gebaut wurde, hatten sich Neschkes auch Zigarren zugelegt,aber dabei war auch nichts zu verdienen— fünf Pfennig dasStückt— bloß damit die Leute nicht ins Zigarrengeschäftgingen.Desto fleißiger kamen die Kinder aus der Nachbarschaftnach Johannisbrot und Gerstenzucker, besonders die Knaben.Unter diesen hatte Elli viele Verehrer, denn sie geizte nichtmit ihren Reizen, teilte großmütig Gerstenzucker undLakritzen, Johannisbrot und Hustenbonbons aus. Vor allem,wenn einer ihr gefiel, gab sie mit vollen Händen. Der Laden-tisch war förmlich umlagert: manche Keilerei aus Eisersuchtentstand. Tann retirierte Elli oben ans den Ladentisch undsah interessiert zu, wie ihre Verehrer sich gegenseitig Beulenschlugen.Mutter Neschke war immer sehr erfreut über den regenZulauf, den ihre Elli hatte.„Det is en Mächen! Jib Obacht,"sagte sie zu ihren. Mann,„die zieht uns den janzcn Ladenvoll. Wenn die erst jroß is, sind wer feine raus!"lFortsctzung folgt.).(Nachdruck verdaten.)41 Huf I�acbtpoftmErzählung aus dem Soldatenlebcn von Wilhelm Hellwig.Ich bahnte mir einen Weg durch die Stechapfclpalmcn undWermutkräuter, die den Polisadenhof bedeckten und umging dusfestgefügte Haus. Hinten fand ich, ganz oben unter dem Dach.die Mündung eines winzigen Luftschachtcs, der ins innere Ver-ließ führte und hier außen stark vergittert war. HinaufzuNettern,um hineinsehen zu können, gelang mir nicht. Mißmutig, daß esmir auf jede Art und Weise verwehrt war, ins Innere zu gelangenoder mich doch wenigstens von der Richtigkeit meiner Vermutungenzu überzeugen, verließ ich den Hof. Am Ziele war ich. aber meinWissensdrang, oder nenne eS meine Neugierde, war nicht befriedigt.Immerhin, ich hatte doch etwas gesehen, was vielen oder denmeisten Menschen nicht zugänglich war. und ich setzte mich an derjenseitigen Grabenböschung nieder, um schnell eine Skizze desseltsamen und schwer erreichbaren Ortes zu entwerfen. Dannblickte ich noch einmal in der Runde umher.Wie friedlich und freundlich sah das alles im warmen Sonnen.licht aus! Als ob niemals die Seufzer einer in zehnjährigerMarter zermalmten Menschenscele aus jenen Gitterlöchern dortherausgedrungen wären. Seufzer, die sich nachmals in Paris vorder Guillotine wiederholen sollten.Ter kleine Kerker, auf speziellen Befehl des alten Fritzen er»baut und von ihm besichtigt, ehe ihn der unglückliche Trenck be-zog. schloß zehn Jahre lang den Gefangenen ein. Einst, vor überhundert Jahren, zur selben Jahres- und Tageszeit, beschien amhellen Sommertag genau wie heut die liebe Sonne gar freundlichdie grauen Mauern: beim Gefangenen drinnen aber war ewige,finstere Nacht, wie ja auch jetzt in diesem Augenblicke, in jenergeheimnisvollen, unheimlichen Höhle.Man mag es nicht glauben, daß der König wirklich von An-Jang an beabsichtigt hat, den Mann so lange hier zu begraben.Zielleicht ist ihm die Zeit unversehens durch die Finger geflossen.und die Sorgen des langen Krieges ließen ihn vergessen, daß hierein Unglücklicher auf sein erlösendes Wort harrte.Oder sollte er doch wirklich in Sanssouci, behaglich dichtend undFlöte blasend, jemals die Vorstellung gehabt haben:„Da drübenin Magdeburg sitzt in dem dir wohlbekannten furchtbaren Kerker einMensch von zweifelhafter Schuld, hoch begabt und stolzen Sinnes.Er harrt auf dein Wort, er bittet dich in Briefen, die mit seinemBlute geschrieben, um Freiheit oder den erlösenden Tod. Aber duwillst ihi deinen früheren Günstling, nicht begnadigen, er soll dortverharren, sterben in Nacht und Verzweiflung. Tu verweigerst ihmdie Gnade, die Rettung, die dich nur ein Wort kosten würde?"Das sähe wahrlich dem landläufigen Bilde des alten FritzenUicht ähnlich, das würde an einen Nero erinnern.Derartige Gedanken erfüllten mein Gehirn vor dem der-lassenen, vergessenen Kerker. Dann wieder sah ich sie vor mir, dieSchildwache mit hoher Blechmütze, Zopf und Gamaschenschuhen,die lange Büchse mit aufgepflanztem Bajonett steif im Arm, wiesie unS durch Meister Menzels Bilder so lvohlbekannt gewordenist,--- ein Gespenst aus alter Zeit, der Zeit der Stockprügelund Spießruten. Es wanderte unaufhörlich um die Palisadenherum, mit steifem, stelzenden Schritt, wie ein Skelett. Gräßlich!Ich glaube, ich fieberte. Rasch sprang ich empor, ergriff meineBüchse und schritt eilig zurück,'dem Buckauer Tor wieder zu. DieSchatten der Wälle waren schon breiter geworden, der Abend nahte;ich mußte mich jetzt beeilen. An der Ecke warf ich noch einen letztenBlick nach dem unheimlichen Gemäuer zurück. Stand dort nichtin der offenen- Zauntür der lange Grenadier und blickte aus leerenTotenkopfaugcn mir nach, die Büchse drohend erhoben?---„Gerber, Gerber!" höre ich fernher meinen Namen rufen, fahreBusamliM und blicke zum Glgcis hinauf, um doch einen anderenRufer zw entdecken als das Gespenst dahinten am Ende dcSGrabens. Und wirklich, da oben auf dem Glacis kommt eine Ge-stalt gegangen, deren Anblick mir kaum weniger widerwärtig war,als die eben geschaute Vision. Ich erkenne den schleppenden Gang.die verhaßte Stimme, das höhnische Grinsen meines Todfeindes,des Gefreiten Greuel, den mir mein böses Schicksal hier zur Un-zeit wieder in den Weg führt.,„Was machst denn Du da unten, mein Junge, für Fisema-tentcn? Ich sehe Dir schon eine ganze Weile zu", sagte er schein-bar ganz gemütlich.„Ich denke. Du bist heute auf dem Schieß-platz oder im Dom? He?"Trencks Schicksal hatte für mich auf einmal jedes Interesse ver»loren, denn mein eigenes nahm mich jetzt vollständig in Anspruch.Ich kannte die Kanaille und wußte, was ich von dem zu erwartenhatte. Nachdem er mich schon einmal vor das Standgericht gebracht,gab es zwischen uns ja keinen Pardon mehr. Das wußten wirbeide. Morgen kannte der Feldwebel durch ihn meine sonderbareWallexpedition, meine unwahren Angaben über die Dauer dcSGesangdienstes. Vermutlich kam nun auch mein Ausbruch ans dem«Tom an den Tag. Da gab es für mich mindestens wieder strengenArrest, und das verdankte ich aufs neue dem Schleicher dort obenauf dem Glacis, der. mit mir Schritt haltend, ebenfalls demBuckauer Tor zuschritt.Ich gab keine Antwort und hatte wirklich die feste Absicht.meinen Gleichmut zu bewahren und ohne ein Wort zu erwidern,an ihm vorüberzugehen. DaS war aber nicht nach seinem Sinne.Denn als ich am Buckauer Tor wieder zur Oberwelt heraufgestiegenwar. stand Greuel an der Treppe, versperrte mir den Weg undsagte befehlend:„Ich frage, was Du da unten gemacht hast!"Ich wollte ihn zurückdrängen, um vorbeizukommen; da stieß«rmich mit der Faust vor die Brust, seinen Befehl wiederholend, undzwar in demselben Tone wie damals, als er mich das erstemal inWut und Unglück brachte:„Wollen Sie jetzt antworten oder nicht?"Jetzt übermannte mich der Zorn: der Mensch, der mich schoneinmal einer Bagatelle wegen unglücklich gemacht, kam mir so zurUnzeit wieder in den Weg, sah mich auf diesem zwar nicht direktverbotenen aber ungewöhnlichen Wege, und gleich erfaßte er mitboshafter Freude die günstige Gelegenheit; mir wieder etwas amZeuge zu flicken. Daß er sich die Befugnisse eines Vorgesetzten an»maßte, aus die er hier durchaus keinen Anspruch zu machen hatte,raubte mir den Rest der Besinnung. Ich trat einen Schritt zurück.sprang dann plötzlich vor und versetzte ihm einen gewaltigen seit-lichen Stoß..Er taumelte an dem Glacisrand entlang, wankte, stieß einenSchrei aus und verschwand, über den Abhang hinabstürzend.Im Nu bildete sich um mich ein Mcnschenhauf, denn von dernahen Brücke her hatten viele den Vorgang beobachtet. ZweiUnteroffiziere verhasteten mich auf der Stelle. Unglücklicherweifewar Greuel tot. DaS weitere kannst Du Dir denken. Man faßtemeine Tat als Racheakt auf. Mein unerklärliches Uinherstrolchenin den Wällen, ebenso das Abzeichnen von schwachen Befestigungs-teilen wurde ungünstig für mich ausgelegt. Meine Erklärungen.daß ich historischen Reminiszenzen nachgegangen, rief nur einungläubiges Lächeln hervor: was wußte und verstand ein gemeinerSoldat von Geschichte! Immerhin mußte man mir glauben, daßich die Tat ohne Vorsatz ausgeführt und daß Greuel nckch gereizthatte. So kam ich mit sieben Jahren davon, die ich verbüßte.Jetzt bin ich dreißig Jahre alt und muß nun hier bei derArbeitctabteilung meine Restdienstzeit nachholen. Ein hübschesDienstalter, nicht wahr? Aber nun gute Nacht! Morgen abenderzählst Du mir Deine Geschichte."„Jawohl, gute Nacht!"Still war es drunten in der finsteren Kasematte und oben imHofe, wo einsam der Posten stand, seitwärts von Fenster an dieMauer gelehnt. Die Kasernenuhr verkündete laut und gellenddie elfte Stunde, und die Turmglocken in der Stadt jenseit deSStromes antworteten mit dumpfem Klingen. Es war eine schwüleNacht, und nachdem der interessante Erzähler verstummt war.wurden Martins Augenlider schwer. Pflichtgetreu suchte er sichzu ermuntern und ging im Hofe hin und her. Aber die Müdig-kcit wich nicht, und das Gewehr, durch das aufgepflanzte Fklschinen-messer noch besonders beschwert, drückte seine Schulter. Er nahmes herunter, stellte den Kolben auf die Erde und sah sich auf demleeren Hofe um, ob sich nicht ein fester Gegenstand böte, auf demer sich,— nur einen Augenblick,— setzen konnte. Ausruhen, fünfMinuten ausruhen, rief alles in ihm, der eine Stunde in un-bequemer Stellung neben dem Kasemattenfenster gelauscht hatte:dann würde er bestimmt wieder frisch und munter sein. Dort derKlopfständcr lud zum Niedersitzen ein. auf der unteren Stangekonnte man bequem ruhen.Entgegen der Vorschrift setzte sich Martin nieder, stemmte dasGewehr auf den Erdboden und lehnte sich mit den Händen auf dieParierstange des aufgepflanzten Seitengewehres. Die Stirn sankauf die Hände herab, der Helm schob sich weit in den Nacken. Allesatmete Ruhe und Stille umher, kein Schnarchen drang aus denoffenen Fenstern zu ihm, kein Laut, kein Tritt war zu hören.Die Erzählung ging ihm im Kopfe herum, den die Sommer-nachtsschwüle befangen gemacht hatte. Neun Jahre trug derSchläfer da drinnen schon diese Fessel, und noch hatte er länger zu