den Angeln knarrt.... Die Mutter ist aus irgend einer Ursache traurig. Sie steht nachdenklich am Tisch. Das schwache Licht des vergehenden Tages, das durchs Fenster dringt, fällt auf ihr Gesicht, und Mitka bemerkt auf diesem Gesicht einen rätselhaften Ausdruck, halb Lächeln, halb irgend etwas anderes.... Maininka trägt ein blaues Kleid und die Haare in einen dicken Knoten zusamnien- gewunden, aus dem einzelne Locken auf ihre Stirn fallen.... Und Mitka liegt auf der Pritsche und richtet seine Augen in die Dunkelheit der Nacht; er möchte weinen und seine Maininka wieder haben..." .Du, Herr, schläfst Dil?' fragt er leise den Nachbar. He? Was?... ruft erschreckt derHerr"', stützt sich auf den Ellbogen und beginnt die verschlafenen Augen zu reiben. Wer Streichhölzchen gefressen hat, der kommt nicht ins Paradies?" Was r Der Wirt sagt: Wer Streichhölzchen gefressen hat, der kommt nicht ins Paradies.. Kommt, kommt... Alle komuren ins Paradies... Schlaf nur..." Aber Mitka kann nicht schlafen. Er denkt darüber nach, ob man seine Maminka wohl ins Paradies hineingelassen hat, ob er sie in jener Welt treffen wird... So verging ein Monat, der zweite... Mitka blieb im Asyl und auf jener Pritsche, wo seine verstorbene Maminka geschlafen hatte. DerHerr" war inzwischen verschwunden, auf seiner Pritsche schlief jetzt ein blinder, tauber Bettler. Der Alte gewann Mitka lieb, erzählte ihm Geschichtchen und liebkoste ihn. Er nahm Mitka als Führer mit, wenn er durch die Stragen wanderte und um Almosen bat. Ins Asyl zurückgeführt, erlaubte der Grog- Vater seinem kleinen Führer, den Inhalt des Sackes, in welchem die Almosen gesammelt wurden, zu leeren und alle Süßigkeiten für sich zu hchalten. An Feiertagen ging Mitka mit den: Großvater in die Kirche und betete für seine Maminka: Schenk' ewige Ruhe und Frieden, o Gott, der Magd des Herrn, meiner Maminka 1"... Einmal ging er mit dem Großvater hinter einem Leichen- bcgängnis auf dem Kirchhof und suchte Maminkas Grab. Aber er konnte es nicht finden und niemand konnte ihm sagen, wodie Magd GottcS Maminka" liegt.... Da grämte sich Mitka sehr. Ihm kam die Erinnerung an daS, tvaZ man ihm vom Tode Maminkas erzählt hatte: «Sie schabte die Köpfe von den Streichhölzchen ab. schüttete sie in den Tee, trank aus und starb.... Bei der Leiche wurde nichts gesungen, keiner verabschiedete sich von ihr, keiner weinte über sie---- Man grub ein Loch in den Lehm und verscharrte die arme Maminka darin.. Warum man so mit seiner Mutter Verfahren hatte, konnte Mitka nicht begreifen. �Fortsetzung folgt.). LcbilverKörigKeLt bei Schulkindern. Bon Otto Rühle . Die moralische und die intellektuelle Zukunft eines Kindes ist von dem FunktionS- zustande seines Ohres abhängig. v. Tröltsch . Vor mehreren Jahren wurde in derBerliner Aerztekorrespon- denz" über zwei Kinder berichtet, von denen daS eine vier, das andere fünf Jahre in der untersten Klasse einer Schule sitzen ge- blieben war, angeblich wegen großer geistiger Schwäche, in Wirk- lichkeit wie sich bei einer ärztlichen Untersuchung herausstellte wegen hochgradiger Schwerhörigkeit. Die Kinder hatten all die Jahre hindurch die Worte des Lehrers teils gar nicht, teils nur unvollkommen verstanden, ohne sich jedoch dessen recht bewußt zu werden, infolgedessen hatten sie dem Unterricht nicht folgen können, so daß sie von Jahr zu Jahr zurückgeblieben waren. Es gelang den ärztlichen Bemühungen, in dem einen Falle durch Entfernung gewisier Wuchernigen die Schwerhörigkeit zu beheben, daß das Kind bald wieder zum vollen Gebrauch seines GehörS gelangte. In dem anderen Falle war eine Besserung des Zustandes nicht mehr möglich; daS Kind mußte einer Taubstummenanstalt übergeben werden. Die Mitteilung in der erwähnten Korrespondenz hatte zur Folge, daß das preußische Unterrichtsministerium die Schularztfrage wieder in den Bereich ihres bekanntlich nichr gerade übermäßig großen schulhygienischen Interesses zog. Man schickte eine Kommission nach Wiesbaden , um die dort bereits vorhandenen, als musterhaft geltenden schulärztlichen Einrichtungen studieren zu lassen. Wiesbaden hatte, weil für seinen Ruf als Badestadt fiirditete, falls die traurigen Gesundhcitsverhätlnisse seiner Bolksschuljugend bekannt würden, unter den deutschen Städten zuerst Schulärzte angestellt; als man von oben der Einrichtung einiges Interesse zuzuwenden begann, öffneten bald mehrere größere und lleinere Städte die Türen ihrer Schulen den Aerzten, um deren Wirksamkeit ein neues, der Bestellung dringend harrendes Feld zu erschließen. Mit jedem Jahre ist seitdem die Zahl der Schulärzte größer und der Kreis ihrer Obliegenheiten in der Schule weiter geworden; wenn ei auch nicht gerade Eilzugsgeschwindigkeit ist, mit der die alte sozial- demokratische, ehedem verlachte und verketzerte Forderung zur Durch- führung gelangt, so gelaugt doch auch im Sekundärbahntempo die Sache allmählich vorwärts. Ja, in fortgeschritteneren ärztlichen wie pädagogischen Kreisen dringt sogar schon die Erkenntnis durch, daß die schulärztliche Ucberwachung in der Form, wie sie heute allgemein üblich ist, ihren Zweck nicht erfüllt und daß neben den Schulärzten noch S p e z i a l n r z t e in die Schule gehören. Prof. Cohn mit seinem Rufe nach Augenärzten steht keineswegs vereinzelt da, selbst praktisch ist man in bietet Hinsicht bereits vorwärts geschritten, indem einige Städte Spezialärzte zur Erfüllung der in der Schul« sich geltend machenden ärztlichen und hygienischen Forderungen herangezogen haben. Unter den Krankheitserscheinungen, die von Spezialärzten de- handelt zu werden pflegen, haben neben den Augen- und Zabnleiden die O h r e n l e i d e n verhältnismäßig wohl die meiste Aussicht, bei Anstellung von Schulspczialärzten in erster Linie mit berücksichtigt zu werden. Sind sie doch eine der häufigsten Ursachen von Störungen des Unterrichts, denn Unaufmerksamkeit und Leistungs- Unfähigkeit der Kinder gehen in viel mehr Fällen, als man ahnt, aus sie zurück. Die Zahl der schwerhörigen Kinder ist g a na außerordentlich groß. Der berühinte Ohrenarzt Dr. v. Reichardt in Riga prüfte inner- halb eines Jahres 1055 Schulkinder mit der Uhr' und fand, daß 22,3 Proz. das Ticken, das ein normales Ohr aus 30 bis 60 Fuß Entfernung hört, nur bis zu 18 Fuß vernahmen. Neben Kinder- krankheilen stellte er Unreinlichkeit und Erkältung als häufigste Ursache fest. Seine Veröffentlichung erregte in der medizinischen Welt Aus- sehen und bewirkte, daß auch andere hervorragende Ohrenärzte ähn- liche Untersuchungen vornahmen. Dr. Weil in Stuttgart pruste gegen 6000 Kinder mittels Flüster- spräche und Ohrspiegel und stellte auch die vorliegenden Ohren- erkrankungen durch genaue Untersuchungen fest. Er fand in einzelnen Schulklassen 25 bis 30 Prozent Schüler, deren Gehörvermögen irgend einer Störung unterlag. Kreispbysikus Richter in Groß-Wartenberg untersuchte 700 Kinder der Volksschule und konstatierte 110 mit geschwächtem Gehör, von denen sich nicht ein einziges in ärztlicher Behandlung befand. Unter 23 schwerhörigen Kindern war die Hälfte mit ihrem Leiden ganz unbekannt, auch die Lehrer wußten nichts davon. In Dresden stellte der Ohrenarzt Dr. Hänel unter den Kindern einer Schule 30,4 Prozent der Knaben und 22,6 Prozent der Mädchen alsan den Ohren nicht normal" fest. Dr. Bezold in München fand bei seinen Untersuchungen von zirka 2000 Schulkindern, daß 20 Prozent an Schwerhörigkeit litten und höchstens ein Drittel der normalen Gehörschärfe besaßen. Bezüglich der Heil- barkeit kam er zu dem Schluffe, daß bei 11,7 Prozent sichere Aussicht auf mehr oder minder vollständige Heilung bestand. Der amerikanische Ohrenarzt Dr. Sexton ermittelte 13 Proz. Kinder mit stark geschwächtem Hörvermögen, aber nur in einem Falle war dem Lehrer etwas davon bekannt; unter den Kindern selbst kannten nur 19 von 76 ihren eigenen Gehörfehler. Für Bordeaux ergab eine Statistik von Maure in 17 Proz. der Fälle Schwerhörigkeit. Die umfangreichsten und wertvollsten Ohrenuntersuchungen in neuerer Zeit hat Prof. O r t m a n n von der Marburger Univer- fität vorgenommen. Er fand bei 7537 Volksschülern des.Kreises Marburg , daß 2142<28,4 Proz.) schwerhörig und zum Teil mit den schwersten Ohrenlciden behaftet waren. Die Schwerhörigkeit war bei den Knaben verbreiteter<30 Proz.) als bei den Mädchen<26,8 Prozent). In einzelnen Ortschaften zeigten sich große Unterschiede, so daß die Zahl der Schwerhörigen zwischen 6.5 und 55,2 Proz. schwankte. Auf Grund einer Uebersichtskarte, auf der bei den einzelnen Orten die Prozentzahl der Schwer- hörigen angegeben waren, konnte Professor Ortmann vier Bezirke mit hohen und höchsten Prozentzahlen abgrenzen. Der erste Bezirk umfaßte die von einer relativ starken Arbeiterbevölkerung bewohnten Dörfer der nächsten Umgebung Marburgs . Die drei übrigen Bezirke lagen in den am meisten vom Verkehr abgeschlossenen Ecken des Kreises. Verhältnismäßig niedrige Prozentzahl wiesen die in den Flußtälern und deren unmittelbarster Umgebung ge- legenen Ortschaften auf. Professor Ortmann hat den Gründen für diese eigentümliche Verteilung der Schwerhörigkeit nachgeprüft und ist dabei zu folgenden Resultaten gekommen: In den Ortschaften der nächsten Umgebung Marburgs hat die weite Verbreitung der Schwer- Hörigkeit ihren Grund in den sozialen Verhältnissen. Die Bevölkerung ist arm und wie Professor Ortmann behauptet im höchsten Grade unsauber. Eine Folge dieser Verhältnisse ist das häufige Auftteten von Infektionskrankheiten, in deren Verlauf sich nichl selten Ohrenleiden entwickeln. In den übrigen drei Bezirken mit hohen Prozentziffern liegen die sozialen Verhälwiffe wohl etwas günstiger, hier ist der Grund der Erscheinung vor allem in dem Umstände zu suchen, daß es der Bevölkerung nur mit den größten Opfern von Zeit, Geld und Mühe möglich ist. sachkundige ärztliche Hilfe für die ohrenkranken Kinder zu erlangen. Die Bewohner der von Eisenbahnen durch» zogencn Flußtäler sind in dieser Beziehung im Vorteil, indem sie schnell, billig und auf bequeme Weise die Universitätsstadt Marburg erreichen können. Die Untersuchungen Prof. OrtmannS führen auf die Ursachen der Schtverhörigkeit und die Ohrenerkrankungen bei Kindern. Hier