Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 237.

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Dienstag den 8 Dezember.

( Nachdrud verboten.)

Andreas Vört.

Bauernroman von Ludwig Thoma .

Für was nacha dös?"

1908

Ja, weil der Heilige auftrifft auf den Tag, wo' s Kind

geboren is."

Geh! So was hab' i aa no net g'hört."

" Es is scho oamal so a G'schicht g'wen," sagte die Heb.

"

Die Schullerin schaute ihm nach und wischte sich mit der amme. Es is net dös erst' Mal." Schürze die Tränen ab.

Geh' ma halt!" sagte sie.

Wie sie durch den Friedhof schritt, blieb sie stehen und fing wieder heftig zu weinen an.

Wo soll i jezt hi' geh? Ta Bauer is am Feld draußd' und fimmt vor auf d' Nacht net hoam. D' Urschurla liegt im Bett, und i derf ihr's gar it sag'n, daß' s Kind an Spott­nama triag'n muaß. I woaß gar it, wo i hi geh' soll.' s liabste waar mir überhaupts, i waar scho g'storb'n. friag ja doa koan Ruah nimmer, und da hätt i do mein Ruah und wiffet nig mehe!"

Gehst vielleicht zum Pfarrer von Aufhausen umi, Schullerin!" sagte die Hebamme. Der to Dir an Auskunft geb'n, ob's ös den Nama leiden müaßt's."

"

Wia ko denn i nach Aufbausen umi? De Deanstbot'n fan allesannete am Feld, und es muaß do wer dahoam sei! Stallzeit is aa."

gang gern für di, aba unseroana to it viel red'n. Hoscht denn gar neamd, der Dir den G'fallen tat?" Die Schullerin befann sich. Höchstens da Haberlschneider," sagte sie. Bal er da­hoam is."

Nacha gehst zu'n Haberlschneider. Der kunnt de G'schicht richti vorbringa."

glaab it, daß's was helft. Und i plag' an Haberl­Schneider it gern."

Ja no, balst finst neamd woaßt. Du tatit as ja aa für an andern."

Probier' i's halt!" sagte die Schullerin. Aba, was tuast denn Du derweil? Du ko'st it mitlaffa mit'n Kind, und hoam derfst aa net. Sinst spannt's d' Urschula."

Geh' i halt' in's Wirtshaus und wart' auf Di. Dös is sinst aa der Brauch, daß ma nach da Tauf' ins Wirtshaus geht."

,, Da hab' i no nia was vernomma."

Du bist halt no it so lang' da z' Erlbach. Dös is vor a Jahr a drei g'wen. D' Elfinger Marie hat a Madel bracht; im August is g'wen. Dös hat da Pfarrer Bibiana tauft." Bi- bi- ana!" wiederholte die Kellnerin. Was dös für Nama san! Bi- bi- ana! Dös is ja g'rad, als wenn ma de Henna schreit."

Schö is der Nam' net. Aba no, da hat's it viel aus­g'macht.' s Madel is a paar Tag' danach g'storb'n. Da is it viel g'red't wor'n davo." Daß si d' Leut' dös g'fallen lassen müassen?" " Ja no!"

"

lajjet ma's durchaus it g'fallen," sagte die Kellnerin, dös möcht' i sehg'n, ob i da zuafchaug'n müaßt."

Selm waarst net dabei," erwiderte die Hebamme und schob das legte Stück Käse in den Mund; selm waarst net dabei, und bal da Pfarrer amal sagt, es is sei Necht. Was willst macha?" schimpfet scho so viel, i lasset ma's durchaus ib

g'fallen." " D' Schullerin war mit in da Kircha. De hat bettelt und aufbegehrt. Aba nacha hat da Pfarrer g'sagt, cr tauft' s Kind überhaupts net."

Dem fleinen Vöst wurde bänglich zumute, wie er so ein sam auf der Tischplatte lag und hoch oben über sich die weiße Decke jah. Er drehte den Kopf unruhig hin und her und verzog sein faltiges Gesicht zum Weinen."

der

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Bicht! Bicht!" machte die Hebamme.

" Sei no staad, Sloana! Kriagst Dein Digel scho!" Sie steckte ihm den Schnuller in den Mund. Da begann kleine Böst zu saugen und wurde still.

Und sah wieder ernsthaft in die Höhe, als denke er reif­lich darüber nach, ob er sich den heiligen Simplizius als Namenspatron gefallen lassen müsse.

,, Vo mir aus. Trinkst a Halbe, i bleib' it lang' aus." Die Schullerin machte sich auf den Weg zum Haberl- stocherte damit in ihren Zähnen herum. schneider, und die Hebamme ging ins Wirtshaus.

Die Kellnerin zog eine Haarnadel aus ihrem Zopfe und

Es war niemand in der Stube. Bei dem schönen Wetter nahm sich kein Bauer die Zeit zum Trinken.

Die Hebamme legte das Kind auf einen Tisch, und die Sellnerin fam mit verschlafenen Augen hinter dem Ofen hervor.

" D' Haasin!" sagte sie. Host a Tauf ' g'habt? Stemma no mehra Leut'?"

,, Na, i bin alloa."

"

s denn toa Bat' it dabei?"

A nett's Kind!" sagte sie. Gloabst Du, daß da Xaver am End' no d' Urschula heirat?"

"

,,' s beste waar's. Sie is do a ganz a richtig's Leut'!" glaab it, daß er's tuat. De Burschen sag'n, er will gar nig wissen von ihr."

Nacha muaß er halt brav zahl'n."

" glaab, dös will er aa net. Er behaupt', daß mehra beteiligt fan."

Dös sagt a jeder hinterdrei. De Sterl' san ja alle. sammete schlecht. D' Madeln san dumm, daß sie si ei'lassen

Na. Es is ja a ledig's Kind! Von da Schuller Ur- damit."

Schula."

Ja so. Von da Urschula? Je's a Madel." Na, a Bua."

Wahr is. Magst no a Halbe, Haasin?" Ja, wenn'st d'as g'schwind bringst."

Die Kellnerin ging in die Schenke und brachte das Glas

,, A Bua? Da Hierangl Xaver, fagen's, muaß an Bater frisch gefüllt zurück. macha. Was schaffst denn, Haasin? A Halbe Bier?"

a, und an Kaas derfst mir aa bringa."

Nach einiger Zeit kam die Kellnerin wieder und stellte das matt aussehende Bier vor die Hebamme hin.

Dann betrachtete sie das Kind, welches mit seinen runden

Mugen verwundert zur Decke hinausschaute.

So so? Von da Urschula? Hat ma da scho was g'hört, ob da Hicrangl Xaver guatwillig zahlt?"

woaß gar nig."

moan allawei, da werd's an Streit geb'n. Da Xaver hat's faustdid hinter de Ohren. Aba a nett's Kind is! Und stark."

" Ja, es is a g'fund,' s Kind."

Wie hoaßt's denn?"

Gar it hoaßt's. Es is not it tauft."

Was? Für was schleppst d'as denn Du nacha um­anand?"

a, mir fan scho in da Kircha g'wen, aba da Pfarrer will eahm an Spottnama geb'n. Simpli oder Simpi, i woaß nimmer g'nau."

Die Hebamme schoh es ihr zu.

Trint, Zenzl! Heut' hast it viel Leut'."

Na, bereits gar neamd. Bei dem Wetta fimmt aa foana. Höchstens no da Geitner."

Der hat allawei Zeit," sagte die Hebamme. " Ja, er is viel bei uns. Du, Haafin, was für an Nama hätt' da Pfarrer dem Buab'n geben wollen? I hab's wieder vageffen."

"

Simpi oder Simpl oder so. I woaß's selm net g'nau." Geh! Daß' s überhaupts solchene Nama gibt! Und Bi- bi- ana. Bi- bi! Grad, als wenn ma de Henna schreit!"

Du, i muaß zahl'n," unterbrach sie die Hebamme, da fimmt d'Schullerin über d' Straß' uma. Fünfadreiß'g Pfennig, gel?"

Zwoa Halbe und an Kaas und a Brot, san fünf adreiß'g, ja." Die Kellnerin fchob das Geld ein, und die Haasin nahm den kleinen Böst von der Tischplatte weg.

Unter der Türe stieß sie auf die Schullerin.