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natürlichen Dingen zugehen mußte, so blieb in der Tat fein Agens| brauch zuschnitt, und während die Gänsefeber, b. h. die zum Schreiben zu übrig außer der Schwerkraft und der gespannten Feder. Gerade geschnittene Schwung feder der Gans, zu der Grundbedeutung des Wortes die menschenähnliche Illusion aber bestach und verwirrte; man Feder noch in enger Beziehung stand, ist mit der Einführung der unterschätzte den Hohlraum der Figuren und bedachte nicht, daß fich Stahlfedern in diefer Beziehung ganz verloren gegangen. Diefe Gewichte und Federn nebst ist er mannigfachen Hebertragung durch Grundbedeutung aber war Flugmittel", und verwandt ist griechisches Schnüre, Rollen, Flaschenzüge, Zahnräder, Hebel, schiefe Ebenen petomai( ich fliege); dann: Schwinge des Vogels, und in der Mehr­usiv. auf fleinstem Raum anbringen lasse. zahl, wie Gefieder, Bekleidung des Vogels. Der Satz die Uhr ist abgelaufen" hat genau genommen nur bei der alten Sanduhr mit ihrem rinnenden Sanse einen Sinn, zumal thr", ein Lehn wort aus lat. hora, eigen. Stunde" heißt; jene alten Uhren waren eben auf eine Stunde eingerichtet.

In einem Vortrag, den Helmholt im Jahre 1854 über die Wechselwirkung der Naturkräfte gehalten hat, berührt er auch die theoretische Bedeutung unseres Themas. Er meint, es wäre unbegreiflich, daß Männer wie Baucanson und Droz, deren Talent sich mit den erfindungsreichsten Köpfen des 19. Jahrhunderts messen kann, einen so ungeheuren Aufwand von Zeit, Mühe und Scharfsinn an die Ausführung der Automaten hätten wenden fönnen, wenn sie nicht gehofft hätten, daß fie imstande sein würden, ihre Aufgabe auch in wirklichem Ernst zu lösen. Es wird und erzählt, daß Droz nebst seinem Sohn eine Zeit lang in den Kerkern der spanischen Inquisition geschmachtet haben soll, und daß er seine Lossprechung nur mit Mühe erlangte. Hieraus gehe hervor, daß die Menschenähnlichkeit selbst dieser Spielwerfe in jenen Zeiten groß genug erschien, um sogar ihren natürlichen Ursprung verdächtig zu machen. Das Ziel also, jagt Helmholz, das sich die Automatenerfinder mit vollem Ernst stedten und mit deffen technischem Aufwand sie die Mechanit unserer Epoche nicht wenig befruchteten, war sehr fühn gewählt. Sie wollten Maschinen bauen, die die tausend verschiedenen Dienstleistungen eines Menschen vollziehen fonnten; während wir jetzt verlangen, daß die Maschine eine Leistung, aber an Stelle von tausend Menschen

berrichte.

Der Grundirrtum der Baucansons und ihrer philosophischen Mitstreiter, wie Descartes und Lamettrie, dessen bedeutendstes Bert l'homme machine( der Mensch eine Maschine) heißt, lag darin, daß der Gedanke von der Erhaltung der Energie" für sie noch ungeboren war. Ihnen erschienen Menschen und Tiere wie Uhrwerke, die nie aufgezogen werden und ihre Triebkraft aus Nichts schaffen. Sie wußten die Nahrungsaufnahme noch nicht in Verbindung zu sehen mit der Krafterzeugung. Seit aber die Dampfmaschine den Ursprung der Arbeitskraft finnfällig gelehrt hat, war vielmehr die Frage berechtigt, ob es sich beim Menschen nicht ähnlich verhalte. In der Tat unterscheidet sich der tierische Körper durch die Art, wie er durch Verbrennungsprozesse Wärme und Kraft gewinnt, wenig oder gar nicht von der Dampfmaschine; wohl aber durch den Zweck, zu welchem er, und durch die Weise, in welcher er die gewonnene Kraft weiter benutzt. Er ist außer dem in der Wahl seines Brennmaterials beschränkter als die Dampfmaschine. Diese würde mit Zuder, Stärtemehl und Butter ebenso gut geheizt werden fönnen, wie mit Steinfohlen und Holz; der tierische Körper dagegen muß sein Brennmaterial fünftlich auflösen und durch seinen Organismus verteilen; er muß ferner fortdauernd das leicht abnutzbare Material seiner Organe er­neuern und die dazu nötigen Stoffe, die er nicht selbst bilden fann, von außen aufnehmen.

Der angeblich aus Nichts oder aus dem Born einer geheim­niebollen Lebenskraft" schaffende Mensch und sein Spiegelbild, der Androitautomat, beide bedeuten den letzten Gedanken und Versuch eines Perpetuum mobile. Unsere bessere theoretische Er­fenninis macht, daß dies Ding jetzt für uns erledigt und nur noch eine historische Reminiszenz ist: Indessen hatte schon damals Fontenelle dem Descartes folgenden Einwand entgegengesetzt: Man lasse doch, sagte er, den angeblichen Automaten Hund" und den Automaten Hündin" beieinander, und man wird schon nach einiger Zeit einen dritten kleinen Automaten" derselben Art er­halten. Dagegen fönnen zwei Uhrwerke Zeitlebens beieinander fein, ohne jemals ein Drittes hervorzubringen. Also müssen doch wohl alle diejenigen Erscheinungen, die die Kraft besißen, aus zwei drei zu machen, einer Kategorie angehören, die bedeutend über den Menschen rangiert.

Kleines feuilleton.

Kulturhistorisches.

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Aus dem Gebiete der Chemie.

Feste Luft. Das außerordentlich rege Interesse, das die naturwissenschaftliche Forschung in allen Streifen fich gewonnen, wird durch immer neue und zum Teil glänzende Experimental­Tatsachen wach gehalten. Jedermann fast fennt einige der ver blüffend wirkenden Experimente, die mit flüssiger Luft ausgeführt werden können, und außerordentlich vielseitig schon ist die Ver­wendung kondensierter Luft in der Industrie und im Laboratorium des Chemikers.

Eine auf diesem Gebiete neue Erscheinung hat nun Professor Erdmann beobachtet. Mittels eines eigens dazu konstruierten Apparates ist es diesem Gelehrten gelungen, die flüssige Luft zum Erstarren zu bringen. Bevor man die Luft verflüssigt, ist es nötig, sie von Stohlensäure zu befreien und zu trocknen. Diese so in dem Erdmannschen Kühl­vorbereitete Breßluft wird nun apparat bei etwa 1-4 Atmosphären. Ueberdruck verflüssigt. Bringt man dann die erhaltene flare Flüssigkeit in ein gut schließendes Bakuum von 10-20 Millimeter Quecksilber, so erhält man einen Kristallbrei. Die Untersuchung hat nun gezeigt, daß dieser Aggregat zustand herbeigeführt wird durch den Stickstoff, der einen ver­hältnismäßig hohen Schmelzpunkt besist, so daß er ausfristallisiert. Der von Erdmann erhaltene Kristallbrei besteht also aus festem Stickstoff und flüssigem Sauerstoff. Das Problem, feste Luft dar zustellen, ist also eigentlich damit noch nicht völlig gelöst. Die Erdmannsche Entdeckung beansprucht aber das Interffe der Chemiker und Techniker gleichwohl in hohem Maße. Ist es doch auf diese Weise möglich, die beiden Elemente Sauerstoff und Stidstoff boll­kommen zu trennen, was bisher durch Fraktionieren der flüssigen Elemente nicht möglich war. Mit Hilfe seines Verfahrens isolierte Erdmann den Stickstoff in prachtvoll großen Kristallen, die von der Mutterlauge getrennt, nach dem Schmelzen chemisch reinen Stidstoff lieferten. Im Laufe seiner Untersuchungen gelang es dem Naturforscher auch, die allgemein verbreitete Ansicht, Stick­stoff sei ein sehr träger, zu chemischen Umsetzungen wenig taug­licher Grundstoff, umzustürzen, indem gezeigt werden konnte, daß metallisches Kalzium zum Beispiel mit Stickstoff unter Funken­erscheinung sich verbindet.

Medizinisches.

Dr. P.

Die Heilkraft des Sonnenlichta. Es ist eigent­ich so gut wie selbstverständlich, daß in der Lichtbehandlung, die in der Neuzeit so großen Einfluß in der Heiffunde gewonnen hat, die Wirkung des natürlichen Sonnenlichts an erster Stelle steht. während mit Recht der jung verstorbene Finsen als der wahre Schöpfer der Lichtbehandlung überhaupt genannt wird, ist es hauptsächlich ein Verdienst deutscher Aerzte, auf die Möglichkeit der Heilung von Geschwüren sowie von Hautkrebs und von Kehl­topftuberkulose durch Sonnenstrahlen hingewiesen zu haben. Da­mit haben die Sanatorien in Hochgebirgen, wo die Wirkung der Sonnenstrahlen besonders kräftig ist, eine neue aussichtsvolle Auf­gabe erhalten. Was von ihrer Erfüllung zu erwarten ist, zeigt ein Vortrag, den Hallopeau und Rollier vor der Pariser Akademie der Medizin gehalten haben. Sie haben zunächst den Einfluß des Sonnenlichts auf die Ernährung der Lebewesen und insbesondere auf die Bakterien untersucht. Im allgemeinen fann man sagen, daß die Sonnenstrahlen Batterien töten, chemische Veränderungen hervorrufen, schmerzstillend wirken und eine Verhärtung des Bell­gewebes begünstigen. Außer den Bakterien werden auch Gift­stoffe und sogenannte Fermente mehr oder weniger stark ver­ändert. Einige in diese Ergebnisse einbegriffene Tatsachen waren schon früher bekannt, namentlich das Absterben von Diphtherie bazillen innerhab weniger Stunden bei Berührung mit Luft und Sonnenlicht. Eine der wichtigsten Fragen blieb festzustellen, wie tief die Sonnenstrahlen und ihre Wirkung in die Gewebe des Körpers eindringen. Finsen hatte gemeint, daß der Einfluß nur ein oberflächlicher sein könnte, aber die neuen Untersuchungen haben gelehrt, daß mindestens die südliche Sonne, beispielsweise die von Nizza und sicher die der Hochgebirge, mehr zu leisten im­stande ist. Wenn man den Brustkorb eines Menschen vom Rücken her erscheinen läßt, so fann durch das Verhalten einer photo­graphischen Platte, die man in lichtdichte Verpackung auf die Vorderseite der Brust gelegt hat bewiesen werden, daß die Strahlen die ganze Bruft durchdringen. Nach Dr. Rollier wird die Tuberkulose in all ihren Aeußerungen, ausgenommen vielleicht nur die der Gehirnhäute und des Gehirns selbst, von den Sonnen strahlen erheblich beeinflußt. Ferner wirken sie auf das Blut und ganz besonders auch schmerzstillend.

Kulturgeschichtliches in unserer Sprache. Da unsere Wörter aus Zeiten herftammen, die längst hinter uns liegen, so deckt sich ihr heutiger Sinn oft gar nicht mehr mit dem, was sie an sich bedeuten; wenn wir uns aber diese ihre Grundbedeutung näher ansehen, so fommen uns damit oft Kulturzustände wieder zum Ve wußtsein, die uns sonst völlig fremd geworden sind. Die Be­zeichnung Fensterscheibe paßt auf unsere viereckigen Gläser ganz und gar nicht mehr, da Scheibe eigentlich eine ur sprünglich zum Drehen bestimmte runde Platte bedeutet, und andere Verbindungen wie die Schießfcheibe, die Drehscheibe auf Bahnhöfen, die Töpfericheibe, die Sonnenscheibe laffen auch heute noch diese Bedeutung erkennen. Die heutige Fensterscheibe ist aber gar feine echte Scheibe mehr, sondern führt nur den Namen ihrer Borgängerin, der kleinen runden, in Blei gefaßten Bußenscheibe, fort, die einst allgemein berbreitet war, und die neuerdings die Mode bei uns vielfach wieder aufgenommen hat. Das Feder messer erinnert an die Zeit, wo man die Gänsefeder für den Ger Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.- Drud u. Berlag: Vorwärts Buchdruderei u.Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.

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