meljr in der genialen Intuition(Ahnung) als in der wiffenschaftlichen Forickning liegt. Eine» höchst merkwürdigen Bund schloß die uralte griechische Naturvhilosophie mit der in diesen Zeiten ganz Griechenland über- flutenden orientalischen Mystik in der Person und dem System des SizilianerS Empedokles(um 450 vor unserer Zeilrechnung). Als Glied einer der vornehmsten Familien seiner Vaterstadt Agrigent (jetzt Girgenti ) beteiligte er sich mit solchem Eifer an den politischen Kämpfen seiner Heimat, daß man ihm die KönigSkrone anbot. Er schlug sie aus. Sein Wunsch war, ein König im Reiche des Gedankens zu werden. Seine Philosophie ist religiöse Natur- Philosophie. Bei ihm zum ersten Male kommt die Forderung nicht des Wisiens, sondern dcS Glaubens(Pistis) vor. Empedokles war ein wandernder Gesundbeter. Im Purpurgewand, mit Sieger- binden und Kränzen geschmückt, zog er von Land zu Land, Krank- heilen des Leibes und der Seele heilend, von Tausenden verehrt. Nach seinem Tode erzählte man von ihm. er sei nicht natürlich ge- storben, sondern auf wunderbare Weise.entrückt'. Renan hat ihn sehr schön als»eine Mischung von Newton and Cagliostro', d. h. scharfen. Verstand und Mummenschanz genannt. Er erklärte sich die ganze Welt bewegt von zwei Kräften. Liebe und Haß, Anziehung und Abstoßung. Seine scharffinnigen naturphilosophischen Theorien würden mehr Wert haben, weim sie nicht in den religiösen Nebel eingehüllt wären. Welches echt wisienschaftliche Einheitsempfinden spricht z. B. aus folgendem Fragment: Haare und Blätter der Pflanzen und dichtes Gefieder der Vögel, Schuppen, auf kräftigen Gliedern erwachsen, find ein und dasselbe. In der praktischen Philosophie ist EmpedokleS Pantheist, er wagte zuerst, die griechischen Götter als Symbole ftir die mechani- schen und dynamitchen Wellkräfte zu erklären. Seine Ethik ist völlig orientalisch-asketisch. Bedeutung haben nur seine naturwisienschaft- lichen Theorien erhalten. Besonders die griechischen Aerzte haben viel von ihm gelernt. Wegen seines erstmaligen Versuchs, die Welt auf Elemente zurückzuführen, hat man ihn den Begründer der Chemie genannt. SlS der erste Athener unter den vorsokratischen WeiöheitSlehrern begegnet uns AnaxagoraS. Er ist bekannt wegen des Prozesses, den ihm seine Mitbürger wegen Gottlosigkeit machten. Er verfocht die Behauptung zum ersten Male, daß alle Himmelskörper auS einem Stoff beständen, daß insbesondere die Sonne eine glühende Stein- masse sei. Ja. er wagte schon die Vermutung, daß auch andere Gestirne bewohnt sein könnten von seinen Hypothesen über Sonnenfinsternifie, die Stärke der Zentrifugalkraft der Erde, Her- kunft des MondlichteS von der Sonne usw. ganz zu schweigen. Was SokrateS und Plato an ihm tadeln, daß er nämlich keine Teleologie, keine Zweckmäßigkeit in der Naturwisienschaft gelten ließ, sehen wir heute als eine Großtot an. UnS ist er besonders sympathisch, weil er als erster sich über die nationalen Schranken der Staaten erhob und sich Weltbürger, Kosmopolit, nannte und weil er die Welt als seine Heimat ansah und es nicht schwer fand, in der Fremde zu sterben, in der Ueberzcugung, daß der Weg zum Hades(Unterwelt) überall dersewe sei. Von seiner echt menichlichen Gesinnung redet die Tatsache, daß er, der kinderlose Greis, bei seinem Tode an- ordnete, daß im Monat seines Todes alljährlich ein Kinderfest statt- finden sollte. Gänzlich verschollen find leider die Werke der sogenannten Pythagoräer. Ihre Hauptbedeutung liegt in der praktischen Philosophie. Soweit sich aus Aeußerungcn anderer Schriftsteller folgern läßt, lebten fie zumetst kommunistisch, getreu ihrem Grund« satze, daß.Freunden alle« gemeinsam' sein müsie. AuS Schillers Gedicht, die Bürgschaft, kennen wir alle den hochherzigen Freund- schaftskult, der in diesen Kreisen gepflegt wurde. An der Gemein- schuft des geistigen Lebens hatten auch die Krauen teil, die sich nirgends solcher Hochichätzung erfreuten wie in pythagoreischen Kreisen. Auch den Sklaven nicht nur eine humane Behandlung zuteil werden zu lasien, sondern auch in persönlichem Umgang fteundlich mit ihnen zu verkehren, war ein pythagoreischer Grundsatz. Mit diesen Pythagoräern steht der erste Vertreter einer politischen Theorie in der griechischen Literatur in Verbindung: HippodamoS von Milet. Er war ein berühmter Architekt. Bon ihn, stammt die moderne Bauweis« der rechtwinkelig sich schneidenden Straßen. Sein StaalSideal sah zwei Drittel von Grund und Boden alS staatlichen Besitz, ein Drittel als Privateigentum vor. Im übrigen leidet seine politische Theorie an Spielerei und Doktrinarismus. Viel kon- fcquenter und geistvoller war das StaalSideal seines NnchfoigerS P h a l e a S aus Thalcedon. Er sah in der Ungleichheil der Ver- mögen die Ursache aller Revolutionen und die Hauptquelle der Ver- brechen. Daher empfahl er völlige Gleichheit des Eigentums an Grund und Boden, Verstaatlichung sämtlichen Gewerbebetriebes und gleiche staaUich« Erziehung sämtlicher Bürger. Während die griechische Politik ihren größten wissenschaftlichen Vertreter in dem Schüler des SokrateS, Platon , bekommen sollte, erklomm die Naturwisienschaft in dem Vorsokratiker D e m o k r i t die höchste Staffel, die bi» zu den Zeiten von KopernikuS und Galilei überhaupt erklommen worden ist. Er war ein echrer Natur- forscher, der für die ungeheuren Reisen, die er in Afrika und Asien machte, fast sein ganzes Vermögen opferte. Die Tat, mit der er sich in der Geschichte der Wissenschaft einen unvergänglichen Namen geschaffen, ist die Entdeckung der A t o m t h e o r i e. Demokrit ist der erste europäische Denker, der alles Geschehen auf rein mechanische Vorgänge zurückführte, der den letzten Nest theologischer Welt- erklärung beseitigte und daS Gr-ndgesetz aller modernen Wiffen« schaft, das der unverbrüchlichen Kausalität(Jedes Ding hat eine natürliche Ursache), ausstellte. Er sagte bescheiden und doch stolz; .Ich möchte lieber einen einzigen ursächlichen Zusammenhang entdecken als König der Perser werden." Die Welt besteht nach Demokrit auS einer Unzahl nicht mehr weiter teilbarer Körperchen(Atome). Diese Atome und der leere Raum sind das einzige, was wirklich existiert. Die verschiedenen Qualitäten der Dinge beruhen nur auf verschiedenartigen rein mechanisch bewirkten Alomverbindungen; und auch das Denken ist ein materieller Vorgang. Auf dem Gebiete der Religion betritt Demokrit die uns schon bekannten Pfade des UenophaneS. Er versucht eine psycho» logische Erklärung der Religion: er führt sie nämlich ans die Angst des primitiven Menschen vor schreckliche» Naturereignissen zurück: Manche Menschen, die von der Auflösung der sterblichen Natur nichts verstehen, aber über ihr böses Leben ein schlechtes Getvissen haben, bringen ihre Tage in Bangig- keit und Angst elend hin, indem sie allerlei lügnerische Fabeln über die Zeit nach dem Tode aushecken." Demokrit ist zugleich der erste Grieche, der die Ethik, die Sittenlehre, als besonderen Teil der Philosophie behandelte. Auch Demokrit ist Kosmopolit. Ja, einige Forscher nehmen an, daß auch er eine StaatSutopie geschrieben habe. Auf jeden Fall hat er ein sehr großes Interesse auch für die Politik gehabt, die erdie größte Kunst" nennt,.die dem Menschenleben Größe und Glanz verleiht". Wie sehr er die Demokratie schätzte, zeigt folgender Ausspruch:Die Armut in einer Demokratie ist dem in Monarchien herrschenden Wohlstand ebensoviel vorzuziehen wie die Freiheit der Sklaverei", lind zu dem Schönsten, was das Altertum uns hinterlassen hat, gehört sein Wort:Dem weise» Manne steht jedes Land offen; denn die Heimat einer edlen Seele ist die ganze Welt". (NaEdriick vnBclen.Jj Das Kenntier. Von C u r t v. Walthofen Im Norden Europas ist zwischen den beiden skmchinavischen Völkern ein Streit ausgebrochen, der uns recht eigenartig erscheint. ein Streit um die Renntierweiden. In den nördlichen Bezirken Schwedens und Norwegens leben noch die Ueberreste der Lappen. Diese Verwandten der Finnen sind kleine Leute mit straffem schwarzem Haar, von schmutziggelber Hautfarbe und mit schief. stehenden Augen. Ihrer Lebensweise nach zerfallen sie in die Fischerlappen,«die vom Fischfang und der Jagd leben und feste Wohnsitze haben, und in die Berglappen, die vienntierherden halten und mit ihnen im Lande umherziehen. Ein Teil dieser schwedischen Nomaden ist seit altersher auf Renntierweiden angewiesen, die auf norwegischem Gebiete liegen und während des Sommerö aufgesucht werden. Diese alljährlichen Wanderungen gaben nun Anlaß zu Streitigkeiten zwischen den Regierungen der beiden skandinavischen Königreiche, und da die Verhandlungen zu einer Einigung nicht führten, wurde von sciten Schwedens daS Schiedsgericht angerufen. Wer die Kulturverhältnisse im hoben Norden kennt, dem kann dieS allerdings nicht wunderbar erscheinen, denn für jene Länder hat das Renntier eine noch größere Bedeutung als für uns das Rind, und Viehfragen spielen za in unserer Politik sehr häufig eine recht wichtig« Rolle. Von allen Hirschen ist das Nennticr für den Menschen am wichtigsten. ES bietet ihm zunächst Fleisch, und wie ein Rennticr» braten mundet, davon können wir unS auch in Deutschland leicht überzeugen, da im Winter dieses Wild auch bei uns hin und wieder eingeführt wird. Ursprünglich wurde daS Renntier vom Menschen überhaupt nur gejagt. AIS in Mitteleuropa noch die Eiszeit herrschte und Moos- und Schneewüsten auf weiten Strecken das Land be« deckten, war es hier stark verbreitet, und der vorgeschichtliche Mensch war auch in diesen Gebieten lange Zeit hindurch ein passionierter Renntierjägcr. ÄlS aber das Klima wärmer wurde, zog sich dieses Wild mehr und mehr nach dem Norden zurück und ist seitdem im Norden Sibiriens , Schwedens und Norwegens , sowie Nordamerikas heimisch. Auf den Gedanken, das Renntier zu zähmen, verfielen die Eingeborenen im hohen Norden von selbst nicht. Sie jagten«S nur. wie dies noch heute die Eskimo und Indianer in Alaska tun. Erst als aus südlicheren Gegenden Viehzüchter nach dem Norden vordrangen und mit den Lappen. Samojeden, Tunguscn und anderen Bewohnern des Nordens in Berühruna kamen, lernten die Wilden von ihren kultivierten Nachbarn die Zähmung und machten daß Renntier zum Haustier des Nordens. Dabei wurde aber die Zäh- mung durchaus nicht so weit durchgeführt, wie die» bei unserm Rind oder Pferd der Fall ist. Das Renntier lebt auch unter der Obhut deö Menschen in halbwildem Zustande. Die Herden wandern frei umher und werden nur durck die klugen Hunde der Eingeborenen zusammengehalten. Ter Besitzer muß ihnen nachziehen und führt ein unstetes mit dielen Beschwerden verknüpftes Dasein. Trotzdem ist er stolz auf seine Tiere, nach deren Zahl sein Reichtum bemeffen wird. In Sibirien gibt eS zahme Hevden, die nach Tausenden zählen; der Lappe ist froh, wenn er mehrere Hundert Stück sein eigen nennt. Die genaue Zahl kann nian aber von ihm nicht er- fahren, ja eS ist unschicklich, nach derselben zu fragen. DaS hängt