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gemischt spielen fich hier ab. Nicht immer weiß Gabriele Reuter innert mich an die innige Kunst Hermann Heffes. Diese Verbindung den Grundalford die Roheit der Gefellichaft, die solche Zustände von Intellekt und Romantit, Realismus und Idyllik gibt dem bedingt durchflingen zu laffen. Bedeutsamkeit erhält die Geschichte Büchlein sein Gepräge. aber durch die mit unverkennbarer Echtheit charakterisierte Gestalt Anatole France : Die Bratte der Königin Fräulein Corneliens. Es ist das Mädchen aus guter Familie in ihrer Pédanque", Roman. ( Verlag von R. Piper ut. Co., München .) 3wveiten Lebensetappe. Das Mädchen, für die auch die uneheliche Wenn Anatole France seine Schüler um sich bersammelt in Schwangerschaft ein ungleich größeres Martyrium wird als für ihre feinem mit Büchern und Altertümern vollgeftopiten Heim und von Geschlechtsgenoffinnen aus dem Bolle. seinem florentinischen Kirchenstuhl aus seine steptischen Weisheiten Leonid Andrejew : Judas Iscariot".( Werlag von über sie ausschüttet, dann ist er wohl selbit der Abbé Coignard, den er in der ,, Rôtisserie de la Reine Pédanque" so ergöglich schildert. Jwan Ladyschnikow, Berlin .) Sicher wird man es paradox finden, wenn ich Andrejet und Das Buch von dem luftigen, immer im Geistigen schwelgenden Abbé Hofmannsthal in einem Atem nenne. Und doch stellte fich mir Coignard, diesem wundervollen Epikuräer und Steptifer zugleich, hätte spontan der Bergleich ein. Der Wiener Aesthet macht sich an antite nicht so frisch, so lebendig, fo strozend von Geist geraten fönnen, Gestalten heran und versucht sie mit modernem Geist zu erfüllen, wenn Anatole France nicht ein Stück von seinem Selbst gegeben löst fie in Deladenz auf. Der grüblerische Russe nimmt biblische hätte. Anatole France , der enzyklopädistische Kopf", dessen Hirn Gestalten und löst fie in Menschlichkeit auf, wo das Testament ein- die Echazkammer sämtlicher Bücher der Welt sein soll, ist Gelehrter, feitig mit ihnen verfuhr. Die Bibelparaphrase wird zur Novelle. Philofoph und Boet zugleich. Die geniale Verbindung dieser Be Beffer gelungen als Judas Jichariot, die Titelnovelle, scheint mir gabungen zeigt uns vorliegender Roman. Reine Latinität, philofo Lazarus. Hier ist die Charakteristit gefchloffener, weniger zer- phische Diskussionen, alchemistische Abhandlungen, antite Sinnenluft, splittert. Die ästhetische Seite der beiden Erzählungen reicht nicht Humor, aus den Quellen der Weltweisheit ipringend, feinster Stil, an die künstlerische Konzentration des Buches: Die fieben alles fließt in dem Buche zusammen. Farbengesättigt, fprühend und Hentten" heran, ein Wert, das vom Herzen inspiriert wurde. blühend in der Fülle des geistigen Materials.

Ge­

Magim Gorki: Eine Beichte".( Verlag von Ladyschnikow, Berlin .)

D

Zum Schluß noch ein paar Bücher, die ins Gebiet der Kuriosa eingereiht werden müssen. Da ist zuerst der im Verlage von Hans v. Weber, München erschienene Schauerroman Dottor Diese schwärmerischen Gefühlsäußerungen find feine Beichte, wie erne" von Maurice Renard , deutsch von H. Lautensad. fie etwa Strindberg gab. Gorti gibt darin laum so intim Persön- Wir leben in der Zeit der Veredelungen. Wie das Tingel- Tangel liches, wie in seinen Landstreichergeschichten. Die Nachtasylstimmung veredelt wurde, wird nun der Hintertreppenroman veredelt. Man ist einem astetischen Fanatismus der Tugend gewichen, Tolstoi- Geist behält seine Prinzipien bei: Nervenreizung, Nervenspannung und weht aus den Blättern dem Leser entgegen. Der Held ist nur ein macht die Sache statt im Schundstil im artistischen Stil. Dieser Teil von Gorki selbst, d. h. nur das Gefäß Gortischen Denkens artistische und intellektuelle Schauerroman" Doktor Lerne" wird und Empfindens. Im übrigen eine frei erfundene Roman - vielleicht als ein Symptom unserer Zeit charakteristisch bleiben. gestalt, die fich aus der dumpfen Luft der Klostermauern Wissenschaftliche Konsequenzen, untermischt mit einer gehörigen zum lebendigen Geist der Arbeitenden durchdringt. Er hört mit Portion Erotik, werden ausgebeutet zum Zwede, auf die schlaffen feinem Ohr auf das Wehklagen der Welt, fieht die Laster und Sinne unierer Zeitgenoffen einen Rigel auszuüben. Mit Ungeheuer Qualen der Kreaturen und wird von dem schwarzen Gott der lichkeiten und Phantastik wird operiert, alles in einem ernsten, geifta Priester geschredt. Nichtsdestoweniger ist der Grundzug des Buches vollen Stil aufgemacht. Ein geheimnisvolles Haus, darin geheimnis eine start hervortretende Wortfrömmelei, die sich zu Tolstois Urs volle Menschen geheimnisvoll hantieren. Sie wechseln Gehirne aus christentum hinbewegt. Die Schilderung des Klosterlebens zeigt viel und die enipersönlichten Bivisektionspräparate werden in ihren fcharfe Beobachtung, das Kapitel vom Bruder Antonio steigt fast zur offulierten und eingeimpften Empfindungen und Verrichtungen vor geiftigen Höhe Boccacios. Am besten fönnte man diefen Beichten- geführt. roman mit Erziehung des Herzens" überfegen, ungefähr wie Flauberts L'education sentimentale". Denn er bandelt von einem starten Gefühlsleben, nur daß es bei Gorki nicht dem Geschlecht­lichen, sondern der Sehnsucht des Geistes, der gläubigen Seele gilt. Freilich hat Gortis Buch ästhetisch nichts gemein mit Flauberts un­vergleichlich fünstlerischem Lebensdokument. Wo bei dem Franzosen der fultivierte Geist vorherricht, spricht bei dem Ruffen das leiden­schaftliche Hera mit dem flammenden Gerechtigkeitsfieber. Seine Beichte gipfelt in einem Hymnus auf das große allmächtige Bolt, denn das Volk schafft Wunder und Schönheiten durch seine Kraft und durch die Mühial und Qual feines Suchens. Nimmt man das Gottfuchen" symbolisch, so intereffiert das Buch, hält man sich an Sie hypertrophisch christlich gefärbte Sprache, so ist es schwerer zu genießen.

EP

Ernst Schur: Einsame Siebe.( Berlag von Dester­Held u. Co., Berlin .)

Ernst Schur gibt diesmal tein Gedichtbuch, sondern ein Gedankenbuch. Einsame Liebe bedeutet, ganz prosaisch gesprochen,

Eine Utopie anderer Art ist der im gleichen Berlage erschienene Roman: Edisons Weib der Zukunft". Man kann sich auch diesen Unsinn, der hier Methode wird, ohne viel Worte vor stellen. Edison versucht, ein Weib, das einen schönen Körper und eine häßliche Liebe hat, seiner Wefenheit zu berauben, es mittels Licht, Elektrizität usw. als eigene Doppelgängerin neu anzufertigen. Da unsere Götter wissenschaftlich geworden, warum sollen nicht auch uniere Liebschaften wissenschaftliche werden? An Stelle der Evasa tochter das Weib ohne Eingeweide. Ein gefundenes Freffen für unsere Aestheten. Man braucht dann auch keine Bücher à la Schur vom Kinderkriegen oder nicht Kinderkriegen mehr zu schreiben. Der Zauberer Edison bringt natürlich das Kunststück fertig und noch ein größeres dazu: er heilt einen Menschen von der Liebe, indem Lord Ewald nicht mehr die lebende Frau, sondern nur die Maschine liebt. Das Buch ist raffiniert gemacht und verblüffend in seiner Phantasie.

J. V.

( Nachbruck verboten.)

Liebe obne Stinder. Sieſe Shedeviſe ist nicht neu, in Frankreich Eigenartige Weihnachtsgebräuche.

Wer hätte nicht schon vom skandinavischen Julklapp" und vom englischen Mistelzweig erzählen hören! Im folgenden sollen einige weniger bekannte, aber deshalb nicht weniger interessante Weih­nachtsfitten berichtet werden.

fogar fanttioniert, aber immer hat man dafür bis jetzt bolts­wirtschaftliche Gründe oder Eitelfeitsgründe, auch bloße Lüftlings- Die Norddeutschen haben keine zweite Festeszeit, die mit solcher gründe zur Hand gehabt. Schur faßt nun das Problem tiefer und Bewegtheit den werkeltäglichen Lauf der Dinge unterbricht, wie will in erster Linie eine neue Ehe. Es ist ein großes Ding, immer das Weihnachtsfest. Wohlverstanden: die Norddeutschen, denn das au 8weien zu fein! Nicht nur fort mich zu pflanzen, sondern liebe Weihnachtsfest erscheint durchaus nicht bei allen Deutschen hinauf dazu helfe euch der Garten der Ehe", sagt Friedrich in gleicher Gestalt, viel weniger noch bei allen Europäern. Niegiche. Und für jede Replik des Schurfchen Buches, in der er mit revolutionärem Mut den namentlich bei unferen leberweibern so beliebten Schrei nach dem Kinde" gegenübertritt, kann man weiter bei dem Philosophen der Herrenmoral ein Analogon finden. Wie Diefer, wirft er die Frage wie ein Sentblei in die Seele des Lesers: Der Großstädter, der des Abends durch eine Flut vielfarbigen Bist du der Mensch, der ein Kind sich wünschen darf?" Er führt Lichts schreitet, hat des Winters unfruchtbare Finsternis über­die bloße Fleischeswollust, wie Niegiche, auf ein erbärmliches Bes wunden. Nicht so das Landvolk. Für den Bauern ist der Wende hagen , auf einen Schmutz der Seele zu zweien zurück und versucht punkt des Jahres, an dem die Sonne wieder höher steigt, ein be­es, den Menschen lieben au lernen. Aus der fleinen jubelnswertes Ereignis, und nicht nur zufällig bat das Chriften geputzten Lüge der Menschen, die fie Ehe die fie Ehe nennen, eine tum sein höchstes Fest mit diesem Zeitpunkt verschmolzen. Kunst zu machen, die Kunst, im Zusammenleben zur Des Acerbürgers Wohl und Wehe ist mit dem Gedeihen der Beriönlichkeit au reifen. Das Kind aber tritt nach Schurs Bäume, der Feldfrucht eng verknüpft, deren Ersprießlichkeit zum Räionnement, das ftellenweise dem Näfonnieren gleichfommt, hindernd überwiegend größeren Teil nicht von ihm, sondern von Natur­awischen Mann und Beib, Es fordert Kräfte, die fie für sich gewalten abhängt, denen er ohnmächtig gegenübersteht. In vor­brauchen. In diesem Schurichen Individualitätstultus stedt viel chriftlicher Zeit suchte man die als Dämonen gedachten Natur­Renaissancegeist, den unser Jahrhundert des Kindes schwerlich ver- gewalten durch allerlei Opferfulte zu besänftigen, deren Ausübung tragen wird. Die Heraufadelung der Menschheit, die Schur erstrebt, sich so festgewurzelt hatte, daß einige dieser Kulte sich als Sitten braucht nicht durchaus die Ausschließung des Kindes zu erfordern. von verschwommener Symbolik noch heute an den drei großen Festen Aber auch wer sich mit dem Standpunkt: Einsame Liebe" nicht zu des Jahres, Ostern, Pfingsten und Weihnachten, nachweisen lassen. befreunden bermag, wird mit leberschlagung der dozierenden Stellen, Der Unterton dieser Sitten ist gewöhnlich eine versteckte Bitte an der Einkleidung der propagandistischen Jdee Freude finden. Neben um reichen Erntejegen. So streichelt die mährische Bänerin ihre dem leichten Berstandeshauch der Reflexion, ein warmer Odem Obstbäume mit den vom Kneten des Weihnachtsteigs noch flebrigen dichterischen Gefühls. Ein Gesang am Meer! Schur hat das Händen, und sagt dazu:" Bäumchen, bringe viele Früchte!" In Schauen gelernt, und alles wird ihm zum Bild. Wie er Waffer derfelben Gegend springt und tanzt man in der Silvesternacht um und Wonen, Luft und Licht, Sonne und Wolfen schildert, das er die Obstbäume, wobei der Vers gesungen wird: