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Strahl davon aus ihren Augen brach, dann senkte fie die goldigen Wimpern und nahm in scheinbarer Berschämtheit feine Redensarten hin. Wild schlug ihr das Herz, ihre Sähne biffen sich fnirschend aufeinander, aber ihr Mund ver­30g sich zu einem Lächeln. Sie mußte lächeln. Aber wie lange noch würde dieses Lächeln genügen--?!

Schaudernd fuhr die Einsame in der Küche auf. Horch, war das nicht ein Tritt?! Mit unsteten Blicken sah sie sich um. Kam er?! Nein, der Tritt flang draußen auf der Hintertreppe. Gott   sei Dank, die Marie!

Nein, die hatte einen Schlüssel! 3 flopfte zaghaft; jemand trat sich die Füße an der Strohmatte ab. ,, Wer is da?"

" Is de Berta zu Haus?" fragte eine schüchterne Stimme hinter der Tür. Ich bin aus ihre Heimat. Kann ich ihr

mal sprechen?"

Mine, Du-?!" Berta riß rasch die Tür auf und 30g die bescheiden Draußenstehende stürmisch herein. Bäßte Dich ooch mal bei mer sehn, das is scheene!"

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Mine hatte Berta noch nie bei Selingers aufgesucht; fie fahen fich nur im Reschkeschen Keller, und auch da jetzt selten. Berta schob Mine einen Stuhl hin. Ich bin ganz alleine, fie is nach' n Konzert, nur der Leo is borne." Ganz glücklich über den unerwartet freundschaftlichen Empfang setzte sich Mine.

Na Du" Berta lächelte sie an, ich dacht schon, Du

machst der gar nischte mehr aus mer!"

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" Ich-?!" Mine riß die Augen verwundert auf. ch, mer nischte aus der machen?! Das kann doch nich Dein Ernste sein, Berta! Ich hab der immer gutt leiden gekonnt, sehr gutt! Aber Du Du machst der ja nischte aus mir!" Nu brate mer eener' nen Storch!" Berta hatte schon das Berlinern gelernt. Mine, wie kommste uf so' ne Dummheiten?! Ne, wahrhaftig, ich hab der sehr gerne!" Schmeichelnd strich sie der anderen über die Wange.

Mine drückte fie herzlich an sich. Das freut mer, das freut mer, Bertchen! Ja, Du bis doch sehr gutt! Ach, hätten wer doch nie nich von zu Hause fortgemacht!"

Das Klang wie eine wehmütige Klage. Na, haste's denn nich gut? Wenn der's bei Hauptmanns nich gefällt, dann zieh doch!" sagte Berta.

( Fortsehung folgt.)

( Nachdrud verboten.)

Schnee und und Lawinen.

In der Nacht hatte ich ein Telegramm bekommen. Kaum acht Stunden von dem fleinen Schweizer   Bergdorf entfernt, wo ich mich gerade befand, war ein Lawinenunglück paffiert und unter den Berunglückten befand sich ein alter Bekannter. Direkt über das Hochgebirge an die Unglüdsstelle zu gelangen, war bei der furchtbaren Kälte( 25 Grad unter Null) unmöglich. So mußte ich per Bahn einen langen Umweg machen.

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Sechseckig sind die Sternchen, die Säulen, die Pyramiden, die Blättchen, die Spieße, die Brismen. Manche haben einen tugeligen, mit Stacheln besetzten Stern, so daß fie einem fleinen, meißen  Bukett zahlloser fleiner Fäden und Spieße, so daß man meint, Igelchen gleichen; andere haben auf einer sechsseitigen Scheibe ein irgendeinen himmlischen Korbblütler vor fich zu haben; und wieder andere gleichen aufs Haar einem Miniaturordensstern, von dem sich mancher einen in größerer Ausgabe auch von oben her ins Knopfloch wünscht, anstatt nur als weißen, schmelzenden Zierrat auf dem dunklen Aermel.

Aber nicht nur schön sind sie, die duftigen Winterblumen der Lüfte; fie reden auch ihre eigene Sprache. Sie erzählen dem Forscher fast so zuverlässig wie ein Registrierballon von den warmen und falten Luftregionen, die sie durchreisen und an ihren Formen laffen sich ihre fleinen Schicksale lesen, wie oft fie unterwegs ge­schmolzen und wieder kristallisiert sind.

Wenn diese zarten Eisblüten in Trillionen von Myriaden fich herabsenten auf die Erde, dann bilden sie zuerst jene dünnen, weißen Teppiche, die sanft über die Hügel und Hänge gebreitet find; schneit es weiter, dann legen sich die weichen, luftigen Flaum tissen, die zu drei Viertel Luft und nur zu einem Bierbel feine Eisdaunen sind, über die Berge; und wenn es noch mehr wird, dann entweicht auch durch den zunehmenden Drud langfam alle Luft aus dem Kiffen, und es entstehen jene kompakten, dicen Matraßen, von denen fünfzehn Zentner auf den Kubikmeter gehen. nicht fertig wird, dann wächst das glasharte, blaue Gletschereis. Oder schließlich, wenn die Sonne mit dem großen Winterborrat den Bulberschnee, der über Nacht wieder alles neu macht, den Im hohen Gebirge gibt es zahllose Schneevariationen. So vertrufteten Schnee, oder den Schneeharsch, der, durch den Sturm Pappschnee, den förnigen Schnee, den steinharten Bretterschnee, den bearbeitet, in schönen Rurbenlinien blätterartig übereinander liegt wie Muschelkalk; den Hunderttausendtalerschmee, deffen flache, runde Eisschuppen rasseln wie eitel Silber und Gold, oder den Harsch mit vereisten, kleinen Hügeln dazwischen, oder jenen Schnee auf stürmischen Ruppen mit aufrechtstehenden Baden und Eis­meffern; den schweren, mehligen Schnee; oder den leichten, aus­gelaugten Schnee, den man dann und wann im Frühling trifft, und in den man einsinkt bis an die Knie, ohne daß das Vorwärts fommen wesentlich gehindert ist; oder aber schließlich, wenn die Frühlingssonne heiß auf tiefen, gefekten Altschnee scheint, jene falzige, aus lofen Eiskristallen bestehende Masse, welche scharf ist wie Granitsand.

Tüdisch und gefährlich wird der Schnee erst, wenn er eine ge wiffe Tiefe erreicht hat. Das Waten in mur 25 Zentimeter hohem Edee ist schon sehr ermüdend. Bei 50 Zentimeter hohem Schnee ist auch der befte Fußgänger nach einer Stunde erschöpft. Ein Meter hoher Neuschnee bei starker Kälte bedeutet für jeden auch nur zwei Stunden von menschlichen Wohnungen entfernten und nicht mit Schneeschuhen versehenen Menschen den sicheren Er­schöpfungs- oder Erfrierungstod.

Mit verheerender Gewalt aber tritt der Schnee in der Form der Lawinen auf. Die Vorstellung, welche man sich in schneearmen verkehrte. Gewöhnlich glaubt man, es handle fich um das Aufrollen Gegenden von Lawinen und ihrer Entstehung bildet, ist eine völlig fleiner Schneemassen zu gewaltigen Walzen und denkt dabei an die Lawinen", welche die Knaben machen, wenn sie einen Schneeball auf ein Dach werfen, der sich im Herablommen durch anballenden Derartige Schneerollen gibt es natürlich auch im Gebirge, besonders Schnee zu einer ansehnlichen mühlsteinähnlichen Scheibe entwidelt. im Früh morgens um 6 Uhr fuhr ich mit der kleinen Zahnrad- waltigen Schneeschnecken haben 2 bis 3 Meter Durchmesser Hochgebirge, aber so groß fie oft find manche diefer ge bahn hinab ins Tal. Es ist etwas unbeschreibliches, unter dem so wenig find sie gefährlich; denn man fann ihnen auswelchen. funkelnden Sternhimmel durch ein in riesigen Winterschlaf ver­funkenes Bergdorf au gehen. Man ist der Anseele der ewigen Außerdem entwickeln fie fich fast nur im Frühjahr an bereits als Natur um ein Stück näher als sonst im Menschenlärm des Tages. lawinengefährlich bekannten Hängen. Aber auch dem nie rastenden Menschengeist, der langsam die Die eigentliche Lawine ist immer ein Schneerutsch. Sie Schleier der Naturgeheimnisse hebt, tam ich näher, als ich in der Heinen elektrischen Bergbahn saß, die mit einer souveränen Sicherheit die steile Zahnradspur durch den dunklen Winterwald hinabglitt. Ein aus dem Kontakt zwischen Schienen und Rädern entspringendes mächtiges Funfengepraffel warf blaue Blitzscheine über den tiefverschneiten Waldboden und auf der sekundenweise grell beleuchteten Schneefläche erschienen für einen Moment die scharfen Schlagschatten der Sträucher und Baumstämme. Ja, das haben sie heraus, die Menschen. Den Blitz haben fie gebändigt und die elektrischen Kräfte handhaben sie wie Spielzeug. Aber vor den brutalen Kräften der Natur, vor der massigen Wucht der Elementargewalten sind sie noch hilflose Zwerge.

tritt da auf, wo eine ausgedehnte und ziemlich tiefe Sameefläche infolge der starten Neigung des Hanges auf der Bodenunterlage nicht mehr genügend Halt findet und entweder durch das Eigen­gewicht oder durch eine fleine Störung als Gesamtmasse stromartig talabgleitet. Wenn ein Berg mehr als 23 Grad Steigung hat, so ist er als lawinengefährlich zu betrachten. Aber gerade die Un glüdsfälle der leßten Zeit haben diese Theorie durch die Praris Lügen gestraft. Die Wissenschaft der Lawinen ist erst in den An­fängen und so mancher erfahrene Alpinist", wie es in den Un glüdsberichten gewöhnlich heißt, hat den Glauben an sein Wissen mit dem Tode bezahlt.

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In den meisten Fällen, wo den Lawinen Menschenleben zum Eine der stillsten und heimtückischsten Gewalten ist der Schnee. Opfer fallen, sind die Lawinen losgetreten" worden, d. h. die Fuß­Zunächst ist der Schnee ein Wunder, ein weißes Wunder, das gänger haben gewöhnlich mit Schneeschuhen die Schneededen vom Himmel fällt. Unsere Augen find zu grob gebaut, um das eines Hanges in der Mitte oder an der Basis gestört, und so den Wunderbare an ihm gleich zu sehen. Aber schon vor hundert schwachen Reibungswiderstand entfernt, welcher die Schneemaffe im Jahren hat Scoresby, der Erforscher der arktischen Zonen, hundert stabilen Gleichgewicht hielt. Der Schnee rutscht an der ange verschiedene Formen von Schneefristallen entdeckt und abgebildet. schnittenen Stelle nach und so fommt mit einem eigentümlichen, Wie in der Zellenanordnung des niederen organischen Lebens eine zis henden Geräusch die ganze Masse in Bewegung. Der Verlauf unerschöpfliche Musterkarte der köstlichsten Spizenvorlagen ent- der ganzen Erscheinung hängt natürlich von der Gestaltung des halten ist, gegen die die feinsten flandrischen Spißen grobes Math- Terrains ab. So kommen manche Lawinen bald zum Stehen, wenn tvert find, so liegt eine Fülle zartester architektonischer Geheimnisse der Hang fich bald berflacht; andere werden zu einem wilden in den zahllosen Kristallisationsformen der Schn eflocken ver- Schneestrom, der über Felsabstürze sich ergießt, in der Luft zerstäubt borgen. Nur ein Grundsatz gilt für alle. Das ist die Zah: sechs. und sich so zu den gefürchteten Staublawinen entwidelt.