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önnen, daß der Teufel den Fauft am Ende holen werde. Das Stärkste an verfehuim Urteil aber leistete Frau von Staël, die am Schluß ihrer Bercachtungen über den Fauft erflärte, möge man nun die Dichtung als Schwärmerei des Geistes oder als Ernüchterung des Verstandes auffassen, auf keinen Fall sei zu wünschen, daß fo etwas noch einmal in Deutschland geschrieben werde, ein frommer Wunsch, über den sich schon Jean Baul weidlich Luftig gemacht hat.
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Den Reigen der offiziellen Kritik eröffnete das bei Cotta erscheinende angesehene Morgenblatt für gebildete Stände ", das auch schon von der Buchausgabe im April und Mai einige ungebrudte Proben des" Faust" gebracht hatte. Die Zusäße zu dem Fragment werben in ziemlich oberflächlich lobender Weise befor chen. In einer Anmerfung wird noch darauf aufmerksam gmacht, daß" Faust" in einem niedlichen Taschenformat auch besonders ist herausgegeben worden". Hier ist eine Art Wasch gettel" beigegeben: Diese treffliche romantische Tragödie bertiente die Auszeichnung vorzüglich, da sie, in den weitesten Kreisen des Lebens sich bewegend und alle Gefühle des Menschen ansprechend von der weitgreifendsten Sensation sein muß. Zwischen giveh Welten spielend, der überfinnlichen und finnlichen ihr leitendes Prinzip selbst überfinnlich- sinnliche Schwärmereh schildert sie uns unübertrefflich den Sturz eines gewaltigen Geistes, der eben darum fallen mußte, weil er sich vermaß, über die Schran fen endlicher Natur hinaus zu schreiten, und die zweh entgegen gesezten Enden des Sinnlichen und Üebersinnlichen vereinigen wollte; der aber groß fällt, und in feinen Ruin ein liebenswürdiges weibliches Geschöpf und eine harmlose Familie mit sich ziehend, dennoch, wo er uns auch abstößt, durch die treue Anhänglichkeit an eben diese kindliche weibliche Natur, wie durch seinen übrigen hohen Sinn unwiderstehlich uns wieder anzieht." Nicht lange danach zeigt ein Vertrauter Grethes, der Weimarer tüchtige Buchhändler und Verleger Carl Bertuch Goethes Werke in seinem Journal des Lurus und der Moden" an, schildert mit warmen Worten, was ihm Goethe auf seinem Lebenswege gewesen, wie uns endlich viel er ihm verdankt. Dann fagt er vom" Faust":" Jch irrte finster, bang und zweifellos in den Labrinthen der Philo sophie umher, und aus den Klauen feindseliger Mächte rettete mich " Faust". 1809 griff dann der geschäftige Slätscher und Alles wiffer Karl August Boettiger , den die Klassiker den Magister Ubique" nannten, in der Leipziger Bibliothet der redenden und bildenden Künste" zur Feber, um sein Urteil über den" Faust" abzugeben. Boettiger repräsentiert in feiner Stritif den durch schnittlichen Publikumsgeschmad und die bürgerliche Moral; er zeigt, wie unendlich fern die Allgemeinheit noch einem tieferen Verständnis des Werkes war. Er findet es ekelhaft und geschmadYos, daß Faust die Natur bei ihren Brüsten faffe; zuletzt erhebt er schwere Bedenken gegen den Charakter des Faust; er sei zu ſehr noch Student". Ueberhaupt begreifen wir nicht, warum Herr von Goethe, so gern Menschen mit Löschpapierseelen wie sein Elavigo, sein Egmont , sein Faust, sein Karl Meister, zum Hauptgegenstand feiner Darstellungen des menschlichen Treibens und Denkens wählt. Der Held einer Geschichte oder eines Dramas muß doch Charakter mit Kopf verbinden; obschon freylich Charakter losigkeit sehr viele Menschen ins Verderben zieht. Was in den Goetheschen Dichtungen anzieht, ist die Wahrheit der Empfindungen und der ihnen entsprechende Ausdruc: aber die Anlage derselben ist zu wenig überdacht." Eine angemessene literarische Beurteilung des Fauft hat erst A. W. Schlegel in seinen Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur versucht. Es ist schwer zu sagen, ob man mehr zu der Höhe hinanstaunt, die der Dichter oft darin erschwingt, oder mehr an den Tiefen schwindelt, die sich vor unseren Bliden auftun. Aber hier ist nicht der Ort, dieses labyrinthische und grenzenlose Werk, Goethes eigentümliche Schöpfung, überhaupt zu würdigen." so erklärt er zu Anfang. Dann spricht er von der ungeheuren Bedeutung dieses Stoffs und der einzigartigen Form feiner Behandlung. Eine Aufführung des" Faust" freilich hält er für nicht gut möglich. Um Goethes" Faust" auf zuführen, müßte man Fausts Bauberstab und Beschwörungsformeln besitzen." Die Tragödie ist denn auch erst 1820 zum erstenmal mit der Mufit des Fürsten Radziwill im Schloß Monbijou zu Berlin von der Hofgesellschaft aufgeführt worden. Wie mit Schlegels Ausführungen das tiefere Werftehen des" Faust" einseht, so beginnt hiermit die Bühnengeschichte des Dramas; die eigentliche Eroberung des" Faust" für das deutsche Volk und die deutsche Stultur hatte begonnen. Dr. P. L.
Kleines Feuilleton.
Eindrücke von Farmans Fernflug. Ueber feine Empfindungen bei feinem lebten großen Fluge nach Reims hat Henry Farman cinem Pariser Journalisten eine interessante Schilderung gegeben. Als ich aufstieg," so erzählt er, war ich fest entschlossen: Du mußt hinfommen, Du mußt heute Reims erreichen. Der Gedante erfüllte alle meine Sinne. Als ich dann emporstieg und höher und höher kam, dachte ich nur an die Handhabung meiner Maschine. Ich erinnere mich noch: einmal fam mir der Gedanke, der Motor tönne mir einen Streich spielen; allein sowohl Motor wie Aeroplan arbeiteten ausgezeichnet. Aber es kam doch ein Augenblick echten
Schreckens. Ich überflog die erfte Pappelreihe. Ich war wohl sehe hoch, denn in dem rajchen Fluge sah ich von den Spigen der Bäume tief unter mir nur ein ungewiffes Vorüberhuschen. In diesem Augenblick hörte ich ein kurzes Anaden am Motor. Mir stand der Atem still. Einen Augenblid lang durchzuckte mich der Gedante: der Motor fann bersagen. Aber in der nächsten Sekunde arbeitete er wieder regelmäßig und erleichtert flog ich weiter. Eine gewisse Beklemmung überfam mich, als ich die Dächer von Jory überflog; doch als ich dann über freiem Gelände weiterglitt, hatte ich meine Ruhe wiedergefunden. Bald sah ich die Türme der Reimfer Kathedrale auftauchen, und während des Restes der Fahrt nahm die Maschine alle Aufmerksamkeit in Anspruch. Ich hatte teine Zeit mehr, an Gefahr zu denken. Von ferne schon erfannte ich den vorbereiteten Landungsplatz, und ich machte mich bereit, nieders zugehen. Als ich niedertauchte, hatte ich das Gefühl, ich wäre bereits am Erdboden, aber ich schwebte noch in einer Höhe von achn Metern und geriet beinahe an eine Steinmauer. Ich hätte meinen Flug wohl über Reims fortseßen können, doch ich hielt es für unflug, überflüssige Gefahren heraufzubeschwören und war vollauf zufrieden, das erreicht zu haben, was ia mir vorgenommen hatte."
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Gepanzerte Borfahren des Fuchfes. Auch die anscheinend best bekannten und gewöhnlichsten" Tiere vermögen der zoologischen Beispiel dafür ist die im Zoologischen Anzeiger" veröffentlichte Wissenschaft neue und überraschende Aufschlüsse zu liefern. Ein Entdeckung des Wiener Gelehrten Toldt, daß die Ahnenreihe unserer Füchse auf Säugetiere hinweist, die nach Art des Gürtel tieres und feiner Verwandten mit hornartigen Schuppen bedeckt waren. Eine teilweise Bedeckung des Körpers mit fchuppenartigen Gebilden, die vielleicht Reste einer ehemaligen vollständigeren Panzerung darstellen, findet sich beispielsweise am Schwanz der Ratte. wie auch an dem des großen füdamerikanischen Ameisenfressers. Charakteristisch für alle hornartigen Decken der Haut ist die Beschaffenheit der zwischen den einzelnen Blatten stehenden Behaarung, die stets eine ganz bestimmte regelmäßige Anordnung hat. Es zeigen sich immer Bestände von einzelnen Büscheln, die bisweilen, in Gruppen zu drei und vier angeordnet, in regelmäßigen Abständen stehen. Die gleiche Anordnung findet sich nun bei einer Reihe von Säugetieren, die heute keine Spur einer Panzerdecke mehr erkennen lassen. Beim Fuchs ist nicht allein diese büschelförmige Anordnung der Haare, von denen etwa fünfzehn zu einer Gruppe vereinigt find, nachweisbar, sondern auch die Haut selbst zeigt eine ganz eigentümliche Tegtur, wie sie sich etwa bei einem Schuppentier nach Entfernung der Hornigen Unter dem Mikroskop erscheint diese Plättchen zeigen würde.
aut als ein Netzwerk von Fleden und fanalartigen ZwischenDas ganze Bild läßt sich ungezwungen nur als Rest einer früheren gängen, welch letzteren die erwähnten Haarbüschel entsprießen. Banzerung deuten, so daß Toldts Annahme von schuppentragenden Ahnen des Fuchses wahrscheinlich wird. Eigentliche Schuppen sind an den bisher untersuchten Bälgen junger Tiere noch nie gefunden worden, doch ist ihr Vorhandensein bei dem einen oder anderen Jungtier immerhin möglich. Daß gerade beim Fuchs können, ist nicht unwahrscheinlich, da seine Gruppe in der Ent Erinnerungen an reptilienartige Vorläufer gefunden werden widelungsreihe über die Säuger der Tertiärzeit auf die großen fäugetierähnlichen Reptilien Südafrikas zurüdführt. Medizinisches.
Der Ursprung der Blinddarmentzündung. Man hat bekanntlich für die Blinddarmentzündung die ver schiedensten Ursachen feststellen wollen. In früherer Zeit gab man hauptsächlich fleinen Fremdförpern, wie Obstfernen, fleinen Steinchen usw. die Schuld, aber auch Eingeweidewürmer sind bei Entzündungen des Wurmfortsates in diesem gefunden worden. Außerdem spielten in manchen Fällen Berlegungen von außenher eine Rolle. Erst in den letteren Jahren legte man mehr Wert auf die Bakterien als Erreger der jauchigen Eiterungen in der Gegend des Blinddarms. Besonders Dr. Heyde hat sich nach einem Vortrage auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerate in Köln mit dieser Frage näher beschäftigt. Er fand in 98 Proz. sämtlicher Fälle von aluter Blinddarmentzündung Spalt pilze, Sie nur wachsen und sich vermehren, wenn aller freier Sauerstoff möglichst vollständig aus dem Nährstoff verschwunden ist, und zwar konnten diese im Wurmfortsahinhalt sowie in den eitrigen Bauchhöhlenergüffen nachgewiesen werden. Im besonderen handelte es fich einmal um reine Fäulnisbakterien, dann um folche, die neben fäulniserregenden Eigenschaften auch Bergärung bewirkten, sowie schließlich um reine Bergärer. Unter ihnen spielten besonders die letteren eine verhängnisvolle Rolle, und awar in der Erregung der akuten vom Wurmfortsat ausgehenden Bauchfellentzündung. Es handelt sich also nach Heyde bei den Entzündungen des Wurmfortsatzes und des Blinddarms in der Hauptsache um Infektionen, die durch anaerobe Batterien hervor. gerufen wurden und durch Verjauchung, durch Bildung von Bakteriengiften fowie schließlich durch direkte Infektion eine hervorragende Rolle spielen.