- 958- »Nein, kein Wort." ..Sie brauchen net crichrccken, es qcht ihr schon wieder besser, aber eine Zeit war's net gut d'ran." „Ja, dann entschuldigen.. ,Lch darf Sie net aufhalten. Adieu und b'suchen'S mich die nächsten Tag'!" Sulvester eilte weg. Die Nachricht hatte ihn bestürzt. Tie Mutter schrieb ihm so selten, dah er sich keinen Ge- danken darüber machte, als in der letzten Zeit die Briefe ganz ausblieben. Da hatte er jetzt immer um sich gesorgt, und derweil lag seine alte Mutter schwer krank daheini. Scham und Angst überkamen ihn. und sein Herz schlug rascher, als er in das kleine Haus trat und die Stubentüre aufklinkte. ..Ja, kimmst Du jetzt daher?" Die Mutter stand schwerfällig vom Stuhle auf und ging ihm entgegen. „I Hab' mir denkt. Tu kimmst auf'n Abend mit der Post?" Tie Stimme hatte den alten Klang nicht mehr» und wenn die Augen auch lachten, konnte sie doch die Müdigkeit nicht verbergen. „Mutter, warum hast mir keine Nachricht geben?" „Wegen der Krankheit? Ach. gehl Tos is scho wieder rum. Bist z' Fuaß raus ganga, weil d' Stiesel so staubig san?" „Ja. Aber setz' Dich doch! Warum hast mir nicht schreiben lassen?" tFortsetzung folgt.) (Nachdruck vrrvoken.) 38) Die i�olaken. von Leo Tolstoi . 41. -Weit? Nur feie 3 eine Wart fragte Lukaschka. In diesem Augenblick hörte man aus«Iiva dreißig Schritt Eni- lfcrnuug einen kurzen Schutz. Ter Unteroffizier lächelte leicht. Unser Gurka feuert ihm nach, sagte er und wies mit dem Kopfe nach der Richtung des Schusses. Als sie noch einige Schritte geritten waren, sahen sie Gurka, der hinter einem Saudhiigel saß und seine Flinte lud. Gurka wechselte aus Laugeweile mit den Abrekcn, die hinter einem anderen Sanol, ügel saßen, Schüsse. Nun kam eine Kugel von dort heran» gesaust. Der Fähnrich wurde blaß und schwankte. Lukaschka stieg vom Pferde, übergab eS einem Kosaken und ging zu Gurka hin. Olenin tat dasselbe und ging niedergeduckt hinter ihm her. Sie waren kaum zu dem schießenden Kosaken herangekommen, als zwei Kugeln über ihre Köpfe Hinsausten. Lukaschka sah sich lachend nach Olenin lim und duckte sich. Sie werden dich noch erschießen, Audrcitsch, sagte er, geh lieber fort'— für dich ist daS nicht gemacht.... Olenin wollte aber durchaus die Abrcken sehen. Leber den Hügel weg bemerkte er auf zweihundert Schritt Entfernung Mützen und Flinten. Plötzlich stieg ein'Rauch von dorther auf, und wieder sauste eine Kugel vorbei. Die Abreken saßen hinter >dem Berge im Sumpf. Olenin war überrascht von dein Platz, aus dem sie saßen. Der Platz war wie die ganze Steppe; aber dadurch, daß die Abreken an diesem Platz saßen, schien er sich von seiner ganzen Umgebung zu unterscheiden und durch etwas auszuzeichnen. Er erschien ihm gerade als der Ort. an dem die Abreken hausen mußte». Lulaschka kehrte zu seinem Pferde zurück, und Olenin folgte ihm. Wir müssen einen Wagen mit Heu nehmen, sagte Lukaschka, sonst schießen sie uns tot. Da hinter dem Hügel steht ein nogaiischer Wagen mit Heu. Der Fähnrich hörte ihn ruhig an. und der llnterofsiFicr stimmte ihm zu. Der Heuwagen wurde herbeigeholt, und die Korken gingen .daran, unter seinem Schutze sich mit Heu zu beladen. Olenin ritt auf den Hügel hinauf, von hier aus konnte er alles sehen. Der Heuwagen setzte sich in Bewegung; die Kosaken drängten sich hinter ihm. Die Kosaken setzten sich in Bewegung; die Tschctschenzen. neun an der Zahl, saßen nebeneinander. Knie an Knie, und schössen nicht. Alles war still. Plötzlich erklangen von den Tschetschenzen her- über sonderbare Laut? eines schwermütigen Liedes, das dem ai-dai- da-lalai Onkel Jeroschkas ähnlich war. Die Tschetschenzen wußten, daß sie nicht entkommen konnten, und um der Versuchung der Flucht zu widerstehen, hatten sie sich Knie an Knie mit Riemen aneinander- gebunden, die Flinten fertig gemacht und ein Sterbelied angestimmt. Die Kosaken kamen unter dem Schutze des HeuwagenS immer näher heran, und Olenin erwartete jeden Augenöl. ck, die Schüsse krachen zu hören; aber nichts unterbrach die Stille, als das schioermütige Lied der Abreken. Plötzlich brach der Gesang ab, ein kurzer Schutz ertönte, eine Kugel schlug an die Bretter des Wagens, und das Schimpfen und Schreien der Tscheischcnzcn ließ sich vernehmen. Schuß auf Schuß ertönte, Kugel auf Kugel schlug in den Wagen ein. Die Kosaken schössen nicht und waren nur noch fünf Schritt von ihnen entfernt. Noch einen Augenblick, und die Kosaken stürzten mit lautem Aufschrei zu beiden Seiten des Wagens hervor. Lukaschka allen voran. Olenin hörte nur wenige Schüsse, Geschrei und Stöhnen. Er glaubte Rauch und Blut zu sehen. Er ließ sein Pferd stehen» vergaß sich selbst und eilte zu den Kosaken hin. Entsetzen machte seine» Blick erstarren. Er konnte noch nichts uuterscheideii. Er begriff nur, daß alles zu Ende war. Lukaschka hielt, weiß wie die Wand, einen verwundeten Tschetschenzen am Arm und schrie: Töle ihn nicht. Ich-nehme ihn lebendig gefangen. Es war derselbe rot- bärtige Tschetschenze, der Bruder des getöteten Abreken, der herüber» gekommen war, dir Leiche abzuholen. Lukaschka band ihm dio Hände. Plötzlich riß sich der Tschetschenze los und feuerte seine Pistole ab. Lukaschka sank um, sein Leib blutete. Er sprang auf, sank aber wieder um und fluchte russisch und tatarisch. Das Blut an seinem Körper und die Blutlack)« unter ihm nahm immer zu. Die Kosaken traten zu ihm heran und lösten seinen Gürtel. Eurer von ihnen, Nasarka, konnte lauge, ehe er ihm zu Hilfe kam, seinen Säbel nicht in die Scheide stecken und griff immer nach der falschen Seite. Die Schneide des Säbels war voll Blut. Die Tschetschenzen mit ihren roten Haaren und geschorenen Schnurrbärten lagen tot und verstümmelt am Boden. Nur einer» der bekannte, eben der, der auf Lukaschka geschossen hatte, war lebendig, aber am ganzen Körper voll Wunden. Wie ein ange- schoffener Habicht sah er, blutüberströmt(unter seinem rechten Aug« quoll es stark hervor), die Zähne aufeinandergepreßt, bleich und düster, mit wütenden großen Augen nach allen Seiten umher, saß zusammengekauert da und hielt den Dolch fest, noch immer zur Per- teidigung bereit. Ter Fähnrich ging seitwärts schleichend an ihn heran und gab mit einer schnellen Bewegung seiner Pistole einen Schuß nach seinem Ohr ab. Ter Tschetschenze wollte aufspringen, aber er vermochte es nicht und stürzte zu Boden. Di« Kosaken schleppten keuchend die Toten auSelnander und «ahmen ihnen die-Waffen ab. Jeder dieser toten Tschetschenzen war ein Mensch, jeder hatte seinen eigenen GesichtsauSdruck. Lukaschka trug man auf den Wagen; er hörte nicht auf, russisch und tatarisch zu fluchen. Du lügst. Mit meinen Händen erdrossele ich dich! Meinen Händen entkommst du nicht.-/Xmia senil schrie er, sich hastig auf- richtend. Bald aber verstummte er vor Schwäche. Olenin ritt nach Hause. Abends erzählte man ihm. Lukaschka liege im Sterben; aber«in Tatar vom anderen Ufer hoffe, ihn durch Kräuter zu heilen. Die Leichen wurden vor das Amtshaus gechleppt. Die Weiber und die Kinder eilten herbei, sie zu betrachten. Olenin war in der Tämmerstunde heimgekehrt und konnte sich lange nicht von dem befreien, was er gesehen hatte; in der Nacht aber drangen die Erinnerungen deL gestrigen Tages wieder aus ihn ein. Er sah zum Fenster hinaus; Mariana ging, geschästig Wirt- schaftend, aus dem Hause in den Keller. Die Mutter war in di« Weingärten gegangen, der Vater war auf dem Amt. Olenin wartete nicht, bis sie ganz fertig war, und ging zu ihr. Sie war i» der Stube und stand so da, daß sie ihm den Rücken zukehrte. Olenin glaubte, sie schäme sich. Mariana, sagte er, Marianak Darf man eintreten I Sie wandte sich unwirsch um. In ihren Augen standen kaum wahrnehmbare Thränen, in ihren Zügen lag edle Trauer. Sie sah ihn schweigend, stolz an. Olenin wiederholte: Mariana. ich bin gekommen.... Laß mich, sagte sie. Ihre Züge verändcrtcn sich nicht» aber auS ihren Augen stürzten Tränen. Warum? Was ist dir? Was? sagte sie mit herber, rauher Stimme. Kosaken sind ge» fallen. Das ist es! Lukaschka? sagte Olenin. Geh!... Was willst du? Mariana! sagte Olenin und trat auf sie zu. Nichts hast du von m-r zu erwarten. Nie! Mariana, sage das nicht! sagte Olenin bittend. Geh. Verhakter, schrie das Mädcken, stampfte mit dem Fuß« auf und trat drohend auf ihn zu. Aus ihren Zügen sprach ein solcher Abscheu, eine solche Verachtung und Wut. daß Olenin sofort be» griff, daß er nichts zu hoffen habe, und daß das. was er früher von der Unnahbarkeit dieses Mädchens gedacht hatte, unzweifelhafte Wahrheit sei. �, Olenin antwortete mit keinem Dort und eilw aus der Stube hinaus. s Schluß folgt.) s�aturmllcnfckaftlicke Qcbcrficht» (Moderne Forschungsmethodcn.) Bon Dr. C. T h e s i n g. I. Die Zeiten sind vorüber, da Zoologen und Botaniker sich noch mit dem bloßen Sammeln und Beschreiben von Tieren und
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25 (11.12.1908) 240
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