Jokann zwischen die drangen lauschenden Kameraden zurück, die jnühfam ihr Lachen unterdrückten und ihn aufsingen. Aus Rachtposken in der Zitadelle ziehen heute abend an Stelle der früher hierzu kommandierten Leute: Gefreiter Martin und Musketier Neumann. Martin geht zuerst mit den Schietzstanos- arbeitern zum Ausräumen der Stände zwei und drei, führt dort die Aufficht. Abmarsch: Halb zwei Uhr vom Kasernenhof. Wehe Ihnen aber", wandte er sich dann an den Gefreiten persönlich. ..wenn morgen bei der Revision aus den Ständen etwas nicht in Ordnung befunden wird? Sie sollen mal kennen lernen, was'ne Harke ist. Sic nehmen beim Abmarsch Gewehr. Helm und Patronentaschen mit, so dag Sie gleich im Wachtanznge find und direkt vom Schießstand nach der Zitadelle gehen können� Ver- standen?" ,.Zu Befehl." Sagen Sie dem wachthabenden Unteroffizier Pätzold, daß er Ihnen die erste und dritte Rummer geben soll, so daß Sie von zehn bis zwölf und von zwei bis vier zu stehen haben. Sie werden also um vier Uhr abgelöst, kommen hierher in die Kaserne und ziehen sich um. Tann gehen Sie mit der ersten Tchießabteilung hinaus zum Schießstand, um zu schreiben. Haben Sie mich verstanden?" »Zu Befehl." Run marsch, machen Sie sich fertig, um halb zwei Uhr mar- schieren Sie los. Ich mache mir die Parole nun selbst." Das ist ja nett", dachte der Gefreite,da komme ich vor morgen abend zu keiner freien Minute. Kaum kann ich an Essen und Trinken denken, von Schlafen gar nicht zu reocn!" Eine Viertelstunde später marschierte Mariin an der Spitze Von neun Mann zum Kasernentor hinaus. Wie gut. daß er reich- lich gefrühstückt hätte, denn zum Mittagessen mar ihm keine Zeit mehr geblieben. Gegen neun Uhr abends kam die Kolonne müde gcarbeLet vom Schießstand znriickmarschiert. Es toar ein wunderschöner. sonnenheller Tag gewesen, und die Tomtürme zeichneten sich drüben jenseits der Elbe scharf vom hellen Abendhimmcl ab. Gern wäre der Gefreite mit den aicderen hier draußen in goldenen Abendlicht wcitermarschiert, der Kaserne, der Ruhe zu, aber der Befehl bannte ihn hinein in das duntle Zitadellentor an der Bastion Kronprinz. Bor ihm ließ Martin halten, übergab die Führung der Arbeiter einem anderen älteren Manne, und schritt über die Zugbrücke nach dem Wachtlokal, das gleich am Eingänge hinter dem Torbogen lag. Er meldete sich beim Unierosfizier Pätzold, dem Wachthabenden. der einer von den wenigen llnterossiziereu war. die von der Mannschaft, weniger freilich von ihren Borgesetzten, geachtet und geliebt wurden. Neumann war bereits anwesend. Es blieb noch Zeit, eine hastige Abendmahlzeit zu verzehren, dann rüstete sich der Gefreite zum Aufziehen und schritt hinter dem Aufsührendcn den Kasematten zu, in denen die Arbeitssoldaten logen. sFortsetzjmg folgt.) (Rachdruck WrSotexJ Die Rachitis als lozlalc Krankheit Von Dr. me<I. H. Leo Günther.- Der englische Arzt Glisson hat in einem Buch, das IWO erschien, zum erstenmal das Krankheitsbikd der Rachitis loisscnschaftlich dar- gestellt. Sie führt deshalb auch den Ramen: Englische Krankheit. Sie kömmt jedoch in England nicht häufiger vor als bei uns oder in anderen kultivierten Ländern. Tic Rachitis ist als ein« tief- gehende Störung des Stoffwecbfels und der Ernährung anzusprechen, die sich namentlich im jugendlichen Knochengewebe festsetzt. Im Anfang des menschlichen Lebens gibt es eine Zeit, in de: MnSkeln. Nerven. Blutgefäße, Gehirn, Röckenmark usw. bereits wohl ausgebildet find, vom Knochen aber noch keine Spur vorhanden ist/ Das Skelett besteht aus Zlnorpelgewebe. Allmählich beginnt teils von innen aus, teils von außen her durch Verkalkung� der Grundsnbstanz und Bildung der Knochenzellen das Knorpelstütz- aerüst zu verknöchern. An den Röhrenknochen der Gliedmaßen der- knöchert zuerst daS Mittelstück, hierauf fängt der Nerkalkungsprozeß in den beiden Enden an. In gewissen Fall«, nun kommt es im weiteren Wackisen der Knochen zu Hemmungen und Störungen. Das innigebildete Knochengewebe verkalkt und verknöchert mangelhaft. Die Knochen der Gliedmaßen werden namentlich an den Endteilen dick und krumm. So bilden fich die berüchtigten O- bezw. X-Beine. Die Handgelenke schwellen so stark an, daß man vondoppelten Gliedern" spricht. Das Brustbein wöllck fich kahnförmig vor«die sogenannte Hühnerbrnsti, und die knorpeligen Rippenansätze zeigen knotige Austreibungen(den rachitischen Rosenkranz). In anderen Fällen lokalisiert sich die Rachitis vorzugsweise an d«r Wirbelsäule. die nach hinten und seitlich verbuckelt. Auch die Beckenknochen der- ändern ihre Form, sie werden platt. Alle diese rachitischen Erschei- Hungen werden oft schon in den ersten Lebenötagen oder Lebens- Wochen beobachtet, aber sie entstehen immer erst nach der Geburt, Die Rachitis ist niemals wirklich angeboren. Gewöhnlich jedoch zeigen fich diese Knochenveränderungen zur Zeit des ersten Zahn- durchbruches, also innerhalb des 7. bis 30. Lebens Monates. Die Rachitis ist mithin ausschließlich eine Krankheit des frühen Kindesafters Tie eigentliche Ursache dieser KnocheuwachstumZstörung hat man noch nicht aufgedeckt. Die Meinung, daß die Rachitis eine Infek» tionSkrankheit sein könne, gilt als widerlegt. Auch nicht ein« bc- sondere Form der Ernährung kann an der EntWickelung der Eng- lischcn Krankheit schuld sein. Denn man hat vergeblich versuch!, bei Tieren durch kalkfreies Futter diese Knochenkrankheit cxperimen» tell zu erzeugen. Aber die Kenntnis der Tierrachitis wirst ein Licht auf daS Wesen dieser Krankheit. Bekanntlich können fast alle Tiere an Rachitis erkranken. Sie ist das Kreuz der zoologischen Gärten. Einige Forscher wollten dafür die kochsalzarme Nahrung derant- wortlich machen. Doch so war es nicht. Man gab nämlich jetzt den Tieren reichlich mit Kochsalz durchsetztes Futter, aber sie wurden auch rachitisch. Dagegen findet man die Rachitis niemals bei wild lebenden Tieren, auch nicht bei den Affen, die in der Gcfangensckaft am häufigsten daran erkranken. Der bekannte Pathologe Professor v. Hansemann hat viele tausend Affcnschädel des Berliner zoolo- gischen Museums daraufhin studiert. Unter allen Schädeln von in der Freiheit erlegten Tieren fand er nicht einen, der Spuren von Rachitis auswies, wohl aber bei fast allen, die jung gefangen worden und längere Zeit in den zoologischen Gärten gelebt hatten oder dort geboren worden waren. Desgleichen weist Professor d. Hansemann nach, daß man auch bei unkultivierten Völkerrapen vergeblich nach Fällen von Rachitis suchen werde. Auf Grund seiner vieljährigen Forfchungcn kommt der berühmte Patbologe zu neuen Anschauungen über das Wesen der Englischen Krankheit. Er meint, daß sie bei den Wenscben in ähnlicher Weis« entsteht wie bei den Tieren unserer zoologischen Gärten, nämlich, daß sie ans Mangel an frischer Luft und freier Bewegung zurückzuführen ist. Einen Beleg für seine These liefert Japan . Tort blüht eine hohe Kultur, die Rachitis aber kennt man nicht. Das macht die hygienische Kinderhaltnng. Man schnürt die Babys nicht wie ein Biundel Heu ein. sondern läßt den winzigen Beinen und Armen das natürliche Recht, fich zn rühren. Dann bringt man auch die Kinder sehr viel an Licht und Lust. Ferner find auch die im Holz- stil aufgeführten japanischen Häuser mit den papiernen Fenstern die reinen Lustbäder. Noch eine weitere Beobachtung bestätigt die Richtigkeit der Hansemannschen Ansicht. Hierzulande entwickelt sich die Englische Krankheit besonders im Herbst und Winter. Am meisten neigen die Kinder zur Rachitis, die in der feuchten, kalten Jahreszeit geboren werden. Die Gründe liegen klar zutage. Diese Herbst- und Winter- babys kommen eben fast gar nickt an die Luft oder werden höchstens. bis über die Ohren fest einband agieri, in lustundurchläffigen, dicht verhängten Kinderwagen ausgeführt. Dir Rachitis geht vorwiegend in den Ardeiterguartieren um. In den hohen, eng anein- ander gebauten Steinhäusern mit Seiten- und Ouergebäuden, mit kleinen, finsteren Höfen und Keller- und Dachwohnungen. Diese Wüste von Ziegelsteinen hemmt eine tüchtige Lustbewcgung. In schlecht ventilierten Stuben liegen die gewickelten Säuglinge aus heißen Psüblen und saugen mit dem McHerduft und der Grabes- lust den Keim der Rachitis ein. Die moderne Hygiene macht nur mobil zum Kampf gegen die Welt der unsichtbaren Bazillen. Mit neuen Sera will sie die Menschen vor den schrecklichen Infektionskrankheiten schützen. Da- bei aber vergißt fi«. daß noch andere Leiden schwer aus der Mensch- heit lasten. Tarum würdigt sie auch wenig die soziale Bedeutung der Rachitis für das allgemeiwe Wohl. Tie Englische Krankheit ist nicht«in Würgengel wie die Diphtherie. Die Lebenschancen der kleinen Patienten stehen an und für sich nicht so schlimm. Tie Rachitis zieht fich oft durch mehrere Jahre, kann aber vollständig ausheilen. Indes sind das nur die leichten Fälle, wo ein« geringe persönliche Neigung zur Eniwickelung der englischen Krankheit vorliegt. Oder wo besonders günstige äußere Verhältnisse alle Heilpatenzen ins Treffen führen. Anderseits scdoch bedrohen andere Krankheiten das Leben der rachitischen Kinder; ganz besonders sind eS Lungenentzündungen, Magendarmkotarrhe und die sogenannten Kinderkrankheiten, Masern. Keuchhusten usw. Man bezeichnet sie gewöhnlich als Nebenerkrankungen. Das ist falsch. Diese Krankheiten find nicht zufällige Begleiterscheinungen, sondern sie gehören zum Krankheits- bild der Rachitis und find ein wesentlicher Teil davon. Masern und Keuchhusten z. B. haben an fich nichts Bösartiges und Lebens- gefährliches. Kinder von sonst guter Konstitution überstehen sie leicht. Bei rachitischen Kindern jedoch treten sie in so schwerer Forin ans. daß die meisten daran sterben. Diesen unglücklichen Ausgang kann man nur auf das Konto der Rachitis setzen. In den späteren Jahren ist eS die schreckliche Tuberkulose, welche die mit Rachitis Behafteten furchtbar heimsucht und unter ihnen leider so sehr viele Opfer fordert. Wie viele Menschen werden durch sie zum Krüppel. Die Buckeligen passieren selten das mittlere Lebensalter, sondern erliegen vorzeitig Herz- und Lungen leiden. Auch die rachitischen BerkrümMungen der Gliedmaßen schädigen ihre Träger in der kör- perlichen Leistungsfähigkeit und im Fortkommen schwer. Am übelsten dran find die Individuen mit X- oder Bäckcrbeinen. Professor v. Hansemann weist auch auf den großen Rachteil hin, den die Wehrfähigkeit des Staates durch die Rachitis erleidet. Leute mit rachitischen Plattsüßen taugen nicht zum Militärdienst. »nd selbst solche mit nur leichten Spuren von Rachitis müssen bald entlassen werden. Es war schon davon die Rede, daß eine angeborene Rachitis nicht existiert. Was vererbt wird, ist mir die Anlage. Und die