Es war der Vater. Wenn die Mutter vorn im Laden xcnz in Anspruch genommen war, dann kam er angeschlorrt. In der Küche, die noch viel dunkler war, als die übrige Woh- nung, konnte er gar nichts sehen: da hielt er die Hände vor- gestreckt und tastete sich so weiter Tut Dich was weh?'' Ne/' hauchte sie leise. Willste denn noch nich bald ufsstehn?" ..Ne." Draußen scheint die Sonnet" Sie sagte nichts mehr. Da zog er einen Schemel herbei und ließ sich mit einem Seufzer neben ihr nieder. lFortsetzung folgt.) (Nachdruck yerrsikn.), 8] Ein Paria. Von Eugen Tschirikow. (Scblutz.) IX. DaZ Leben ging seinen Weg.... Bald hatte sich Mitka mit dem Tode deSHerrn" abgefunden. Die Karten hatte iein Freund ihm zu nehmen vergessen. Zu den Karten suchte jetzt Milka einen neuen Partner.... Der August verging. Heitere Tage wechselten init langweiligem, beharrlichem Regenwetter.... Endlos fiel der Regen, der Himmel war grau und trübe; traurig begannen sich in der Lust die gelb gewordenen Blätter der Pappeln zu drehen.... Die großen Fenster des Krankenhauses schienen kleiner zu werden, ihre Scheiben waren beständig belaufen, so daß es in den Krankensäleu dunkel, trübe und unfreundlich aussah.... Auch Onkel Iwan war mürrisch und verdrossen, wenn er aus dem Garten in den Krankensaal kam und, das Wasser von seiner Mütze schüttelnd und die Stirn runzelnd, sagte: Solch ein verfluchter Regen!"... Milka ging nicht mehr iii den Garten, in dem jetzt nur noch die Hunde unihertollten und das Schwein des Arztes sich herum- wälzte.... An einem trüben Morgeir kam der Feldscher in den Krankensaal, untersuchte einige Kranke unter ihnen auch Mitka und sagte beim Fortgehen zu Pettuckia: Diese drei zur Entlassung!"... Zur Entlassung I... DaS bedeutete also: fort aus dem Krankenhause... Lange saß Mitka auf seinem Bett und zerrte mechanisch an den Bändern des Kissenbezuges. Petrucha kam und begann, zwischen den Betten umhergehend, auf den schwarzen Täfelchcn die Ausschriften abzulöschen und die Krankenberichte herunterzunehmen. Na, Mitka, habe ich Dir richtig prophezeit?" warf Petrucha grob hin, während er die Tafel über MitkaS Bett ablöschte.Hast wohl leine Lust?... Bist verwöhnt?"... Milka schwieg. Aber als Petrucha den Krankensaal verließ, lief er ebenfalls hinaus und wendete sich im Korridor eiligst nach dem Zimmer Onkel Iwans. Onkel Iwan!" Was ist denn los?" Kann man mich von hier fortschicken?" fragte Mitka leise. Wieso? Wer sagte?"... Der Feldscher ivar bei uns... sagte entlassen".., Onkel Iwan seufzte und kratzte sich hinterm Ohr. Wird schon so sein... Nichts zn machen!" Ich möchte aber noch gerne ein bißcheil hier bleiben!" sagte Mitka, beinahe weinend. Ach I... Ich habe hier nichts zu sagen, mein Jnngche».... WaS bin ich?... Ich natürlich würde schon"... Bitte doch!" Wird man auf mich hören?!... Darf ich auch gar nicht... So ist schon mal die Vorschrift."... Ich würde Dir helfen... würde die Stuben fegen... scheuern... Ich..." Onkel Iwan schmatzte nur mit den Lippen und seufzte. Mitka I... Wo steckst Du denn, zu», Teufel I... Komm mit l" erklang plötzlich die Stimme Petruchas, der den Kopf durch die Tür steckte. Mitka drehte sich zur Wand um und rührte sich nicht. Nim? Wird's bald?" rief Petrucha wieder. Mitka schwieg und rührte sich nicht. Na, hörst Du nicht?" Onkel Iwan seufzte wieder, kratzte sich hinterm Ohr und machte sich an der Wanne zu schaffen, obwohl dazu gar keine Notwendigkeit vorlag. Petrucha trat ins Zimmer, nahm Mitka an der Hand und schleppte ihn fort. Mitka begann zu heulen, sich zu sträub m.... Da hast Du I... Für's Bocken I... Da I... Da!'... schrie Petrucha bös» und stieß Mitka mit dem Knie ins Kreuz. Mitka flog auS dem Zimmer. Petrucha schleppte ihn den Korridor entlang. Aus den Türen der Krankensäle traten die Kranken und folgten traurig mit den Augen dem weinenden Milka ---- Wohin mit ihm?" fragte einer der Wärter. In die Kleiderkammer... Wird entlassen."... Sie gingen den Hauptkorridor entlang und wendeten sich nach links, stiegen über eine steinerne Treppe in die untere Etage und gingen dann wieder durch einen Halbdunkeln, kalten Seitenkorridor... Mika konnte kaum mit Petrucha Schritt halten und hüpfte neben ihm her. indem er fortfuhr, leise zu schluchzen. Endlich kamen sie zur Kleiderianimer... Am Ende des Seitenkorridors zeigte sich links ein vergittertes Fenster, rechts eine schwarze Tür... Es roch nach Feuchtigkeit. Moder, ringsherum war es öde und traurig wie in einem Grabgewölbe... Warte hier!" befahl Petrucha. während er die Tür öffnete, welche sich kreischend in den rostigen Angeln drehte. Die Sachen für Nr. 1«, Ew, Wohlgeboren l Zur En!« lassung I" Mann oder Frau?" Knabe"... Dieses Gespräch klang von irgendwoher, wie aus der Erde heraus, durch die offene Tür: Mitka hörte Schritte. Dann wurde irgendwo eine Tür aufgeschlagen, dann eine zweite, eine dritte... Ringsherum war es still, totenstill. Der Aufseher der Kleiderkammer, ein Greis mit zitternden Händen und zahnlosen Kiefern, suchte brummend die Sachen von Nr. lb, hustete, schimpfte, schneuzte sich, meßte und schlug mit den Türen der Schränke... Nr. 16 sind Fraucnsachen I Du hast wieder irgend eine Konfusion gemacht..." meckerte er schließlich. Durchaus nicht, Ew. Wohlgeboren I.., Nr. 16... ganz richtig.. Aus welcher Abteilung?" Aus der dritten... Zuerst lag er in der zlveitcn, dann wurde er nach der dritten verlegt..,." Na, da haben wir'S ja... Schafskopf I... Unier welcher Nummer war er in der zweiten Abteilung?" Sofort. Ew. Wohlgeboren... einen Augenblick.. sagte Petrucha schuldbewußt, mit unterwürfigem Lächeln und lief fort, sich erkundigen. Bleib hier still sitzen! Rühr' Dich nicht, sonst..." flüsterte er Mitka zu, als er an ihm vorbeikam. Hell klangen die Schritte des Wärters in den langen, steinernen Korridoren. Das Echo gab sie verdoppelt zurück, so daß es schien, als ob Petrucha lause.... Aber schließlich verhallten die Schritte und wieder herrschte ringsum Totenstille. Milka wurde es plötzlich bange. Wieder kam ihm die Cr- innerung an Kalinsli und ein Frösteln lief ihm wie Anieisen über den Rücken. Irgendwo schlug eine Tür zu, und Milka sprang vom Fensterbrett herunter und stürzte entsetzt in die Kleiderkammer. Aus der Tiefe des weiten Raumes schaute der Aufseher, die Augen zusammenkneifend, scharf nach Mitka hin. Nachdem beide einige Minuten so gestanden hatten, schlürfte der Greis zur Tür und fragte mit heiserer Stimnie: Was willst Du?" Nichts.. Du... was für eine Nummer hast Du?" Ich habe keine Nummer...." Der Ausseher sah ihn noch einige Augenblicke mit erloschenen Augen an, strich sich über die Nase und ging fort.... Sieht wie ein Hexenmeister aus... dachte Mitka. Jetzt kam Petrucha zurück. Wo bist Du hingckrochen? Ich habe Dir doch besohlen. Du sollst dort..." flüsterte er. stieß Mitka ins Genick und trat devot. auf den Fußspitzen, in die Klciderkammer.In der zweiten Ab- tcilung, Ew. Wohlgeboren, war er unter Nr. 9... Na. dann sag' das doch gleich... Tölpel!" brummte der Alte und begann wieder mit den Schlössern zn rasseln.Hier! Nimm I... Die reinen Lumpen... Dort I DaS Bündel da unten"... wies der Beamte mit den» Fuß auf Mitlas Sachen. Weiter nichts?" fragte Petrucha, ein Bündel von dem untersten Brett des Schrankcs scharrend. Als Antwort rasselte das Schloß. Nun, Junge, geh' hinter den Schirm I Da hast Tu Deine Lumpen!... Zieh' das KronSeigentum aus I" gebot Petrucha. Mitka führte gehorsam aus, waS man ihm befahl. Fünf Minuten später trat er unkenntlich hinter dem Schirm hervor: wieder trug er die viel zu weiten, geflickten Hosen, wieder hing die fettige Weste plump auf seinem schmächtigen Körperchen, wieder hatte er an den Füßen die schiefgetretenen Stiefeletten mit den abgelösten Sohlen und den Löchern, aus denen die Zehen hervor- guckten. Da nimm auch Deinen Sack! Wird Dir noch zu paß kommen.... Die Ratten haben ihn etwas angenagt na, die wollen auch was zu fressen haben"... sagte Petrucha und warf einen schmutzigen, mit Bindfaden zusammengebundenen Sack auf den Boden. Milka bückte sich und nahm den Sack auf... Jetzt hast Du Deinen ganzen Staat... Komn»' ins Bureau!" Wieder gingen sie durch Korridore, wieder stiegen sie eine Treppe hinab.