töar ich bisher nicht glücklich? Und er gedacht« seines früheren Lebens und ward von Abscheu gegen sich selbst erfüllt. Er kam sich selbst als ein begehrlicher Egoist vor, während er im Grunde doch nichts für sich brauchte. Und ohne Unterlaß schaute er um sich herauf das lachende Grün, auf die sinkende Sonne und das helle Himmelsgewölbe, und er fühlte sich wieder ganz so glücklich wie vorher. Warum bin ich glücklich, und wozu habe ich bisher gelebt. dachte er, wie biegehrlich war ich für mich, was suchte ich immer wieder und tat mir nichts als Schmach und GramI Und doch brauchte ich nichts zu meinem Glücke. Und es war, als täte sich um ihn her eine neue Welt auf. Das ist das Glück, sagte er zu fich selbst, das Glück besteht darin, für andere zu leben. Und das ,st klar. In den Menschen ward das Bedürfnis nach Glück gelegt: darum ist es berechtigt. Befriedigt man es ichsüchtig, strebt, man für sich nach Reichtümern, Ruhm, Lebensgenuß, Liebe, so kann es sich wohl fügen, daß die Umstände sich so gestalten, daß es un- möglich wird, diese Wünsche zu befriedigen. Folglich sind diese Wünsche unberechtigt, aber das Bedürfnis nach Glück ist nicht un- berechtigt. Welche Wünsche aber können immer erfüllt werden, ohne Rücksicht auf die äußeren Umstände? welche?— die Liebe, die Selbstverleugnung! Tie Entdeckung dieser, wie er glaubte, neuen Wahrheit bereitete ihm eine solche Freude und Erregung, daß er aufsprang und ungeduldig nachzusinnen begann, für wen er sich auf der«tclle opfern, wem er Gutes tun, wen er lieben könnte. Man braucht ja nichts für sich— so spann er seine Ge- danken fort—, warum sollte man nicht für die anderen leben? Er grif nach der Flinte und trat aus dem Dickicht, um so schnell als möglich nach Hause zurückzukommen, all das zu überdenken und eine Gelegenheit zu suchen, Gutes zu tun. Als er auf die Wiese hinaustrat, sah er sich um: die Sonne war schon hinter den Wipfeln der Bäume verborgen; es wurde kühler. Ter Ort schien ihm ganz fremd und unähnlich dem, welcher in der Um- gegend des Torfes lag, alles war plötzlich verändert— das Wetter, auch der Charakter des Waldes. Der Himmel hatte sich mit dichtem Gewölk überzogen, der Wind brauste durch die Wipfel der Bäume, rings umher sah man nichts als Schilf und wilden verwahrlosten Urivald. Er rief seinem Hunde zu, der sich auf der Spur eines Wildes von ihm entfernt hatte, und seine Stimme hallte öde zurück. Da wurde ihm plötzlich unheimlich zumute. Angst überfiel ihn. Die Abrcken fielen ihm ein, die Mordtaten, von denen man ihm erzählt hatte, und aus jedem Strauch, fürchtete er. könnte jeden Augenblick ein Tschetschenze hervorspringen, gegen den er sein Leben zu verteidigen hätte unö... er muhte sterben oder sich feig ergeben. Auch an Gott dachte er und an sein künftiges Leben so ernst, wie er lange nicht daran gedacht hatte. Rings um ihn aber lag immer noch die düstere, ernste, wilde Natur. Und verlohnt es denn, für sich zu leben— dachte er—, wie schnell stirbt man dahin und stirbt, ohne etwas Gutes getan zu haben, ohne daß jemand es bemerkt!" Er ging in der Richtung weiter, wo er das Torf vermutete. An die Jagd dachte er nicht mehr; er fühlte eine tödliche Mattigkeit und betrachtete mit besonderer Aufmerksamkeit, fast mit Entsetzen, jeden Strauch, jeden Baum, als erwartete er jeden Augenblick, Abrechnung mit dem Leben zu Halten. Nachdem er lange umhergeirrt, kam er an einen Graben, in dem sandiges, kühles Wasser aus dem Terek floß, und um nicht noch mehr vom Wege abzuirren, emschloß er sich, dem Wasser nachzugehen. Er ging, ohne zu wissen, wohin ihn der Graben führen werde. Plötzlich knisterte es hinter ihm im Schilf. Er fuhr zu- sammen und griff nach der Flinte. Er schämte sich vor sich selbst. Sein abgehetzter Hund hatte sich keuchend in das kühle Wasser des Grabens gestürzt und trank gierig. Nun trank auch er. Tann ging er in der Richtung, welche der und ihm wies, weiter, in der Hoffnung, er würde den Weg ins orf finden. Aber trotz der Gesellschaft seines Hundes erschien ihm alles ringsnmher immer noch düsterer. Ter Wald wurde dunkler, der Wind brauste stärker und stärker durch die alten morschen Bäume. Große Vögel flatterten pfeifend um ihre Nester auf diesen Bäumen. Das Wachstum wurde immer ärmer, immer häufiger wurde das flüsternde Schilf und die nackten, sandigen, von Wildspuren zertretenen Wiesenslächen. Zu dem Heulen des Windes gesellte sich noch ein anderes trübes, einförmiges Heulen. In seiner Seele wurde es immer düsterer. Er befühlte seine Fasanen auf dem Rücken. Es fehlte ihm einer. Er war losgerissen und heruntergefallen, und nur sein blutiges Hälschen und Köpfchen hingen fest am Gürtel. Es war ihm so schaurig zumute, wie nie vorher. Er fing an zu beten und fürchtete nur das Eine, er könnte sterben, ohne etwas Gutes, Schönes getan zu haben. Und er sehnte sich doch so danach, zu leben, zu leben, um Taten der Selbstverleugnung zu vollbringen. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten.) Dcutfcbc familiennamen. Der du von Göttern bist, von Goten oder vom Kote, Goethe, sei mir gegrüßt— dies Herdersche Wort weist mit erfrischendem Humor und hinlänglicher Deutlichkeit darauf bin, daß wir Menschen zum großen Teil Zeit unseres Lebens ein Rätsel mit uns herum- tragen, ohne daran zu denken oder uns viel darum zu kümmern. Bei der Beilegung des Vornamens wird heutzutage dem Kinde schon vielfach ein Name gegeben, dessen Bedeutung de» Eltern unbekaimt ist, und bei dessen Wahl entweder Familieiiüberlieferung, Wohlklang, Anpassung an herrschenden Geschmack. Loyalität usw. usw. entscheiden. Dieser Vorname oder Personenname ist einst die alleinige Be- zeichnung des Menschen gewesen und in dm Personennamen spricht sich das Wesen des Volkes in charakteristischer Weise aus. Dem dichterisch hochbegabten griechischen Volke ist eine Fülle schwung- voller Namen eigen, wie KleophaneS(ruhmstrahlend), Thrambalos lkühn im Rat), Timotheos sEhregott), NikophaneS ssiegprangend), denen die Römer nur so prosaische Namen. wie ForciuS, der Schweinezüchter, Agritola, der Landmann, Niger , der Schwarze, Claudius, der Lahme, OuintuS, der Fünfte, entgegenzustellen haben, während die Namen der alten Deutschen von Watfen, Krieg, Kampf und Sieg vor allem erzählen. Da finden wir die mit Hild(Kampf) zusammengesetzten Namen, von denen wir nur die noch gebräuch- lichen Hildebrand, Hildburg, Hildegund nennen wollen; ferner Ekke- hart(schwertstark), Bertrand(leuchtender Schild), Theudobald(sehr kühn). Mit diesem einen Namen kamen die Menschen der früheren Jahr» hunderte bei den einfacheren Verhältnissen aus. Freilich haben die Römer schon den Bürger auch äußerlich, durch Nainengebung, in den Familienkreis, ja in den Ring des Geschlechtes hineingestellt, so daß er drei Namen trägt, wie Marcus und Ouinlus TulliuS Cicero , die dem Geschlechte der Tullier und der Familie der Cicero entstammten. Mit Hilfe von ehrenden Beinamen konnte es ein be» deutender Römer auf ein recht stattliches Namenschild bringen. In Deutschland aber erhielt sich bis an das Ende des 11. Jahrhunderts die Sitte des einen Namens, bis die Mißstände, die durch sie hervorgerufen wurden, zur Zufügung unterscheidender Be- Zeichnungen und damit zur Schaffung von Familiennamen zwangen. Hatten doch im Lause der Jahrhunderte eine Reibe der zweigliedrigen Namen im gewöhnlichen Gebrauch eine gleiche Form angenommen, wie z. B. für Godberaht, Godomar, Godofrid, gleichmäßig Godo, für Baldhard, Baldram. Baldewin, gleichmäßig Baldo gesetzt wurde, ein Vorgang, der sich auch beute bei den Vornamen wiederholt; kam doch auch in den größeren Ort- schasten derselbe Name bei verschiedenen Personen vor. Wenn wir z. B. in einer Urkunde von 1035 aus dem Bistum Basel zwei Unterzeichner Burchardus, zwei Cuono finden, welchen Wert hat dann du Name zur�Feststellung der Persönlichkeit? Die Einführung der Familiennamen ist nun, wie wir dem Werke von Albert Heintze über die deutschen Familiennamen ent- nehmen, durchaus nicht überall in dem deutschen Sprachgebiet zu gleicher Zeit vor sich gegangen. Natürlich sind hierbei vor allem die Ver- kehrsverhältnisse, die EntWickelung des Handel« und Gewerbes und des gewerbetreibenden Bürgcrstandes maßgebend gewesen, sodaß eS selbstverständlich ist, daß der Brauch, Familtennamen anzu- nehmen, in den Städten angefangen hat und von dort erst, und zwar vielfach recht langsam sich aus das platte Land verbreitet hat. Zuerst begegnen uns die Familiennamen in Süddcutschland und am Rhein , in Köln im Jahre 1106, in Zürich 1145, in Basel 1168; dann dringen sie naa> Mitteldeutschland und im Verlaufe deS 13. Jahrhunderts nach Norddeutschland; die ersten tauchen in Ham» bürg erst nach 1250, in Pommern sogar erst nach 13(X1 auf. Der alte eingesessene Adel bekannte sich am frühesten zu der neuen Sitte, und, indem er zu dem Geschlechtsnamen den Namen der Burg, des Schlosses und dergleichen hinzufügte, nahm er eine Be- Zeichnung an, die an den römischen Brauch erinnert; wir nennen von noch jetzt bestehenden Geschlechtern z. B. die Slolberg-Stolberg und Stolberg-Wernigerode , die Hohenlohe-Jngelfingen. Dem hohen Adel folgte der niedere, dann die Ministerialen und ritterbürtigen Dienstnamen der Bischöfe, weiter die Patrizier und zuletzt die Hand- werker in den Städten. Sie ergänzen sich ständig aus dem Land- volle, und da bei diesem die Namengebung langsamer eriolgt, be» sonders von dem Maße der Freiheit abhängt, so finden sich in den Zünften auch noch im 14. Jahrhundert Mitglieder ohne Familiennamen. Am spätesten hat sich die Namengebung an den Küsten der Nordsee durchgesetzt. Gibt doch Her- mann AllmerS in seinem.Marichenbuch" an, daß noch bis ins 13. Jahrhundert hinein Familiennamen bei den Friesen selten gewesen seien. Man begnügte sich mit der alten Sitte, dem eigenen Personennamen den Personennamen des Vaters beizufügen. Hierin kann man ja den ersten Anfang einer Einführung von Familiennamen sehen. Da aber der Kreis der Personennamen sehr gering war, und sie sich in den Familien immer wiederholten. mußte eS natürlich zu den größten Verwirrungen kommen. Der Bauer Clas, Sohn eines Peter, also ClaS Petersen, nennt seinen Sohn nach dem Großvater wieder Peier, sodaß dieser ein Peter Classen wird, und nun seinen Sohn wieder Clas nennt, so daß wir in dieser Familie immer umschichtig Peter Classen und Clas Petersen finden. Man kann nicht gerade behaupten, daß da das Durch- finden besonders leicht rst. Wie schon bemerkt wordeir ist, find unter den Elementen, aus denen sich die deutschen Familien- und Geschlechtsnamen gebildet haben, als die erste der drei Schichten die alteinhcimischen, ursprüng- lich beimischen Personennamen zu nennen. Finden»vir in der Heldensage zur genauen Bezetchnung Hildebrand, Heri» brants Sohn, Siegfried. Siegmunds Sohn, finden wir in den lateinisch abgefaßten Bürgerrollen einen Martinus Filius Arnold» oder, mst Weglasjuiig von FiliuS(Sohn) Martinus Arnoldi, so
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25 (13.11.1908) 221
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