Kleines f euilleton* Naturwissenschaftliches. ®le Einrichtung besonderer Radiuminstitute legt den Wunsch nahe, eine Uebersicht über die bisherigen Leistungen deS Radiums in der Praxis zu erhalten. Im Vordergunde des Interesses steht dabei die Verwermng innerhalb der Medizin. Nach dieser Richtung fällt das bedeutende FachblattLancet" daZ Urteil, dast die Verwendungen vorläufig über Versuche noch nicht hinausgegangen sind, soweit BehandUmgen von Krankheiten in Betracht konimen. Allerdings sind einige merk« liche Erfolge erzielt ivorden, doch ist man über das Wesen der Einwirkung des Radium noch nicht zur Klarheit gelangt. Umer den Laien ist vielfach die Hoffnung verbreitet, das Radium werde sich als ein Heilmittel gegen den Krebs bewähren. Die Fachleute da- gegen äuhern kein besonders großes Vertrauen zu einer solchen Eigenschaft, da die bisherigen Versuche im allgemeinen keine Er- »nuligung dazu veronlatzt haben. Ucberhaupt müssen daher ist die Begründung von Radium- Instituten von höchster Wichtigkeit die verschiedenen Wirkungen der Radiumstrahlen nach chemischer, physiologischer und therapeutischer Beziehung zunächst sehr gründlich erforscht' werden. Was aus diesem Wege erreicht werden kann, lätzt sich immerhin nach einigen Tatsachen schon abschätzen. So hat sich gezeigt, datz die Sttahlungen die sogenannte Autolyse der Gewebe, d. h. die Selbstzerietzung ohne Einwirkung von Bakterien oder Klein- Wesen befördern. Außerdem üben sie angeblich eine oxydierendeWirkung aus, und man ist daber schon auf die etwas abenteuerlich klingende An- nähme verfallen, datz die großen Salpeterlager in Chile durch die Einwirkung von Radium auf den Luftstickstoff einstanden sein könnten. Bekannter und sicherer ist die Annahme, daß die Heilkraft vieler Mineralquellen mehr auf ihrem Radiumgehalt als auf ihrer chemischen Zusammensetzung beruht. Diese Vermutung wird die neuen Institute jedenfalls in besonderem Grade beschäftigen müssen. Aus dem Tierlebeu. Fische, die ertrinken können. Wenn man von Fischen hört, die ertrinken können, so würde man dieses anscheinende Para- doxon am ehesten so verstehen, daß die Tiere, wenn sie ihrem nalür- lichen Element, dem Wasser, entzogen werden, gleichsam in der Lust ertrinken würden. Die Natur hat diesen Fall vorhergesehen. Es gibt eigentümliche Fische, wie die zur Strandfauna gehörigen Meeresfische sowie die in Gräben, Sümpfen und Tümpeln lebenden Flutzwasierfische, die recht schlimm daran wären, wenn sie zur Zeit, wann in ihren gewöhnlichen Aufenthaltsorten das Wasser ausgeht, darauf angewiesen wären, ihr Leben durch die Kiemenatmung zu erhalten. Sie würden dann durch Vertrocknen ihrer Atmungöorgane ersticken. Viele Fische be« sitzen nun besondere Schutzvorrichtungen, die ihnen ein Ausdauern unter schwierigen Verhältnissen ermöglichen. So können Karpfen und Karauschen durch die Mundhöhlen Atemluft erhalten, und der Aal vermag infolge seiner engen Kiemenspalten lange auf dem Lande auszudaucrn. Bei anderen Fischen ist die Schwimm- blase Atmungsorgan, und noch andere haben lungenartige Gebilde, die ihnen die Luftzufuhr ermöglichen. Es gibt aber Fische, die wirklich ertrinken können. Inden ostindischen.Kolonien der Holländer wird ein Fisch, der Gurami genannt wird, wegen seines wohl- schmeckenden Fleisches in großen Mengen gezüchtet. Dieser Fstch befitzt, wie der Naturforscher Commerson nachwies, auf jeder Seile des Kopfes ein Organ, das anS einer mit eigen­tümliche» Knochenlamellen erfüllten Höhle besteht. Man gelangte zu der Ansicht, daß jenes Organ, das als Labyrinth bezeichnet wurde, ein Wasserreservoir sei, das die Kiemen feucht zu erhallen bestimmt wäre. Man hatte längst beobachtet, daß Labyrinthfische, die etwa nachts aus ihren Behältern heraussprangcn. sich am nächsten Morgen noch ganz wohl befanden. Sehr interessante Versuche hat nun noch derDeutschen Fischerei-Korrespondenz" Christian Brüning aus- geführt. Er nahm ein schwächliches Exemplar einer Gruppe der Labyrinthfische, der sogenannten Makropoden, und legte es in ein Glas, das nur feuchten, mit einem Löschpapier bedeckten Sand ent- hielt. Nach drei Stunden setzte er das Tier wieder in ein Aquarium zurück. Es zeigte nicht die geringste Störung seines Wohlbefindens und lietz auch in den folgenden Tagen keinerlei nachteilige Folgen erkennen. Es schien hieraus hervorzugehen, daß das Labyrinth wirklich ein Waffcrreservoir ist. Allein diese Anficht ist gleichwohl irrig. Ein Beleg dafür ist das Verhalten von Labyrinthfischen, die in gut durchlüsteten Aquarien stehtS an die Oberfläche gehen und wie Molche atmen. Zur weiteren Aufklärung nahm Brüning ein schönes und großes Makropodenmännchen und setzte es in ein gut durchlüfietes. mit frischem Wasser versehenes Aquarium, in dem wenige Zentimeter unter der Wasseroberfläche Draht- gase gespannt war, die den Fisch hinderte, an die Oberfläche zu gelangen. Nach vier Minuten etwa zeigte das Tier Lust aufzusteigen, um Luft zu schöpfen; nach 6 Minuten wurde es sichtlich unruhig, und nach 16 Minuten träte- Zeichen von Schwäche auf, indem es sich auf die Seite neigte. Nach 22 Minuten hatte sich der Znstand deS Tieres erheblich verichlimmert. Nach 50 Minuten war der Fisch tot. ES geht aus diesem Versuch hervor, daß bei den Labyrinthfischen die Kiemenatmung nebensächlich ist und daß sie zur Erhaltung ihres Levens auf Freiatmung angewiesen sind. DaZ Labyrinth, das bei verschiedenen Fischarten in sehr verschiedener Ge- statt erscheint, ist ein Knochengebilde von vielfach gewundener blättriger Struktur, das auf dem ersten Kiemenbogen aufsitzt. ES wird von zwei großen Blutgefäßen, die sich in der Taschenwand netzförmig verzweigen, gespeist, woraus hervorgeht, daß diese für die Atmung gleichfalls wesentlich ist. Bei manchen Fischarten ist gerade sie es, die das eigentliche Atmungsorgan darstellt, während das Labyrinth nur wenig entwickelt ist und anscheinend nur den Luftaustritt aus der Tasche reguliert. Auch bei den Labyrinthfischen spielt überdies die Schwimmblase eine Rolle in der Ammng. Paläontologisches. Auf derKnochenjagd". Der berühmte Bone Cabin Onarry, jener öde, menschenverlaflene Landstrich in den kahlen Wüsten Wyomings �Vereinigte Staaten ), in dem die Forschung eine riesige Gräberstälte vorgeschichtlicher Tiere gefunden hat und in der jetzt nach weiteren Knochenresten fossiler Erdbewohner geschürft wird, verdankt ihre Entdeckung einem eigenartigen Zufall. Eine Anzahl von Gelehrten, die auf der Suche»ach alten Tierskelettcn die berüchtigten Bad Lands Amerikas durchstreiften, stießen nach tagelanger Wanderung durch die Einöden auf eine kleine Hütte, die einst das Heim eines Hirten gewesen und nun längst Verlaffen war. Diese menschliche Wohnstätte in so unwirtlicher Gegend, so wird in ChambersJournal* erzählt, erregte die Neu- gier der Forscher. Ein Teilnehmer der Expedition bemerkte, daß die Hütte aus dunkelfarbigen natürlichen Steinsäulen zu ruhen schien. Das Land ist dort sandig und kahl und daher erregten die Steine das Jntereffe der Gelehrten. Man stieß mit dem Fuß gegen eine dieserSäulen*, die mit der Zeit sich etwa? gelockert hatten. Ein Rur der Ueberraschung wurde laut, man untersuchte die dmrkelfarbige Substanz und dann kam die überraschende Feststellung:Dieses kleine Steinstück* ist ein Knochenteil von einer der größten Kreaturen, die der Mensch kennt: eS ist ein Fragment von einem Bronlosaurus". Sofort begann man an Ort und Stelle weitere Grabungen, und nach wenigen Stunden stieß man bereits auf einen gewaltigen manns- großen Knochen, der ein weiteres Teil von jenem riesigen Bronto- saurusskelette bildete, das heute eines der merkwürdigsten Schau» stücke des New Uorker Naturhistorischen Museums bildet. Der über- raschende Fund lenkte mit einem Schlage die Aufmerksamkeit der Naturforscher aus jenen Fleck Erde, der bis dahin nur selten von einsamen Gelehrten besucht wurde. Er erwieS sich als eine riesige Totenkammer vorgeschichtlicher Tiergcschlechter, und in großem Maßstabe ist nun mit der systematischen Durchsuchung der Gegend begonnen worden. Der Boden wurde in kleine Abschnitte geteilt, die Stück um Stück durchforscht wurden, und nach sechsjähriger Arbeit mit Schaufel und Spaten war ein Gebiet von 7500 Quadratfuß abgesucht. Aber dieses kleine Stück Land ergab schon überraschend reiche Funde; nicht weniger als 73 verschiedene Tierskelette wurden der Forschung gesichert, von denen 44 der Dinosaurierfamilie angehören. Seitdem sind die einst verrufenenBad Lands* zu einer wahren Schatzkammer für dieKnochenjäger* gewordem Schon vorher waren in jener Gegend einzelne Funde gemacht worden. Skelette von Elefanten, Tigern und Kamelen, die viel späteren Epochen angehörten als die zuletzt gefundenen Saurier. Sie haben gelehrt, daß vor Zehntausenden von Jahren riesige Kamele durch das südwestliche Amerika wanderten. Tiere, die ungleich größer waren als die Kamele, die je in der Sahara oder in Asien in Karawanen dahinziehen. Tiger. die die aefürchteten indischen Riesenkatzen bei weitem an Größe übertteffen. suchten damals in den südamerikanischen Wäldern ihre Beute, und cS gab auch eine Zeit, wo die Elefanten in Amerika sich ansiedelten. Wenige Meilen von New Dort entkernt hat man die Skelette solcher Riesenelefanten gefunden und auch in dem südlichen Texas machten die Knochenjäger ähnliche Beute. Wenn der Gelehrte eine Stätte gefunden hat, die ihm nach ihrer geologischen Beschaffenheit besondere Chancen zu versprechen scheint, so beginnt eine sorgsame Untersuchung der Erdoberfläche. Ergibt die erste Untersuchung des Bodens nichts, so tritt die Schaufel in ihre Rechte. An verschiedenen Stellen werden Probegrabungen gemacht, und diese langwierige Arbeit kann Wochen, ja viele Monate währen, ehe den geduldigen Forscher ein Fund belohnt, der neue Hoffnungen erweckt. Oft noch im letzten Augenblick, wenn man entmutigt von monatelangem fruchtlosen Suchen das Werk aufgeben will, stößt der Spaten gegen einen Knochen, und der Zufall wirft einem im letzten Augenblick noch einen reichen Fund in den Schoß. Ist die Entdeckung gelungen, so beginnt die Sammlung der Knochen. Das ist oft eine harte Arbeit, denn bisweilen sind die Skelette in Hunderte von Teilen verstreut und einzelne Knochen liegen oft zwanzig, dreißig und mehr Meter von den anderen entfernt. Eine genaue Kenntnis deS Knochengerüstes der fossilen Tiere ist nötig, um die richtigen Teile zu finden und zusammenzusetzen. Sie werden dann numeriert und zu der langen Reise sorgsam verpackt. Sind die Knocken gebrechlich oder hohl, so wird ihre Widerstandskraft durch Einfüllen flüssigen Gipses gestärkt, oft werden die Teile Stück um Stück mit Seiden» papier oder dünnem Stoff umwickelt, um sie möglichst gegen die Ein- Wirkungen der Luft zu schützen. Schließlich werden sie dann in Gips gepackt und so in die Kasten gebettet, die erst in den Untersuchungs- räumen der Museen wieder geöffnet werden. Verantw. Redakt.: CarlWcrmuth, Berlin -Rixdorf. Druck u. Verlag; Vorwärts Buchdruckerei u.Verl «ig»anjt«itt Paul Singer LcEo..BerlinSW.