-

Laternenschein warf zitternde Kringel und blanke Flecke auf das schwarze schaufelnde Waffer. Die Wellen gludsten an der Mauer des Kai. Eine feuchte Kühle stieg auf.

Die einsamen Schritte der beiden hallten gedämpft. " Du," sagte Trude plöblich und lachte leise, die Annchen hat noch' n Dusel gehabt, daß der verrückte Bruder sie er­schoffen hat."

Nein. Darin liegt ja gerade der Fehler des Stücks," belehrte Leo.

-

Nanu? Warum denn ein Fehler? Sie fann doch nich ins Wasser gehn? Das ist viel zu gewöhnlich. Puh, das tun ja die meisten! Weißt Du, ich hab' auch eine gefannt fie tam oft zu meinen Eltern ins Geschäft faufen die is nich weit von der Potsdamer Brüde in den Landwehrfanal gesprungen. Ihr Bruder hat nachher ihre Sachen bei uns auf der Straße an Grummachs verkauft, in dem Trödelladen. Da hingen sie lange im Fenster. Greulich!" Sie schauerte zusammen. Wie fann man bloß?!"

Laß doch das dumme Gerede," sagte er, unangenehm be­rührt. Das ist ja ungemütlich. Ne!"

Sie lachte wieder und dann blieb sie mit einem Ruck stehen und hemmte so auch seine Schritte. Mit einem Laut, halb Lachen, halb Seufzer, warf sie plöglich beide Arme um feinen Hals und füßte ihn ungeftüm.

Ach--- 1"

90

-

Borbei war's mit der behaglichen Sammlung des Schreiber­Gefreiten, seine Arbeit wollte nicht mehr vonstatten gehen, er las jeden Satz zehnmal, ohne ihn behalten oder auch nur seinen Sinn erfaßt zu haben, verschrieb sich, warf den Bogen wütend in den Papierkorb, begann dann von neuem, um bald darauf zu bemerken, daß der dritte Sah schon wieder zweimal auf dem Papier stand.

Draußen hatte sich inzwischen ein Teil der blauen Jungen zur Mittagstafel niedergelassen, an der es laut und heftig herging. Man stritt sich aufgeregt über die Frage, ob Willen Behne, der Zimmermann, schon in Amerifa gewesen sei oder nicht. Dieser war nämlich vor seinem Eintritt Schiffszimmermann gewesen und hatte manche Fahrt gemacht. Und der Schneider behauptete, Willem habe schon die Geftade der neuen Welt gesehen.

Nee", jagte Willem bescheiden, in Amerifa war ich noch nicht, meine weiteste Fahrt war bis nach Hoboken ."

Aber Mensch, dat liegt doch in Amerifal" Willem antwortete in verächtlichem Tone: Na, ich war doch Sa un wer't toll wissen, wo't liecht. Dichte bei Neujort liecht et." Ehrfurchtsvoll schwieg die Tafel einen Augenblick, nur der Echneider lachte unbändig. Da ertönte wieder der jammernde Ruf: Mei Hurn! Wo is fich mei Hurn!"

Ganz nahe bei dem schreibenden Gefreiten in der Kabine, hinter der Pretterwand des Schrantes, ließ sich jetzt ein halb er tidter, blökender Ton hören, der gleich darauf in ein abscheuliches Garauf einschließen lassen und blies jetzt dem rechtmäßigen Befiher alfett umschlug. Ein Spaßvogel hatte sich mit dem Horn in den des Instruments etwas vor, so gut er's eben fonnte.

M

Picha greff, mach uff, sunit schlog ich Schranktüre entzwei! " Trude, ne, aber Trude, wenn einer fommt!" Er jah Hob ich doch Dinnst! Deifel!" sich scheu um. Hier kann uns ja jeder sehn!" Wieder tönte das Horn und dazwischen das Gelächter der

s mir ganz egal," lallte sie und verbarg den Kopfschmaufenden Krieger. Die Unteroffiziere, die sich eben zur Ent­an seiner Brust,

1]

( Fortsehung folgt.]

( Nachdrud verboten.)

Huf Nachtpoften.

Erzählung aus dem Soldatenleben von Wilhelm Hellwig­Der lange Johann Reumann trippelte verzweifelt in der Stube umber und jammerte oder schimpfte mit seiner dünnen Stimme halb in polnischer, halb in deutscher Sprache. Johann war nämlich trop feines deutschen Ramens ein Stodpole aus der Gegend von Radzionkau , und mit der deutschen Sprache hatte er sich ungeachtet feiner nun fast schon einjährigen Militärdienstzeit noch nicht recht vertraut machen können.

Wo is fich Surn, mei Surn? Wer hot fich genummen Surn? Hob ich Dinnst um holb zwei und noch nicht gepust! Mei Hurn!"

Rein Mensch hörte auf den unglüdlichen Spielmann@ eleven, der sein Jastrument nicht finden fonnte, und fein schwacher Distant vermochte nicht, das Doppelfonzert zu durchdringen, das der vor­trefflich ausgebildete Tambour Hecht und der Schuster- Franz ge­meinsam auf ihren ledernen Inftrumenten zum besten gaben; diejer brachte auf seinem Kalbfell einen wunderbar abgetönten Abend gebet- Wirbel" zum Vortrag, jener sekundierte ihm, indem er mit dem Schusterhammer auf ein über den Feldstein gezogenes Etüd Leder herumpaufte, um es zu erweichen.

Stvar ein Lied, das Stein erteidjen, Menschen rasend machen kann."

Dies fann natürlich nur auf Menschen mit verweichlichten Zivilohren bezogen werden. Das gegen rauhe Töne abgehärtete Trommelfell des Durchschnittsmusketiers empfindet dabei nur einen gelinden Kikel.

In der durch Schränke abgeteilten Schreiberfabine saß nun aber solch ein vertreichlichtes Menschenfind, in deffen Ohren bei jedem Trommel- oder Hammerschlag Nadelstiche fuhren. Obgleich feine Dienstzeit sich nur noch nach Wochen bemaß, und er mithin fein Neuling mehr in der Kaferne war, hatte er sich doch in den Testberlebten zwei Jahren gegen solche Gewaltgeräusche in der großen, widerhallenden Mannschaftsstube nicht immun machen fönnen. Doch er durfte von seinen Empfindungen weder den beide Künftlern, noch den fonftigen Kameraden eiwas merfen lassen, sonst hätte er die ganze Belegschaft gegen sich gehabt, und das war mißlich.

Aber wütend war er! Nach einem recht gemütlichen Vormittag, an dem er vom Dienst dispensiert gewesen war, um einiges un­auffchiebbares Schreibwert zu erledigen, hatte er in der Kaserne gut gefrühstückt, ein Weilchen vom Treppenfenster aus schadenfroh dem Drill unten auf dem Kafernenhofe zugeschaut, und dann fich wieder in fein Bureau begeben, um den mittäglichen Barolebericht, ben er in ein großes Buch einzutragen hatte, vorzubereiten, damit es nachher, wenn der gestrenge Herr Feldwebel hungrig, durftig und ungeduldig von der Dienstausgabe herauffam, recht glatt und schnell vonstatten ging. Es war so idyllisch ruhig hier oben gelesen in der leeren, großen, von der Morgensonne hell erleuchteten Stube, bis der Dienst unten zu Ende war und die Kameraden wie die wilde Jagd heraufgeftürmt tamen. Nun ging sogleich ein Höllen­Spektakel! os, der je länger dejto ärger wurde.

gegennahme der neuen Dienstbefehle in der Feldwebelstube ber­fammelten, lachten mit.

" Wirst mei Hurn verblose, krieg ich nochher Schuld", heulte Johann.

Plötzlich wurde die Stubentür so energija) aufgestoßen, daß sie gegen den Schrank flog, der Ruf Aufstehen" ertönte und die Leute schoßen von ihren Siken empor. Mit einem Schlage war's in der Stube still.

Der gefürchtete Feldwebel trat ein, das Befehlsbuch zwischen dem zweiten und vierten Rodfnopf. Er stieß mit der Degenſcheide fräftig auf die Dielen, überflog mit einem Falfenblick die An­wesenden und den ganzen Raunt und ging dann finster und brummend in die Schreiberabteilung, wo der Gefreife eifrig an dem Paroleschema arbeitete.

Leise wurde draußen die Schranktür aufgeschlossen, und Neu­mann erhielt fein geliebtes Instrument zurüd.

Ra, alles so weit fertig?" wandte fich der Gestrenge an den Schreiber, den Säbel abschnallend und in die Ede stellend.

Ich bin gleich fertig", suchte jener ihn zu beschwichtigen. Feldwebel Echrader schaute auf das Blatt und mußte dort allerdings bemerken, daß die Arbeit noch nicht halb getan war. So! Da tommt man vom Dienst und freut sich darauf, daß der Schreiber, der den ganzen Morgen gemütlich hier oben gesessen hat, alles hübsch fertig haben wird.' Rollen Hui! Jeht seht sich der alte Feldwebel gefälligst selber hin und schreibt, wenn er die Barole überhaupt fertig haben will. Das ist ja recht nett von Ihnen, Herr Gefreiter, ich glaube, es geht Ihnen zu gut, mein Sohn. Na, warten Sie, dem fann ja abgeholfen werden. Heut abend werden Sie mal auf Nachtposten ziehn, damit Sie auch mal wiffen, was es eigentlich auf fich hat, Soldat zu sein. Das wird Ihnen gut tun. Na nu los! Schreiben Sie zu!"

Martin erledigte möglichst schnell die Sache und hoffte, daß es der Gestrenge bei der Drohung bewenden lassen würde. Denn die Rommandierung zum Nachtposten galt als etwas geradezu An­rüchiges; fie erfolgte meist nur als Strafe für Leute, die für Bater Bhilipp noch nicht so ganz reif waren. Auch hatte diese Art von Bostenstehen noch weit mehr unangenehmes an sich, als der eigent liche, ordnungsgemäße Wachtdienst. Dieser befreite doch wenig stens auf vierundzwanzig Stunden von allem Kajernendienst und Egerzierdrill, der auf Nachtpoften kommandierte Mann aber tat Dienst bis zum Abend, zog dann auf die einsame Nachtwache, unt am frühen Morgen wieder in die Front zu treten und zu egerzieren wie jeder andere, der die Nacht hindurch geschlafen hatte. Run begann die Dienstausgabe.

Morgen früh neun Uhr: Schießstandrevision der Stände eins bis sechs. Zum Harken und in Oronung bringen von Stand awei und drei stellt die elfte Kompagnie, also wir, heut Nachmittag einen Gefreiten und neun Mann!"

Sirr!", brüllte draußen Johann Neumann und fam eiligst in die Kabine gestürzt. Er glaubte bei den neun Mann" des Feldwebels seinen Namen im Munde des gefürchteten Borgefehten gehört zu haben.

"

13

Feldwebel Schrader warf ihm einen unbeschreiblichen Blick aur. Dann jagte er ruhig zu dem nächststehenden Sergeanten: Fragen Sie mal den Kerl, ob er verrüdt ist." Dieser aber fragte erst gar nicht lange, fondern stieß den vers dukten Mann zur Gittertür hinaus, indem er ihm zuzischelte: Willst Du raus, verd Bollade? Raus! raus!"

Erstaunt und gar nicht wissend, welches Berjehen oder Ver brechen ihm zu dieser schnellen Beförderung verhalf, flog der arme