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und jagen einander. Die Kosaten stehen herum, schälern mit den 1 d. h. Einrichtung selbständiger städtischer Verwaltungsämter und borüberkommenden Mädchen, durchbrechen bisweilen den Reigen ferner den Fortfall der die literarische Produktion hindernden und treten in die Mitte. Auf der dunklen Seite der Ladentür stehen Buch- und Theaterzensur. Kurz zusammengefaßt, das Intelligenz­Bjeleztij und Olerin in ihren Tscherteffenröden und Müßen und proletariat verlangte die verfassungsmäßige Garantie, daß jeder, sprechen in tofalischer Mundart, nicht laut, aber doch hörbar mitein. sofern er die erforderlichen Bildungsvorschriften erfüllte, ohne ander. Sie merken wohl, daß sie die Aufmerkjamteit auf sich Rüdsicht auf Abstammung Standeszugehörigkeit und Protettion Ienfen. Die üppige Ustjenta in ihrem roten Beschmet geht im zu den höchsten Staatsämtern aufsteigen könne. Abschaffung aller Reigen neben der majestätischen Gestalt Mariantas in neuem Privilegien, mit Ausnahme jener der akademischen Bildung, per Hemd und Beschmet. Olenin und Bjeleztij unterhalten sich darüber, fönliche Freiheit, Recht des Individuums auf die Berwertung seiner wie man Marianta und Ustjenta aus dem Kreise fortloden tönnte. Fähigkeiten, Meinungsfreiheit: das waren die Hauptschlagworte, Bjeleztij glaubte, Olenin gehe nur auf Bergnügen aus; Olenin mit denen denn auch diese Gruppe in ihren politischen Streit­aber wartete auf die Entscheidung seines Schidials. Er wollte schriften arbeitete. Der Staat hatte nach ihrer Auffassung nur die Marianta um jeden Preis heute noch allein sprechen, ihr alles Aufgabe, dem einzelnen das Recht seiner Persönlichkeit und die sagen und fie fragen, ob sie seine Gattin werden könnte und wollte. freie Entfaltung seiner individuellen Anlage zu sichern, jenes Obgleich diese Frage für ihn schon längst verneinend entschieden Eigentum, das durch eigene Tätigkeit erworben war das feudale war, hoffte er doch, er würde die Kraft haben, ihr alles aus- Grundeigentum galt bielen Politifern dieser Richtung nur als zusprechen, was er empfinde, und sie würde ihn verstehen. ufurpierter Befik zu schüßen und Angriffen auf den Genuß Warum haben Sie mir das nicht früber gesagt? meinte Bje- dieses Eigentums zu wehren; im übrigen aber follte er sich mög­legtij. Ich hätte es doch stjenta mitgeteilt. Sie sind so felt- lidit zurückhalten, nicht in das soziale Getriebe ingreifen und fam! jeden Bürger sich entsprechend seinem Belieben ausleben lassen. Was soll ich tun!... Ich sage Ihnen schon einmal alles, Ihre Hauptvertreter fand diese Lehre später in den Danto. sehr bald. Jest machen Sie um Gotteswillen nur, daß sie zu Ust- niften, und der am meisten bekannt gewordene Jaurnalist dieser jenta tommt. Partei, Camille Desmoulins , tann gewissermaßen als Typus des akademischen Proletariats gelten.

( Fortfepung folgt.)

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Der

Doch nicht alle akademischen Proletarier blieben bei der oben dargelegten liberal- individualistischen Auffassung stehen. Widerwille gegen die Zwangsmittel des Staates führte einzelne Ausländer befanden, zu einer fast völligen Regation der Staats­

Das Parifer Intelligenzproletariat Glieder der literarischen Pariſer Bohême, unter der fich manche und feine Rolle während der fran- organisation, zu allerlei nihilistischen Folgerungen, wie wir fie

zöfifchen Revolution."

heute, modernisiert und philosophisch herausstaffiert, im indivi. dualistischen Anarchismus wieder finden. Dieser Rich­tung erschien selbst der passive Nachtwächterstaat eines Desmoulins noch immer viel zu sehr als Zwangsanstalt". Auch die ihm von den Gesinnungsgenoffen Desmoulins zuerteilten Aufsichtsfunktionen müßten, so meinte fie, dem Staat nach und nach entzogen und den Gemeinden zugewiefen werden.

Der Haupttheoretiker diefer Schicht war der unter dem Namen Anarcharsis Clook bekannt gewordene reiche westfälische Baron Johann Baptist Klok, der direkt zur Forderung der Ab­schaffung jeglicher Regierung gelangte. Alle Verwaltungsfunktionen des Staates follen an die autonomen freien Gemeinden fallen, die für die Ausführung solcher Aufgaben, die über den Bereich der ein­zelnen Kommunen hinausreichen, eine brüderliche Vereinigung bilden könnten.

Ein anderer, dritter Teil der ärmeren Intelligenz schloß sich später, als das Kleinbürgertum in Paris die Herrschaft an sich riß, der jatobinischen Richtung Robespierres an und fand teils in staatlichen und kommunalen Anstellungen, teils als Agitatoren und Journalisten Unterkunft; während eine vierte Gruppe, die kleinste von allen, zu halbsozialistischen Tendenzen gelangte; aber nicht zum Arbeitersozialismus, sondern zu einem kleinbürger lichen Antikapitalismus, dessen Streben im Grunde auf nichts anderes hinauslief, als die Zwergproduktion gegenüber dem Groß­

Noch weit mehr als heute war Baris unter Ludwig XIV. die geistige Zentrale Frankreiche. Staatsbeamte, Gelehrte, Künstler, unbeschäftigte Abbés, Literaten und Advokaten: alles strömte nach Paris , der Stadt der geistigen Interessen und des Amüsements, die bamals allein in Frankreich diesen Elementen ein Betätigungsfeld und die Möglichkeit bot, zu Ruhm, Vermögen und Lebensgenuß zu gelangen. Doch nur verhältnismäßig wenige, die in Paris Ehre und Geld fuchten, gelangten zum Ziel. Schon vor Beginn der Re­volution finden wir in Paris eine große Schicht halbe und ganz proletarischer Existenzen, und bald zog die Revolution neue Ele mente dieser Art heran. Fortgeriffen von der revolutionären Strömung stellte diese Masse fich sofort in den Dienst der Frei­heit", und zwar schlugen fich die meisten Deklassierten zu den wütenden", zu den Radikalen, die im Garten des Palais Royal und dessen Cafés ihre Zusammentünfte hatten. Doch fehlte es unter diesem akademischen Intelligenzproletariat auch nicht an Elementen, welche die sich bietende Gelegenheit ergriffen, als Sekretäre und Bureaubeamte bei den neugebildeten Munisipali­täten einzutreten oder als Mitarbeiter an royalistischen Blättern, als royalistische Agitatoren und Claqueure fich Geld zu verschaffen. Mit dem Fortschritt der Revolution trat auch im Intelligenz- betrieb aufrechtzuerhalten, proletariat eine gewisse Klaffenscheidung ein. Von den gewöhn­Das Paris der Jahre 1790 bis 1794 war eine fleinbürgerliche lichen Arbeitern, Taglöhnern und Kleinhandwerkern fand es fich nicht nur durch seine ganz andere Art der Lebenshaltung und Stadt. Der Kopfzahl nach überwog bei weitem das kleine Ge Lebensführung, sondern auch durch seine literarisch- philosophische schäftsbürgertum und die mit diesem zusammenhängende und Bildung, feine meist freigeistige Lebensauffassung und durch seine größtenteils aus ihm hervorgegangene Beamtenfchicht. Das Pro­Sprache getrennt. Die große Masse des eigentlichen Pariser Ar- letariat trat gegenüber der fleinbürgerlichen Masse an Zahl und beiterproletariats fonnte gar nicht oder doch nur sehr mühsam Einfluß völlig zurüd. Bei den Aufständen marschierte die Ar­lefen; und der damalige Dialekt der untersten Boltsschichten in beiterschaft zwar in der Vorhut, aber geistig bildete sie lediglich gewissem Sinne tann man von Dialetten sprechenwich so weit eine Gefolgschaft des Kleinbürgertums. Es ist geradezu erstaun­bon dem akademischen Französisch ab, daß der größte Teil des Ar- lich, selbst wenn man die schlechte Schulbildung in Betracht zieht, beiterproletariats die Redewendungen des Intelligenzproletariats daß die Pariser Arbeiterschaft jener Zeit aus ihrer Mitte nicht einen einzigen Mann von Bedeutung hervorgebracht hat. Selbst gar nicht verstand.

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Beide, das Arbeiter wie das Intelligenzproletariat, sahen in in den Jahren 1793 bis 1794 waren die Wortführer des Pariser der Revolution ein Mittel zur Verbesserung der sozialen Lage ihrer Arbeiterproletariats im Konvent wie im Gemeinderat und den Schicht; aber beide verstanden darunter etwas ganz Verschiedenes. Sektionsausschüssen Hleinbürgerliche Geschäftsleute, Journalisten, Für die in den Fabriken und handwerksmäßigen Kleinbetrieben Angestellte, Abbés usto. Und die Politik dieser Wortführer be beschäftigten Arbeiter bedeutete die Verbesserung ihrer Lage: eine stimmten im wesentlichen nicht Arbeiter, sondern fleinbürgerliche Erhöhung der Löhne, das Recht der Vereinigung zur Durchsetzung Intereffen. Wohl trat bei einigen Gelegenheiten, z. B. bei den threr Lohn- und Arbeitsforderungen, Ermäßigung der Lebens- Lohnfämpfen im Mai und Juni 1791 und bei der sich an diese ans mittelpreise und Erleichterung der wirtschaftlichen Selbständig schließenden Entziehung des Koalitionsrechts ein gewiffer Inter­machung. Für den größten Teil des akademischen Intelligenze essenkonflikt zwischen den Arbeitern und den Kleinmeistern hervor, proletariats bestand das Grundproblem der damaligen sozialen aber zu einem bewußten Klassengegensatz entwickelte er sich nicht. Frage dagegen darin, freien Zutritt zu den ihm versperrten staat- Demnach zeigt auch die halbkommunistische Rich. lichen und kommunalen Beamtenstellungen, zur Rechtspraxis sowic tung, die im Jahre 1792 im Jafobinismus auftaucht, flein. zu den sogenannten liberalen Berufen zu erlangen. Deshalb for- bürgerliche, man fann im gewissen Sinne sogar sagen: hand. derte diese Schicht in erster Reihe den Wegfall der bisherigen stän- wertemäßige Züge. Wie konnte es auch anders sein? Der dischen Privilegien und der Vorbehaltung der besser dotierten Kommunismus der Meslier, Morelly , Mably ist im wesentlichen Agrarkommunismus. Er geht nicht von den Gegensäßen der industriellen Entwidelung, sondern der ungleichen Verteilung des Bodens aus. Wo er von der Gefährlichkeit des Eigenbesitzes und der Nützlichkeit der Güter gemeinschaft spricht, versteht er darunter stets die Boden- und Adergemeinschaft. So ist denn auch in jenen borrevolutionären fommunistischen Projekten, die sich nicht mit ganz allgemeinen vagen Ausführungen über die Schädlichkeit der Besitz­unterschiede oder des Privateigentums( worunter meist nur das Grundeigentum verstanden wird) begnügen, sondern genauere Vor schläge zur Einrichtung kommunistischer Wirtschaftsgruppen machen,

*) Wir entnehmen diesen Abschnitt Heinrich Eunowa soeben im Vorwärtsverlage erschienenen Buche: Die rebolutionäre Beitungsliteratur Frankreichs während der Jahre 1789-1794, ein Beitrag zur Geschichte der französischen Klaffen und Parteikämpfe gegen Ende des 18. Jahrhunderts.( Mit zahl­reichen Porträts und Zeitungsfatsimiles.) Beamtenstellungen für bestimmte Stände, Abschaffung der Käufe lichkeit und Erblichkeit der Aemter, Aufhebung der zünftlerischen Organisation der Advokatenichaft, kommunale Selbstverwaltung,