Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 236.

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Andreas Vöst.

Sonnabend, den 5. Dezember.

( Nachdruck verboten.)

Baueritroman von Ludwig Thoma  .

Die Weberin meinte, es werde nicht besser, denn die Mangin hätte sich ganz verändert. Sie sei nachdenklich ge­worden und rede oft mit sich selber, aber ganz still, daß man die Worte nicht verstand, und ganz demütig sei sie; gar nicht mehr reich, wie früher."

Das sei aber ein schlechtes Zeichen, wenn sich kranke Leute so ändern. Die Bäcker Ulrich Marie sagte, sie wisse gut, warum die Mangin trübsinnig sei. Der hochwürdige Herr Kooperator habe es ihr gesagt. Nämlich, daß der Sylvester Mang das geistliche Studieren aufgeben wolle, noch vor er die Weihen friege. Sie habe sich's schon lange gedacht, sagte die Bäcker Ulrich Marie, denn groß sei der Eifer beim jungen Mang nie ge­wejen. Wenn er daheim war, sei er selten unter der Woche in die Kirche gegangen, und mit dem hochwürdigen Herrn Kooperator habe er wenig Verkehr gehabt.

Bloß beim verstorbenen Pfarrer sei er den ganzen Tag gewesen; ob er bei dem das beste Christentum gesehen habe, möchte sie nicht behaupten.

Und von dem Unglück sei die Mangin frank geworden. Die habe sich immer did gemacht mit ihrem geistlichen Herrn Sohn und habe herumgeschrien, wie schön sie es noch einmal friege, und habe schon getan, als wenn sie die Frau Pfarrer= mutter wäre. Jetzt sei alles nichts, und der Vetter in Pasen­ bach   würde die Hand abziehen vom Sylvester.

So redete die Bäder Ulrich Marie, und die Weiber schauten mitleidig über den Gartenzaun hinüber nach der Mangin, die fröstelnd in der warmen Sonne saß.

Es ist ein Kreuz auf der Welt," sagte die Bäcker Ulrich Marie. Ueberhaupts, wo man hinschaut."

Ob es die Zwergerin schon gehört habe von dem Vöst seiner Ursula?

Vorgestern habe sie das Kind gekriegt, und heute sei es noch nicht getauft. Und der hochwürdige Herr Kooperator habe gesagt, der Vöst lasse es überhaupt nicht taufen, weil er einen abscheulichen Haß gegen das Christentum habe.

Ein Kind von ihm liege schon hinter der Kirchhofmauer, und wer wisse es denn, ob er nicht auch selbigesmal mit Fleiß die Taufe versäumt habe?

Wenn das gehe, daß in Erlbach einer sein Kind als Heiden aufziehen dürfe, müsse ein Strafgericht kommen.

Die Zwergerin zeigte ein solches Entsetzen über die Mit­teilung, daß andere Weiber aufmerksam wurden und ihre Arbeit im Stiche ließen. Sie standen im Kreise um die Bäcker Ulrich Marie herum und steckten die Köpfe zusammen, und immer famen wieder neue hinzu. Kinder, die auf der Straße spielten, liefen heim und sagten, daß beim Bäcker so viele Leute stünden. Dann kamen die Weiber aus den Häusern, hielten die Hände vor die Augen und schauten die Straße hinauf.

Und jede, die den dichten Knäuel sah, band sich eine Schürze um und ging darauf zu.

Die Weberin konnte ihre Neugierde nicht mehr verhalten. Sie sagte zur Mangin, daß sie ein wenig warten solle, denn sie wäre gleich wieder da.

Wie sie zurückfam, ging die Weißbrunnerin mit ihr, und fie blieben alle fünf Schritte stehen und schauten sich mit er­schrockenen Augen an.

,, Was habt's denn g'habt?" fragte Mangin mit schwacher Stimme.

D' Schuller Ursula hat an Bua'm friagt, und der Schuller will'n net taufen lassen, daß er a Heid' bleiben muaß; g'rad ertra, weil's an Pfarrer ärgert."

,, Wer hat denn dös g'sagt?"

D' Bäcker Ulrich Marie erzählt's g'rad."

"

" De hat scho viel erzählt, was it wahr is. Dös glaab.

i net."

So was durft's ja do it sag'n, bal's it wahr is.

sie hat's vom Herrn Kopratta."

" glaab's it. Dös tuat der Schuller net."

Und

1908

Ja der! Dös woaß ja ganz Erlbach, daß er an Glaub'n abg'schwört hat. Er geht in foa Stircha mehr."

D' Leut' sollen an Schuller in Ruah lassen. Dös waar g'scheiter. Früherszeiten hat ma nia was Schlecht's g'hört vom Schuller."

Aba da derf ma do it zuaschaug'n, wenn er an Heiden

herzügelt!"

Die Mangin schüttelte leicht den Kopf und murmelte

vor sich hin.

her." Sie g'fallt ma gar it. Sinscht waar sie die erft' g'wen Sie treibt's nimmer lang," sagte die Weberin hinter­bei'n Schimpfa, und jetzt is fie ganz verzagt. De lebt nimmer

lang."

*

Das war nicht gelogen, daß die Ursula ein Knäblein geboren hatte. Es schrie laut genug, daß man sein Dasein merken mußte.

Die Schullerin stand ihrer Tochter in den schweren Tagen bei und ließ sie kein unrechtes Wort hören. Sie er wies ihr mehr Liebes, als zu anderen Zeiten, denn das liegt im guten Wesen der Frauenzimmer.

Und als die Hebamme das Kind zur Taufe in die Kirche trug, ging die Schullerin mit, gerade so, als sollte ihr recht­mäßiger Enkel in die Christenheit aufgenommen werden.

Es zwang sie etwas dazu; sie wußte selber nicht, was. Vielleicht die Erinnerung an ihr eigenes Kind, dem so un achtsam das Paradies verscherzt worden war.

So ging sie tapfer neben der Hebamme her in die Kirche. Der Pfarrer ließ fie lange warten.

Wie er fam, sagte er, daß er vor der Taufe eine Er klärung abgeben müsse. Er werde diesem Knäblein den Namen Simplizius beilegen.

Wieso, fragte die Schullerin, es sei ausgemacht, daß es Andreas heißen solle.

Darauf fäme gar nichts an, und er kümmere sich um kein Ausmachen und um feinen Wunsch, sagte der Pfarrer strenge. Das Knäblein sei am zweiten März geboren, und das sei der Tag des heiligen Simplizius. Er habe es so fest­gefeßt, daß die ledigen Kinder die Namen der Heiligen tragen müßten, an deren Tagen sie zur Welt kämen."

Das sei aber kein rechter Name, meinte die Schullerin, fein Christenmensch heiße Simplizius, und das klinge gerade so wie Simpel, und der Bub' hätte sein Leben lang das Gespött.

Wenn ein frommer und verehrungswürdiger Papst den Namen führte, sagte der Pfarrer, hernach fönne ihn wohl auch ein Bub' tragen, der keinen Vater habe. Und überhaupt, er lasse keinen Widerspruch zu und werde dieses Knäblein auf den Namen Simplizius taufen.

Die Schullerin verlegte sich aufs Bitten.

,, Hochwürden, teans ins dös net o. Es is Verdruß g'nuá, daß dös Kind überhaupts do is. Und da gang's wieder auf a neu's o bei ins daboam; Sie wissen's guat, Hochwürden, wia's bei ins daboam ausschaugt. Da Bauer geht a so im Haus' rum und red't und deut' niy mehr, und d' Urschula moant an ganzen Tag, weil's da Vater net o'schaugt. Und jett gang's auf a neu's o, wenn i hoamkimm, und da Bua hat a solchen Nam'."

Ich weiß recht wohl, welcher Geist in Eurem Hause herrscht," sagte der hochwürdige Herr Baustätter. Und desweng. soll's it wieder auf a neu's Verdruß geb'n!" bat die Schullerin. Beim Bauer is' s Feuer untern Dach, bal de G'schicht gar it aufhört, und bal Sie ins wieder a Schand' o'hängan.

Reden Sie nicht so daher! Das ist keine Schande, wenn dieses Knäblein den Namen erhält. Aber es ist eine Schande, daß es unehelich gezeigt wurde."

"

Es hamm scho mehra Madeln Kinder als a lediger bracht. In Gott's   Nama, wenn oans da is, muaß ma's hamm."

Wollen Sie, daß ich das Knäblein taufe?" fragte der Pfarrer kurz.

"

Freili. I bitt' schö drum."

Dann widersprechen Sie mir nicht! Ich werde ihm den Namen Simplizius beilegen."