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Und ein anderer Berliner Ratsherr flagte: Warum das Städtische Regiment wieder größtenteils in die Hände der Bürger geben, denen solches in der neueren Zeit bei steigender Kultur, bei größeren Erfordernissen zur Führung der städtischen Administrafion von Seite des Landesherrn entrissen wurde.... Wieviel Patrioten gibt es denn, die ihr eigenes Wohl um des allgemeinen Besten willen fortwährend hintansehen und wieviel sind denn in der Lage, auch beim besten Willen es tun zu können?" Jm April 1809 waren die ersten Stadtverordnetenivahlen. Die Repräsentanten der Bürgerschaft, 102 an der Zahl, hatten in ihrer Hilflosigkeit nichts eiligeres zu tun, als den Magistrat zum guten Teil aus denselben Ratsherren von ehedem zusammenzusehen, die ibre engherzige Angst von der unbequemen Neuerung in den hier mitgeteilten Befürchtungen zum Besten gegeben hatten. Für eine große Ehre hielten es die Berliner , daß ein„ Examinator ", der frühere Stammerpräsident v. Gerlach, zunächst die Wahl zum Stadtberordneten und dann gar die Wahl zum Bürgermeister annahm. Es fennzeichnet die Not der damaligen Zeit und die mißliche Verfassung, in die der Polizeistaat das städtische Finanztresen gebracht hatte, daß eine der ersten Amtshandlungen des neuen Magistrats in einer an die Bürgerschaft gerichteten Bitte um Vorschüsse bestand. Es fehlten der Stadtkasse alle Betriebsmittel. In den hundert Jahren, die seitdem verflossen sind, hat sich der materielle Wohlstand der Stadt Berlin derart gehoben, daß es fast unmöglich ist, sich in die ärmlichen Verhältnisse von damals hineinzubersetzen. Um so leichter wird es einem aber, die geistige Beschränktheit der Bürger von 1808 zu verstehen. Liest man etwelche Reden der heutigen Berliner Freisinnsgrößen nach, so kommt man zu dem Schluß, daß die Herren aus hundertjähriger Erfahrung immer noch nicht das Wesen kommunaler Selbstverivaltung begreifen gelernt haben und sich wie ihre Väter unter der Fuchtel des Absolutismus am wohlsten fühlen.
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Kleines feuilleton.
der Mensch als Kapitalist. Sein Wille bestimmt, was auf der Erdoberfläche von eß- und nußbarem Getier und von Pflanzen noch zu dulden ist. Aber seine Macht hat ihre Grenzen; sie scheitert an Lebewesen, die die unteren Stufen des Tier- und Pflanzen reiches bilden und für seine Flinten zu klein oder zu zahlreich find. So ganz ungestraft läßt sich die Erde die willkürlichen Vere änderungen ihres Pflanzenkleides und Tierparkes doch nicht gefallen. Mit den Waldverwüstungen und Schmälerungen des Laube waldes mehren sich die Trockenheitsperioden und Ueberschwemmungstatastrophen. Mit dem Laubwalde schwinden zahllose Feinde schädlicher Insekten, die sich nun ungehindert ins Ungeheure vermehren. Riesige Flächen Nadelholzwald werden von der Nonne bedroht, und ohnmächtig steht der kapitalistische Mensch vor Ge fahren, die er durch seine allzu vernünftigen Rechnungen zur Auffindung des besten Rubholzes heraufbeschworen hat. Der Kapitalise mus, privater und fiskalischer, hat der Forstwissenhaft schwere Nüsse zu knaden gegeben. Jest gilt es zu retten, was vorhanden ist, sei es nun Nadel- oder Laubwald. Der Grunewald wird kein Laubwald wieder werden und auch seine letzten Eichen werden der Reihe nach niederbrechen. Aber auch als Kiefernwald ist er ein Forst, dessen Moore und Seen ihn zu einem Naturdenkmal stempeln, an dessen Erhaltung wir das größte Interesse haben. Aber solche Ueberlegungen paffen nicht in kapitalistisch denkende Gehirne und für Leute, die da meinen, fie müßten einen Wald zu einem„ Volkspark" elend verhungen, weil sie seine Schönheit nicht erkennen. Und mit Scham und Empörung sehen wir auf jedem neuen Spaziergang im Grunewald , wie Geldgier und Unverstand das Beste verwüsten, was in der Nähe der landschaftlich verarmenden Großstadt uns noch geblieben war.
Barbaren , so nannten die Römer die alten Germanen in ihren Eichenwäldern. Jetzt sind wir aus Barbaren ein Kulturvolk geworden und dulden es, daß statt der alten Germanen Waldber derber in den Resten unserer Forsten hausen, schlimmer als es Barbaren jemals hätten tun können.
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Hygienisches.
Die Untersuchung berunreinigter Fabritluft. Die Untersuchung der Luft in Fabrifräumen auf ihren Staubgehalt Was die Grunewaldeichen erzählen. Während Wind und Frost und bezüglich der gasförmigen Verunreinigungen wird vielfach und die letzten Blätter zur Erde zwingen, haften an manchen Eichen des zwar auch in Deutschland noch nicht mit jener Sorgfalt und Ges Grunewaldes noch tropig die braunen, toten Ueberbleibsel des nauigkeit durchgeführt, die das hygienische Interesse fordert. Es grünen Sommerschmudes. Sie erzählen von der Zähigkeit des flafft hier entschieden eine Lücke zwischen den in der Theorie wohl Eichengeschlechtes, unter dessen zahlreichen Arten viele sind, die erkannten Mißständen und den praktischen Schritten zu ihrer Beauch im Winter die grüne Krone behalten. Die Eichen des Grune- fämpfung. Die ausführenden Organe ermangeln, wie der Gesund waldes sind Ruinen: das Innere hohl und vermorscht, von gelb- heitsingenieur in einem von Profeffor Hahn- München verfaßten Auflichem Mulm erfüllt, die knorrigen, mächtigen Aeste durch Alter, faze ausführt, zum Teil der nötigen Ausbildung, zum Teil fehlt ihnen und Sturmesgewalt verstümmelt. Aber noch in einem anderen das genügende Intereffe. Auch sind oft die nötigen Laboratoriums Ginne haben wir es hier mit Ruinen zu tun, nämlich mit den einrichtungen nicht vorhanden. Diese lezteren sind nun auch verJepten Resten des alten Eichenivaldes, der auch den Grunewald hältnismäßig recht kompliziert, zum mindesten mit Hinblick auf den früher bedeckte. Die Eichen, die scheinbar wie Fremdlinge unter notwendigen Transport an Ort und Stelle. Eine sehr geeignete den hohen Föhren stehen, sind in Wirklichkeit die Abkömmlinge Borrichtung für Untersuchungen von der in Frage stehenden Art ist der rechtmäßigen Herren des Waldes in Baumgestalt. Wenigstens der von W. Sedelbauer konstruierte Aspirator, der durch geringes Gebis zu einer gewissen geologischen Periode zurüd. wicht und Volum leicht transportabel ist und entweder mit Affumu Vor undenklichen Zeiten entwickelte sich aus den uralten latoren oder mit direktem Strom betrieben werden fann. Die VorSchachtelhalmen und Bärlappgewächsen das Geschlecht der Nadel- richtung ist eine zweizylindrige, mit Zählwerf versehene kleine Anftbäume. Und wieder vergingen undenkliche Zeiten, bis die cigente pumpe, die auch bei fleinen Mengen eine sehr allmähliche Luftlichen Blütenpflanzen auftauchten, zu deren ältesten Vertretern entnahme gestattet. Um nun auch die für die gebräuchlichen unsere Eichen, Haseln, Buchen, Birken und Erlen gehören, deren Methoden der Gasanlage notwendigen Filtriereinrichtungen zu verunscheinbare Blüten noch in nichts an die Blumenpflangen erinnern, einfachen, wurde versucht, die auf Farbenumschlag beruhende Reaktion, deren Vorläufer sie waren. Damals gab es die leichtbeschwingten wie sie bei der Kohlensäurebestimmung nach Lunge- Beckendorf üblich ist, Infekten als Blumenbesucher noch nicht, und der Wind mußte die auch auf andere Gasarten auszudehnen. Es ist auch in der Tat gelungen, Werteilung des Blütenstaubes von Fruchtknoten zu Fruchtfnoten für schweflige Säure, Ammoniak und Chlor Verfahren auszuarbeiten, übernehmen. Das Neuere ist immer auch das besser Organisierte die ein Resultat bon genügender Genauigkeit in wenigen Minuten in der Natur, und so drängten Eiche und Buche, Erle und Birke erzielen laffen. Damit entfällt ein großer Teil der Gründe, dic die Nadelholzwälder langsam zurüd, soweit das Klima es ge- bisher Sanitätsingenieure und Gewerbeinspektionsbeamte namentlich stattete. Deutschland überzog sich mit diesen Laubbäumen in auch bei der Prüfung von Ventilationsanlagen davon abhielten, seinen Ebenen und Tälern. genauere Luftverunreinigungsbestimmungen zu machen, so daß nun
Dann kam die Kultur und das Ausroden der Wälder, um mehr die Prüfung der Lüftungsanlagen auf eine wiffenfchaftliche Blak zu schaffen für Städtebau, Ader und Weideflächen. Aber Grundlage gestellt werden faun, ein Ziel, das im Interesse wirklich auch das Holz wurde gebraucht und die Kultur des Waldes in An- technisch wertvoller Ventilationsfonstruktionen als äußerst wünschens griff genommen. Man schlug nicht nur ab. sondern forstete auch wert zu bezeichnen ist. wieder auf. Mit dem Wachsen der tapitalistischen Gesellschaftsordnung bekam auch die Forstwissenschaft ihren kapitalistischen Anstrich. Es wurde ganz folgerichtig ausprobiert und ausgerechnet, Ein elektrisches Barometer. Jedesmal, wenn der welcher Baum der beste Waldbaum sei, und die Wahl fiel auf die Stromabnehmer eines elettrischen Straßenbahnwagens den KonStiefer. Sie wächst einfach überall, wo man sie hinscht und sie taft mit der Leitung verliert, bildet sich ein Unterbrechungsfunke. liefert am raschesten und billigsten das nötige Nukholz. Damit Diefer Funke besitzt eine Färbung, die ganz von der Natur der war dem Laubwald das Urteil gesprochen. Mochte das Ergrünen schmelzenden Metallpartikelchen abhängt; sie ist von einer Art der Eichen- und Buchenhaine zur Frühlingszeit auch weit mehr Aureole begleitet, die ihrerseits eine wechselnde Färbung aufweist, gum Herzen bringen als das unveränderte starre Bild der Föhren- je nach dem Zustand der Atmosphäre. Ist die Luft troden, so wälder, es half alles nichts. Der Dichter und Naturfreund hatte erscheint diese Aurcole blau, ist die Luft feucht, wird die Aureole bem rechnenden Forstmann zu weichen, und mehr und mehr grün. Da nun der hygrometrische Zustand der Atmosphäre eine schmolzen die Laubholzhaine dahin, während die Stiefer bald eine Wettervorhersage erlaubt, so fann auch der Anblick der Aureole ungeahnte Flächenausbehnung eroberte. In Ländern, die in tapi- dem Beobachter ähnliche Aufschlüsse liefern, wie das Barometer. talistischer Hinsicht noch etwas rückständig" sind, hat sich dieses Bild Erscheint die Aureole gleichmäßig blau, fo läßt sich für den nächsten der von Menschenhand korrigierten Natur noch nicht eingebürgert. So liegt Dänemark unter prächtigen Buchenhainen und unter ibnen, in Mooren und alten Schichten liegen uralte Leichen von Fichten, die die frühere Bedeckung des Landes bildeten und die von den Buchen besiegt wurden.
Tag fast sicher gutes Wetter voraussagen; erscheint die Aureole grün, so ist dies das Anzeichen einer atmosphärischen Störung und voraussichtlich regnerischen Wetters. In den lebergangszeiten vom guten zum schlechten Wetter und umgekehrt, nimint die Aureole eine schwach blaue oder schwach grüne Farbe an, die in allen beiden Fällen fast weiß erscheint.
Die alten Eichen des Grunewaldes hat der Mensch besiegt, Berantwortl. Nedakteur: Hans Weber, Berlin . Drud u. Verlag: Vorwärts Bucheruderei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.
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