Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 225.

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Andreas Vöst.

Freitag, den 20 November.

( Nachdrud berboten.)

Bauernroman von Ludwig Thoma  . Alle lachten und der Menhofer von Aufhausen   nahm feinen Nachbarn am Arme und zog ihn auf seinen Platz

nieder.

Landsleut'," sagte der Bachenauer, ös derft's de Ver­fammlung net stören. Da Herr Assessor hat mir g'sagt, wenn no mal a solchener Aufstand is, schliaßt er d'Versammlung. Und da hätten do bloß unsere Gegner a Freud  '. Des müaßt's enf net so ärgern, bal oana' neischreit; dös bin i scho g'wohnt; dös machen f' überall so, weil s' d' Wahrheit net vertrag'n Tönna."

Beschimpfen Sie den Priesterstand nicht, dann kümmert sich niemand um Sie!" rief Stroiß.

hab' net g'ichimpft auf'n Priestastand. Des fell is net wahr. hab' g'fagt, seit unsere Geischtlichen si bloß mehr um d'Politik kümmern, is überall an Unfrieden. Und außer­dem sag' i, de Politik hat mit da Religion nig z'toa.

Mir Bauern wollen nir Unrecht's  , mir wollen dös näm­liche wie de andern Leut'. Daß ma foane G'set' macht, de wo uns ruinieren; und weil mir den Beweis hamm, daß mir uns aufs Zentrum net verlassen tönna, wollen mir's amal selber probieren.

Dös Recht hamm mir, wia'r anderne Staatsbürger, daß mir nach'n G'sez de Leut' wählen, auf de mir' s Vertrauen hamm. Desweg'n leben mir wia z'erscht, gengan in d' Kircha wia z'erscht, und san Christen wia z'erscht.

Is dös a Grund, daß ma'r uns schimpft? Derf si a Geischtlicher über dös aufhalten, daß mir unser weltliche Sach selber in d' Ordnung bringa?

Jezt drah'n de Herrn an Stiel um, und jammern recht webleidig, daß mir de Angreifer san.

Fallt uns ja gar net ei. Mir wollen nig Schlecht's für unserne Pfarrer; mir wollen eahna bloß d' Arbet abnehma. Sie brauchen nimma auf München   fahr'n oder auf Berlin  reisen; sie können schö dahoambleib'n, und das Wort Gottes verkündigen."( Bravo  !)

Mit Ihrer Erlaubnis," rief Metz  .

Ja, Hochwürden. Dös erlaub'n mir Eahna recht gern, und mir hamm no dazua an großen Respekt, wenn Sie's tean. Sie erlaub'n uns aa, daß mir an Acer bau'n und' s Brot berbringa und d' Steuern und d' Abgaben zahlen. Da helfen Sie uns net, und Sie fönnen uns aa net Helfen.

Desweg'n müassen Sie uns net hindern, wenn mir woll'n, daß unser Arbet was tragt und daß d' Steuern net mehra wer'n, als mir zahl'n könna.

Dös is unser Sach'.

Wer derf an erwachsenen Menschen hindern, daß er seiner Sach' selber vorsteht?

Mir Bauern fan mündig; mir wer'n aa sunst net als Kinder behandelt.

Die Stinder wer'n von anderne Leut' ernährt; uns er­nährt neamd. Im Gegenteil, mir müassen g'nua anderne ernähr'n, zum Beispiel de Herrn Beamten.  ( Bravo  !) Ma lest überall, Kinder zahlen die Hälfte.

Hamm   mir scho amal g'hört, daß de Bauern weniger zahlen müassen?

Gwiß net.

Da wer'n mir net für Kinder o'g'schaut; da fan mir recht erwachsene Staatsbürger.

Und mir fan alt a'mua und g'icheit g'nua, daß mir unser Sach' selber führ'n. Es is Zeit, daß mir dös ei'schg'n.

Was is dös für a Zustand, wenn jetzt der Bauer nimmer de Hälfte von dem einnimmt, was er früherszeiten Triagt bat?

Und was is denn dabei billiger wor'n? De Deanstboten vielleicht? Oder der Bodenzins? Oder müassen unsere Buab'n immer zum Militär?

Und alles is no net g'nua; allawei gibt's wieder was Neu's, allawei femma neue Forderungen, für Heer und Marine, und wer sagt ja und Amen dazu? Zentrum Und wer muaß's zahlen?

Mir Bauern."

,, Steuern zahlt jeder!" schrie Kroiß.

1908

" Jawohl, Steuern zahlt jeder. Der Beamte zahlt de Steuer für sein G'halt, da Kapitalist für sei Vermög'n, aber da Bauer zahlt Steuern sogar für seine Schulden. Wenn pana no so viel Hypotheken auf sein Hof hat, er muaß g'rad so viel zahl'n, als wenn er schuldenfrei is.( Bravo  ! Wahr is1) Früher hat' s Bentrum selber erklärt, daß dös de größt Ungerechtigkeit is. Jest will's nig mehr wissen davo. Früher hat's erklärt, daß ma de einheimische Landwirt. schüßen muaß gegen die Getreidecinfuhr. Jezt hat's dafür g'stimmt.

fchaft

Was

3 dös net an aufg'legter Schwindel?" Stürmische Zurufe ertönten.

,, Wahr is! Lauter Schwindler fan's! Met   raus! Mezz! jagst denn jetzt?"

Prantl läutete.

Ruhe, meine Herren! Ich bitte, den Redner nicht unterbrechen zu wollen."

bin glei firti, Landsleut'," sagte Bachenauer. ,, Mir sehg'n, daß mir uns auf neamd verlassen dersen, als wia auf uns selber. Also handeln wir auch danach und stehen zusammen, damit das Volk zu seinem Rechte fomme. Helfet alle mit, daß der Bauernbund erstarkt, gründet Mark­genossenschaften in allen Gemeinden, damit Leute in den Landtag gewählt werden, die es ehrlich meinen. Reichen wir uns brüderlich die Hände, damit es nicht heißt, Nährstand adie! Und machen wir uns los von den Volksverrätern des Bentrums!" Vachenauer trat zurück und setzte sich.

Viele hundert schwielige Hände klatschten ihm Beifall, viele hundert grobgenagelte Stiefel dröhnten auf den Boden, daß unten der Kalf von der Decke fiel.

Immer wieder mußte Bachenauer aufstehen, und wenn er saß, schrien hundert Kehlen seinen Namen. ,, Vachenauer, vivat hooch!"

Als Ruhe eintrat, erklärte Brant!, daß er das Wort dem Gutspächter Wanninger von Arnbach erteile.

Franz Wanninger war fein einfacher Bauer. Er saß als Bächter auf dem gräflich Hornschen Gute in Arnbach und hatte einige Bildung genoffen.

Drei Jahre befuchte er eine Lateinschule und war sodann studiosus agriculturae in Weihenstephan  , wo man die Theorie des Landbaues lehrt.

Er sprach gerne von dieser Zeit und gab sich überall das Ansehen eines studierten Mannes.

In die Bauernbewegung hatte er gleich zu Anfang ein­gegriffen.

Er glaubte, hier große Dienste leisten zu können, weil ihn seine Studien über die Ungebildeten und seine Praxis über die Gebildeten erhob. Als eifriger Reser der Tages­zeitungen hatte er eine Anschauung und vor allem cinen großen Reichtum an Schlagworten erworben.

Er griff selbst zur Feder und schrieb viele Artikel für das Nußbacher Wochenblatt. Da sich sein Leben stets im mittelsten Altbayern   abgespielt hatte, war er der natürliche Feind alles norddeutschen Wesens.

Er hatte ein Wort gefunden, welches seine Gesinnung und Anficht mit einem vollständig erklärte.

Wie man nämlich sonst wohl vom rollenden Rubel spricht, redete Wanninger vom rollenden Preußentaler.

Er war überzeugt, daß die Berliner   Kreise Tag und Nacht an der Annerion- Einsadung hieß es Wanninger, an der Annerion Bayerns   arbeiteten und kein Mittel scheuten, um dieses erstrebenswerte Ziel zu erreichen.

Er war so weitblickend, daß er über die nahen und nächsten Ereignisse hinweg auf diese treibende Ursache aller deutschen Geschehnisse sah, und er mahnte überall, daß man den rollenden Preußentaler nicht aus den Augen verlieren dürfe.

Bisher hatte er im politischen Leben nur schriftlich ge wirft; jetzt schickte er sich an, auch als Redner aufzutreten. Er wußte, daß er Bedeutenderes bieten fönne und müsse als der einfache Landmann, welcher vor ihm gesprochen hatte. So stand er auf der Rednerbühne und stellte bald den rechten und bald den linken Fuß vor und rieb sich die Hände.