Serie gcnlieU fein, wenn man daS Rätsel lösen soll, wie die Bewegimgsgeseye so schreckliche Katastrophen in.der besten unter den mvglicben Wellen" hervorbringen.... Welch trauriges Zufalls- spiel ist doch das Spiel des menschlichen Lebens I Was werden die Prediger sagen, wenn anders der Palast der Jnquifilion stehen ge- blieben ist. Ich schmeichle mir wenigstens mit der Hoffnung, daß die hochwihdigen Bätet Inquisitoren zerschmettert find gleich den anderen Leuten. Das würde die Menschen lehren, Menschen nicht zu verfolgen. Denn während ein paar geweihte Lumpen einige Fanatiker verbrennen, verschlingt die Erde die einen wie die anderen." In einem anderen Briefe aus diesen Tagen heißt es:»DaS ist ein furchtbares Argument gegen den Optimismus.... Das Wort Popes:«alles ist gut" ist ein wenig hergenommen..." In weniger als drei Wochen hat Voltaire sein»Gedicht über daS Unglück von Lissabon" vollendet, das die Frage nach dem Wesen des Uebels erörtert, alle von den Religionen und von den Philosophen darauf gegebenen Antworten prüft und verwirst und schließlich bei dem Skeptizismus Vahles endet, der«zu zweifeln lehrte und. zu weise und zu groß, um selbst ohne Sstnem zu bleiben, nachdem er die der anderen zerstört hatte, sich selbst be- kämpfte". Immerhin zögert er noch, der geoffeubaiten Religion den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Er sagt:.Eines Tages wird alles gut sein, so spricht unsere Hoffnung. Alles ist heute gut. so spricht unsere Illusion" und in einer Anmerkung zu den Versen führt er aus:Die Offenbarung macht diese Hoffnung zur Gewißheit". Einige Jahre später allerdings erweitert er die Anmerkung und enthüllt feine ganze Auffassung:«Aber wie wider- wärtig ist es doch, noch alle Tage über die Offenbarung disputieren zu müssen, die christliche Gesellschaft ungesellig, in hundert Sekten zerrisien zu sehen um der Offenbarung ivillen, einander zu verleumden, zu verfolgen und zu vernichten für die Offenbarung!... O Gott, offenbare uns doch einmal, daß wir menschlich und duldsam zu sein haben!" Das Voltairesche Jabr- gedicht mit seiner pessimistischen Tendenz brachte Rousseau so auf, daß er in einem polemischen Briefe darauf antwortete. Seine theologischen Argumente sind nicht eben tief: Wenn Gott existiere, sei er vollkommen, zur Vollkommenheit aber gehöre Weisheit. All- macht und Gerechtigkeit. Aus der Weisheit und Allmacht Gottes folge wiederum, daß alle? gut sei. In dieser Beweisführung wurde Voltaire also ein unausgesprochener Atheismus unterschoben, eine Verdächtigung, die er zum wenigsten seiner Ruhe wegen nicht liebte. Die Hauptsache für Rousseau aber war indes die Beziehung �u seiner S o z i a l p h i l o i o p h i e, die er der Katastrophe abgewinnen konnte. Die Zerstörung Lissabons war ihm ein willkommenes Anklage- Material in seinem Plaidoyer gegen die Gesellschaft wegen ihrer Abkehr von der Natur:.Gestehen Sie, daß es nicht dieNatur war. die in Lissabon MOOO sechs- und fiebenstöckigeHäuser bereinigt hat, und gestehen Sie weiter, daß der Schaden viel ge- ringer, vielleicht überhaupt nicht dagewesen wäre, wenn die Be- wohner dieser großen Stadt gleichmäßiger verteilt und in weniger schwerfälligen Bauten untergebracht gewesen wären." Und um die ganze Verderblichkeit der Kultur für das menschliche Glück zu zeigen, erklärt er, daß das Schicksal der Verschütteten nicht einmal das schlimmste sei:«Viele von ihnen sind zweifellos noch größerem Un- glück entkommen.... Gibt eS ein traurigeres Ende als das eines Sterbenden, den man mit nutzlosen Bemühungen überhäuft, dem Notar und Erben keinen Atem lassen, den die Aerzte nach ihrem Gutdünken im Bett ermorden und dem barbarische Priester mit Raffinement den Tod auskosten lassen? Was mich betrifft, so sehe ich überall, daß die Nebel, denen die Natur im? unterwirst, weniger grausam sind, als diejenigen, die wir dazufügen." Voltaire setzte die Polemik zunächst nicht fort und schrieb Rousseau einen sehr schmeichelhaften Brief, worin er bedauerte, durch verschiedene äußere Umstände verhindert zu sein, philosophische Diskussionen zu pflegen, die dochnur Amüsements" seien. Seine Antwort erschien erst drei Jahre später. Sie war sein bestes satirisches Werk, der«C a n d i d e". In diesem Roman spielt das Erdbeben von Lissabon eine wichtige Rolle. Candide ist ganz offenbar die Fortsetzung und der Abschluß des Lehrgedichts. Das Erdbeben von Sizilien wird sicher keine so tiefen Spuren in der Literatur zurücklassen. DaS hängt zum Teil mit dem wissen- schaftlichen Fortschritt des letzten Jahrhunderts zusammen. Die Arbeit der Geologen hat unS Gesichtspunkte eröffnet, von denen aus das Urteil auch der fortgeschrittensten Denker jener Zeit naiv er- scheint und auch die religiöse Kritik ist über ihre kindliche Argu- mentation hinausgekommen. Aber mag die heutige Naturwissenschast uns mehr zu lernen geben, so fehlt der bürgerlichen Kultur von heute die Energie, womit ihre Vorgängerin den Zusammenhang der Katastrophe mit dem Leben gesucht hat. llllachdrucr verboten.) Die obcrfcMclircbeii Zinkblittcn. Von Hans O st w a l d. Greller roter Schein spiegelt sich in den Nachtwolken. Gewaltige Schatten ragen das sind Hochöfen, deren schwarze Schatten wie Säulen mit sprühendem Knauf in rastloser Folge neue Formen annehmen. Durch bläuliche Streifen strahlen weißglühende Funken- angen. Rötliche Kugeln tanzen auf den Spitzen der Flammen» zungen, die grellgelb, braunrot herauslecken aus der dichten Feuer- masse schwarzer Rauch drängt sie auseinander. Wieder sprühen weißliche Funkenaugen, rötliche Kugeln und immerfort wechselnde Flommenzungen. Verlöschend fallen die Funken wie abgestorbene Blätter. Die glühenden Rußfetzen zerflattern. Schwarzer Rauch rieselt über die Erde. Wie glühende Schildkröten lagern langgestreckte Hüttenwerke, aus deren breiten, abfallenden Dächern feuriger Qualm dringt, Funkenschwärme aufflackern und durchleuchteter Dampf aussteigt. Die großen, von der Erde bis zum Dach reichenden Fenster scheinen zu brennen. Reihenweise liegen diese Ungetüme beieinander. Aus einzelnen winden sich mannsstarke Röhren, In rechtwinkligen Ecken gebrochen, schräg durcheinandergezogen, schlingen sie sich wie riefen» hafte Schlangen um die Gebäude. Kleine Häuser. Wagen, Trag- stangen umgeben die Bauten, kaum zu erkennen in dem flackernden Zwielicht den den tiefen Schatten. Ueberall flammen die grünlichen und schwefelgelben Lichter der Hochöfen auf; aus den Zinkhütten strahlen sie weihlich, aus den Koksöfen rot und feurig bald auf einem Hügel, bald in einer Senkung. Auf allen Seiten rollen Eisenbahnen über die zerrissene Erde. Weiterhin huschen elektrische Straßenbahnen vorüber und spiegeln sich in den stumpfen Flächen der Grnbenteiche. So liegt die südöstliche Ecke des Deutschen Reiches zur Nacht- zeit vor den Augen des Reisenden. Es ist ein sonderbares Stück Erde - der oberschlcsische Berg- und Hüttenbezirk. Ganz Deutschland hat kaum eine gleich merkwürdige Gegend aufzuweisen. Von Gletwitz bis jenseits von Beuthen bestimm'en die Hütten, die Scbächte, die Grubeneingänge, die Fabriken, die Schutthalden, die Schlackenberge und zahllose, kreuz und quer laufende Eisenbahnwege das Landschaftsbild. Dazu kommen ein» gesunkene Felder, quadratische Teiche voll schwärzlichem oder schwefligem Gruben- und Hüttenwasser, zu Bruche gegangene Wiesen, aus deren zerklüfteten Rändern gelbe Erde lugt tot, ohne Grasnarbe weite Strecken wie eine Wüste. Trotzdem ist dies industrielle Schlesien welk davon ent- feint, so arm zu sein wie eine Wüste. Und über die Verwüstung des alten landwirtschaftlichen Bildes des oberschlesischen Plateaus strömt ein Leben, wie es eine Wüste nicht kennt. Die Bevölkerung einer Großstadt hastet aus diesem Fleck durcheinander. Mehr als sechsmalhunderttausend Menschen wohnen auf etwa vier bis fünf Ouadratmeilen zusammengedrängt in fünf Städten und einer ganzen Reihe Dorsscbaften und ähnlicher Orte, die lange schon die Bevölkerung einer Stadt besitzen. Einen besonderen Reiz geben dieser nur wenig hügeligen Land- schaft, in der man kaum ein solch reichhaltiges, bergtechnisches Leben erwartet, die Zinkhütten. Sie produzieren fast die Hälfte des ge» samten jährlich auf der Erde erzeugten Zinks und werden in Deutschland von keinen anderen Zinkhütten erreicht. Am Tage unterscheiden sie sich wenig von den anderen Hütten» werken. Langgestreckte Häuser, aus deren schrägen Giebeldächern Schornsterne in regelmäßigen Abständen reihenweis bervorragen wie feuerspeiende Zäune einzelne gewaltige Riesenschornsteine da- zwischen, die bis in den Himmel zu klettern scheinen kleine Lokomotiven, die Wagen mit Koblen und Erz zwischen den Ge- bänden hin- und herstoßen Schutthalden, Koblenhaufen, Erz­Hügel das ist das äußere Bild jeder Hütte. Nur daß das Erz der Zinkhütte so unansehnlich und wertlos aussieht, wie kieseliger Sand. Dieser Sand aber enthält vierzig Prozent des kostbaren Metalls. Abends wird das Bild der Zinkhütte weit malerischer und bunter. Aus den mehrere Meter unter der Erde liegenden großen Rösten der sich fast unter das ganze Schmelzgebäude meterhoch hin- ziehenden Kohlenglut leuchtet es weißrot berauf und hüllt die dort arbeitenden Heizer in ein flimmerndes Licht. Wie Höllenknechte bewegen sich die schwarzen Gestalten von dem Rost hinauf nach dem Schacht, in den sie immer und immer wieder zerkleinerte Kohle schütten. Das Innere der Hütte, die auf dieser Glut steht, ist von einer mörderischen Hitze erfüllt. Der Mittelbau, in den die das Erz enthaltenden Muffeln eingemauert sind, scheint vor Glut bersten zu wollen. Zischend fährt ein bläulichgelber Dampf aus kleinen Oefsnungen. Kannenartige Blechgefätze, die vor den Oeff- nungen liegen, fangen ihn auf und ziehen auch aus ihm noch einen Teil Zink. Die Schornsteinreihen aber sind in der Dunkelheit zu magisch leuchtenden Fackeln geworden. Bald steigt es bläulich, bald schwese» lig aus ihren Röhren, bald züngelt es rot empor. Es siebt aus, als würde hier der menschlichen Arbeit eine feierliche Facke'parade gebracht. Dazu schießen aus den Oefen, in denen die Muffeln ge- trocknet und gebrannt werden, die hellen Flammen. Von allen Seiten leuchtet es durch daS Halbdunkel in allen Farben. Hinweg über die schwarzglänzende Kohle, über die grünlichgrauen Schutthalden, über die gelben Erzhausen und über die beschmutzten, schwitzenden Menschen, die in diesem höllenartigen Gewirr rastlos Hirt und her eilen Tag und Nacht und Nacht und Tag. Nie rubt in der Hütte die Arbeit. Die Hüttenarbeiter, Männer und Frauen, wechseln sich schichtweise ab, und immer neue treten an die Stelle der Abgematteten und Müden. Mit dem Schmelzen des Metalls in den Muffeln ist die ganze Arbeit natürlich nicht getan. Zuvor muß das Material noch mcbrere Prozesse durchmachen. Zuerst wird es in einen Raum gekarrt, unter dessen eisernem Fußboden die glühende Luft hin» zieht, die aus dem Schmelzwerk kommt, lleberbauvt fast die