ZInterhaltnngMatt des Vorwärts Nr. 226. Sonnabend den 21. November. 1908 (S>a4(ni< Hndreas VSft. - Vauernroman von Ludwig Thoma  . Einige Zurufe aus der Versammlung bewiesen, daß die Leute den Redner gerne sahen. Und er begann. Hochgeehrte Versammlung! Nachdem ich kein geübter Redner bin. ich aber doch meine Gedanken zum Ausdruck bringen möchte, so wird man mir wohl gestatten, mich auf diese Weise verständlich zu machen. Freudig muß es jedermann begrüßen, daß endlich auch In unserer Gegend der Gedanke mit Macht zum Ausbruch kommt, daß es nicht so weiter geht. Es ist jetzt die Aufgabe eines jeden, zu erwägen, auf welche Weise wir der danieder- liegenden Landwirtschaft die so notwendige Hilfe leisten können. Nachdem die maßgebenden Faktoren für die anerkannte Notlage des bayerischen Bauern kein Herz haben, müssen sich die Bauern und Bürger auf eigene Füße stellen, wenn sie nicht in den stets offenen Sack der bekannten norddeutschen Herren hineingeraten wollen. Dem genauen Beobachter muß es wehe tun. wenn er sieht, wie das arme Volk genarrt wird von den obenstehenden, sogenannten besseren Herren. Der ärgste Verräter am Volkswohle ist das Zentrum. (Bravo  !) Alle Gesetze, welche gegen das bayerische Volk gemacht worden sind, hat man mit Hilfe des Zentrums in das Trockene gebracht. Jetzt erst wieder die Handelsverträge, wodurch viele Millionen in die Taschen der preußischen Herrlichkeit fließen, während man den Mittelstand untergräbt. Wer dies genau beobachtet, fragt unwillkürlich, ob vielleicht bezahlte Arbeit im Spiele ist." Unsinn! Blödsinn!" schrie der Amtsrichter Kroiß. Man fragt unwillkürlich, ob vielleicht der preußische Taler eine verhängnisvolle Rolle spielt." Sie wissen gar nicht, was Sie für einen Blödsinn reden!" schrie Kroiß wieder. Da wurde der alte Rädlmayer zornig. Er drohte dem Amtsrichter mit dem Finger und sagte: Manndei, jetz is Zeit, daß d' amal staad bischt. Sinscht tean ma di außi." Das will ich sehen!" Ja, dös werd's schnell Hamm  . Ruhe! Mäu halten!" schrien viele, und der Knecht, welcher auf der Galerie saß, steckte wieder seine Finger in den Mund und pfiff heftig. Ich bitte um Ruhe!" sagte Prantl. Mir san ja ruhig," antwortete Rädlmayer,was braucht denn der ander schimpfen?" Wanningcr war nach dem ersten Zwischenrufe nicht gefaßt genug, um zu antworten. Jetzt hatte er Zeit zur Ueberlegung gefunden. Betreff die Aeußerung, daß ich einen Blödsinn rede, möchte ich nur bemerken, daß ich über diese Fragen vielleicht mehr studiert habe, als ein Beamter, daß ich aber nicht nach dem Gefallen rede, sondern frei von der Brust weg, wie es sich für einen Altbayer gehört."(Stürmischer Beifall. Bravo!) Die bayerischen Bauern sind immer treu zu ihrem Herrscherhause gestanden: das beweisen die Schlachtfelder bei Sendling   und Aidenbach  . Wenn Not am Mann ist. dann wissen die Herren schon, zu wem sie gehen müssen. Da heißt es dann: Bauer. Alf! Ist aber die Gefahr vorbei und der Krieg zu Ende, fo vergißt man sofort auf den Dank, und der Bauer wird unterdrückt, wie zuvor. Da wird dann Weltmachtspolitik getrieben, welche das Blut des Volkes und ungezählte Millionen kostet. Wenn man so fortfährt, mit Hilfe des Zentrums, durch fehlerhafte Gesetze den'Mittelstand zu untergraben, so wird baldigst aller Wohlstand entweichen. Die Erfahrung hat gelehrt, wo in einem Lande gut be» Mittelte Bauern leben, da leben auch vermögliche Geschäfts- leute und Professionisten. Dagegen, wo arme Bauern sind. da ist cS ruhig und traurig, kein Geschäft, außerdem findet da der GerichtSvollzicher reiche Ernte. Dem müssen wir entgegenarbeiten, wenn wir nicht wollen. daß unsere Kinder uns den Fluch nachsenden, weil wir nicht für sie gesorgt haben. Es ist höchste Zeit, daß der Bauer nrcht länger mehr das Lasttier ist, dem man alle Bürden auflegen kann von Seite der Bureaukratie und des Klerus." O Herr, verzeihe ihm! Er weiß nicht, was er tut,* rief der Dekan Metz  . Ich verbitte mir diese Zwischenrufe." sagte Wanninger. Wenn Sie glauben, daß Sie mich widerlegen können, so können sie das Wort verlangen und nach mir besorgen." Sie reden ja wie Kraut und Rüben daher! Das kann sich kein vernünftiger Mensch merken," erwiderte'Metz  . Es ist lauter Blödsinn," schrie Kroiß. (Mäu halt'n da vorn! Ruhe!) Betreff die Aeußerung, daß ich einen Blödsinn rede, habe ich schon erwidert." sagte Wanninger.Die Herren, welche glauben, daß sie gar so gescheit sind, sollen es einmal ver» suchen, ein mit Schulden belastetes Anwesen zu übernehmen und dann rentabel wirtschaften. Da werden sie vielleicht sehen, daß dazu mehr Verstand gehört, als zur Bureaukratie. Ueberhaupt verbitte ich mir jede Beleidigung, auch wenn es vielleicht ein Beamter ist." (Recht boscht, Wanninger! Bravo! Außi schmeißen soll ma'n! Ruhe!) Wanninger ergriff wieder das Wort. Nach meiner Ansicht ist der allzu enge Anschluß an Preußen die Schuld am Niedergange des süddeutschen Mittel- standes. Das Zentrum legt bereitwillig Millionen auf den Altar des preußischen Kriegsgottes. Es fehlt nur noch, daß Eisen- bahn und Post eingesackt werden, dann sind wir vollkommen preußisch. In den oberen Kreisen läßt man sich zu sehr von dem norddeutschen Leuchtturm blenden, da ist es also die Aufgabe des Bauernbundes, dafür zu sorgen, daß unsere weiß-blauen Pfähle keinen Farbenwechsel erleiden. Einigkeit macht stark, heißt das Sprichwort, welches sich noch immer bewährt hat. Die Erfahrung lehrt uns mit nur zu beredter Sprache, daß Bauern und Gewerbetreibende innig zusammenhalten müssen, hm dem drohenden Abgrundrande zu entgehen. Wo find heute noch die Bauern, welche den Lohn ihrer Arbeit genießen können? Sie sind nicht mehr dal Dafür sieht man heute die Männer dieser Stände in Existenzkämpfen ihre Tage in dumpfer Resignation dahin- leben. Leider haben die Bauern bis jetzt in blinder Ver- trauensduselei die Vertretung ihrer Lebensinteressen anderen Ständen überlassen, welche nur für das Blühen und Gedeihen der Millionärzucht und ihr eigenesIch" sorgten, für den Mittelstand, der alle Lasten zu tragen hat, aber nur leeres Stroh droschen. Und doch haben wir, gelinde gesprochen, die gleichen Rechte." Das ist nicht mehr zum Aushalten!" schrie Kroiß. Na gehst außi!" Ruhe!" In Preußen hat man nur Sinn für Großmannssucht, daher auch Großgrundbesitz, Großindustrie und Großkapita! das Ruder führen und ihren unheilvollen Einfluß auf die Gesamtreichsgefetzgebung ausüben. Betrachten wir nun den Militarismus mit seinen Aus- wüchsen l Was muß Land und Volk leisten, um das Penfions- Wesen zu bestreiten! Und was reicht man dem Nährstand für alle seine Opfer?, Gesetze nach dem Willen der oberen Zehntausend, Polizeistock, aber brav Hurra schreien, im übrigen's Maul halten! Dagegen Hilst nur eines. Das feste Zusammenhalten deS bayerischen Volkes: vom Zentrum aber müssen wir uns losreißen, weil es die Einsackung Bayerns nicht ver- hindern will.'.,. In diesem Sinne müssen wir im Bezirke Nußbach eine Markgenosienschaft des Bauernbundes gründen." Wanninger stieg von der Tribüne herunter und ging auf seinen Platz zurück. Das Wochenblatt berichtete, daß der Beifall ein äußerst warmer gewesen sei, und daß man allen Anwesenden ange-