf kamen, betranken sie sich und schliefen bis zum Abend. 10. Am dritten Tage nach dem erzählten Ereignis kamen zwei Rotten des kaukasischen Infanterieregiments m das Kosakendorf Nowomlinsk.» Ter Train der Rotte stand schon abgeschirrt auf dem Platze. Die Köche hatten eine Grube gegraben, von den verschiedenen Höfen herrenlose Klötze herbeigeschleppt und kochten schon die Grütze. Die Feldwebel zählten die Mannschaft. Die Pioniere schlugen Pfähle zum Anbinden der Pferde ein. Die Quartier- meister, die hier zu Hause waren, streiften durch Straßen und Gassen und zeigten den Offizieren und der Mannschaft ihre Quar- tiere. Hier standen große Kasten in einer geraden Linie, dort Wagen und Pferde, hier Keffel, in denen die Grütze kochte, dort stand ein Kapitän, ein Leutnant und der Feldwebel Onissim Michajlowitsch. Und alles dies ging in demselben Standorte vor sich, wo die Rotten nach dem Befehle stehen sollten; die Rotten waren also zu Hause. Warum sie hier stehen? Was für Kosaken das sind? Ob es ihnen angenehm ist, daß sie hier stehen sollen? Ob sie Sektierer sind oder nicht?— darum kümmert sich niemand. Die von der Musterung entlassenen, erschöpften und bestaubten Mannschaften zerstreuten sich lärmend und in Unordnung wie ein Bienenschwarm über Plätze und Straßen. Sie bemerken die Mißstimmung der Kosaken gar nicht. Zu zweien, zu dreien treten sie unter lustigem Geplauder und Waffengeklirr in die Hütten eint, hängen ihre Waffen auf, schnüren ihre Päckchen auseinander und scherzen mit den Weibern. An dem Lieblingsplatz der Soldaten, bei der Grütze, versammelt sich eine große Gruppe; mit dem Pfeifchen im Munde betrachten die Soldaten bald den Rauch, der in die Berglust emporsteigt und sich oben zu einer weißen Wolke verdichtet, bald das Wachtfeuer, das in der reinen Lust wie flüssiges Glas zittert, witzeln und spötteln über die Kosaken und Kosaken- Weiber, weil sie ein ganz anderes Leben führen als die Russen. In allen Höfen sieht man Soldaten, hört man ihr Lachen und das verzweifelt gellende Geschrei der Kosakenweiber, die ihre Häuser verteidigen und kein Wasser und Geschirr hergeben wollen. Die Knaben und Mädchen schmiegen sich an ihre Mütter und drängen sich zusammen; mit Schrecken und Staunen folgen fie jeder Be- wcgung der Armeesoldaten, die sie noch nie gesehen haben, und laufen in respektvoller Entfernung hinter ihnen her. Die alten Kosaken kommen aus ihren Häusern hervor, setzen sich auf die Erdhügel und bettachten finster und schweigsam das Treiben der Soldaten, als wäre es ihnen gleichgültig, und als wüßten sie gar nicht, was das alles bedeuten sollte. Olenin, der bereits seit drei Monaten Junker in dem kauka- fischen Regimente war, hatte sein Quartier in einem der besten Hauser des Dorfs bekommen, bei dem Fähnrich Jlja Wassiljewitsch, das heißt bei Mutter Ulitka. Was soll das werden, Dmitrij Andrejewitsch? stagte der er- schöpfte Wanjuscha Olenin, der in seinem Tjcherkessenrock auf einem Kabardiner, den er in Grosna gekauft hatte, nach sünszigstündigem Ritt fröhlich in den Hof seines Quartiers einlenkte. Nun was, Iwan Wassiljewitsch? fragte er. indem er sein Pferd streichelte. Er sah dabei Wanjuscha an, der schweißbedeckt. mit zerzaustem Haar und verstörtem Geficht das Gepäck heran- brachte und die Sachen abzuladen begann. Olenin erschien äußerlich als ein ganz anderer Mensch. Statt der rasierten Wangen ttug er einen jungen Schnurr- und Kinn- bart, statt des gelben durch das Nachtleben abgespannten Gesichts zeigte sich jetzt auf seinen Wangen, auf seiner Stirn und hinter den Ohren ein gesundes Rot.«tatt des sauberen, neuen schwarzen Fracks ttug er einen weißen, schmutzigen Tscherkessenrock mit breiten Aufschlägen und Waffen. Statt des stischgestärkten Hemdes umschloß jetzt der rote Kragen des Beschmets seinen gc- bräunten Hals. Er war tscherkessisch gekleidet, aber schlecht. Man konnte sofort erkennen, daß er ein Russe und kein Dshigtt war. Er hatte alles wie ein Dshigit, und es war doch nicht dasselbe. Davon aber abgesehen, atmete sein ganzes Aeußere Gesundheit, Frohsinn und Selbstzufriedenheit. Ihnen erscheint es lächerlich, sagte Wanjuscha, aber versuchen Sie einmal selbst mit diesem Volle zu sprechen: Sie lassen Dich nicht ein, damit fertig. Kein Wort bekommt man von ihnen heraus. Wanjuscha warf zornig den eisernen Eimer gegen die Schwelle.— Das sind keine Russen. Du solltest Dich an den Vorsteher des Standorts wenden. Ich kenne ja den Ort nicht, antwortete Wanjuscha beleidigt. Wer beleidigt Dich denn? fragte Olenin, sich umschauend. Hole sie der Teufel... Pfui! Der eigentliche Wirt ist nicht da. Auf Fischfang ist er, heißt es, und die Alte ist solch ein Satan, daß Dich Gott behüte, antwortete Wanjuscha und griff sich an den Kopf. — Wie wir hier leben sollen, weiß ich wahrlich nicht. Schlimmer als die Tataren find sie, bei Gott ; die verdienen den Namen Christen nicht. Ein Tatar ist besser.„Auf Fischfang., schöner Fischfang! schloß Wanjuscha und wandte sich ab. Was, wie bei uns zu Hause ist's hier nicht? sagte Olenin spät- telnd und ohne vom Pferd zu steigen. Geben Sie mir, bitte, das Pferd, sagte Wanjuscha, der sichtlich über die neue Ordnung gekränkt war, sich aber doch seinem Schicksal unterwarf. Ein Tatar ist besser... wie, Wanjuscha? wiederholte Olenin, indem er vom Pferde stieg und es auf den Sattel klopfte. Ja, Sie lachen, Ihnen kommt eS lächerlich vor, sagte Wanjuscha mit. ärgerlicher Stimme. Nun, nun. sei nicht böse, Iwan Wassiljewitsch, anwortets Olenin, immer noch lachend.— Laß mich nur zu den Wirtsleutcn gehen— Du sollst sehen, eS wird fich alles machen, und wie prächtig werden wir hier leben! Rege Dich nur nicht so auf. Wanjuscha antwortete nicht, er kniff nur die Augen zusammen, sah mit einem verlegenen Blick feinem Herrn nach und schüttelte
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25 (31.10.1908) 212
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