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Geographisches.

gehoben fei der schöne Unschlag zu den Memoiren von Wanda die Sarja" am 25. September desselben Jahres in der Seehundsa b. Sacher- Masoch( Verlag von Schuster u. Loeffler): graugelber bai ben neuem einfror. Die überaus widrigen Stürme in einem Grund; in feiner, ausdrucksvoller Linie geschwungene, braune Meeresteil, wo Nordenskjöld auf seiner berühmten Wega"-Expedi Dornranken; hellblaue, kräftige Schrift. Die Erfindung ist nicht tion nur Winde getroffen hatte, die dem Tollschen Unternehmen sonderlich originell, aber die Ausgestaltung der einfachen Idee sehr günstig gewesen wären, verurteilten das Schiff zu diesen geringen hübsch und eigenartig. Alles in aliem sprechen die Arbeiten Ban- Leistungen. Die zweite Ueberwinterung fand auf der Kotelny- Insel ders weniger für die persönliche Bedeutung des Künstlers, als für statt, nachdem wenigstens das Bennett- Land gesichtet worden war, das sehr erfreuliche Durchschnittsniveau unserer modernen Graphit. ohne daß man zu landen vermochte. Im Juni des Jahres 1902 Der funstgewerblichen Kultur sind im letzten Jahrzehnt so breite brach dann Toll mit 6 Gefährten nach der Bennett- Insel auf, wo und solide Fundamente gelegt worden, daß auf dieser gefunden er nach der zuletzt aufgefundenen Urkunde von seiner Hand auch Basis heute auch mittelstarke Talente zu durchaus achtbaren angekommen, von wo er aber nicht zurückgekehrt ist. Die Schilde Leistungen fich emporschwingen fönnen. Die Ausstellung ist bis rungen des Tagebuchs, das bis zum Aufbruch nach der Bennett zum 15. April täglich von 11-2 Uhr unentgeltlich geöffnet. Infel reicht, enthalten reiche und lebhafte Einzelheiten nicht nur J. S. von dem allgemeinen Verlauf der Expedition, sondern auch von der Natur der bereisten Meeresteile und der Küstenländer, die durch Die Tagebücher einer verschollenen Bolar mehrere Schlittenreifen von den Ueberwinterungsstationen aus ge­Expedition. Ein durch bedeutende geographische Leistungen in nauer durchforscht wurden. Als das wichtigste Ergebnis kann der Sibirien und den vor der Nordküste lagernden Inseln berühmter Nachweis betrachtet werden, daß auch jene Gebiete eine Eiszeit Forscher, Eduard v. Toll, ist seit dem Jahre 1903 verschollen. Seine durchgemacht haben, deren genaue Aufklärung vom höchsten Werte Teste Unternehmung war die sogenannte" Russische Bolarexpedition" fein würde. auf dem Schiff Sarja", die am 2. Juni 1900 mit einem stattlichen Archäologisches. Stab wissenschaftlicher Fachleute und auf Beobachtungen ein- Der Fährgroschen der Toten. In den Ausstellungs­gearbeiteter Offiziere von Petersburg aufbrach. Das Ziel waren räumen des Britischen Museums in London war bor furzem eine die Neusibirischen Inseln, die sich im Nordosten der Mündung des intereffante Sammlung zu sehen, durch die bis in alle Einzelheiten großen Lenastroms ausdehnen. Diese Inseln waren durch Toll das tägliche Leben der alten Griechen und Römer veranschaulicht schon in den Jahren 1885 und 1886 während einer von der Kaiser- und erläutert wurde. Da schritt der Besucher an Puppen und Ge­Lichen Russischen Geographischen Gesellschaft ausgerüsteten Expedi- räten für Puppenhäuser vorbei, wie sie vor mehr als 2000 Jahren tion gemeinsam mit Alexander Bunge durchforscht und dann 1893 das Entzüden der kleinen Mädchen gebildet; er konnte die freis zum zweitenmal besucht worden. Bei der neuen Reise, von der runden Scheiben betrachten, die man als Eintrittsbilletts für das Eduard v. Toll nicht mehr zurückgekehrt ist, handelte es fich aber um Theater oder auch als Spielmarken gedeutet hat, sah die verschiedenen cine besonders von ihm selbst gestellte Aufgabe, nämlich um die Auf- Arten des Griffels und die hölzernen Wachstäfelden, auf denen da * lärung der in vielen Beziehungen für die Geographie des Nord- mit geschrieben wurde; zahlreiche Formen der Fußbekleidung, des polarmeers wichtigen Frage, ob fich noch nördlich von den Neu- Schmuckes, antike Möbeln und hundert andere Dinge bis zu den Würfeln fibirischen Inseln ein Land befindet. Vor etwa einem Jahrhundert und Knöcheln", mit denen noch die Großen spielten, waren ver­nämlich, im Jahre 1805, fab der russische Polarfahrer Sanitow von einigt. Eine besondere Abteilung war den antiken Totengebräuchen der Nordspize der Insel Kotelny, der größten des Archipels, gegen gewidmet, und alle Einzelheiten einer altgriechischen Bestattung Norden Hochland und ein weiteres in der Richtung auf Nordost. konnten verfolgt werden. Unter den mannigfachen ergreifenden und Jenes wurde als Sanikow- Land bezeichnet, seine Eristenz aber rührenden Zügen, die aus diesen Geräten des alten Totendienstes später angezweifelt, da es dem Leutnant Anjou im Jahre 1824 nicht fich offenbarten, erregte besondere Aufmerksamkeit eine schön geformte gelang, es wiederzufinden. Das Vertrauen in die Angaben von athenische Urne, die verfalfte Knochen enthielt: zwischen den Sanitow erhält aber wiederum eine Stärkung dadurch, daß das Kieferknochen fonnte man noch den Obolus stecken sehen, der in den andere von ihm angegebene Land im Nordosten von Kotelny im Mund des Toten gelegt wurde, damit er ihm bei der Fahrt über Jahre 1874 von dem Amerikaner De Long tatsächlich entdeckt wurde. den Styg als Fahrgroschen für Charon_diene. Die Sitte, den Es ist die heute auf allen Starten verzeichnete Bennett- Insel, die abgeschiedenen Seelen für die Ueberfahrt über den Totenfluß in das später vermutlich das Grab Tolls geworden ist. Dieser Forscher war Reich der Schatten ein Geldstid mitzugeben, war im Altertum viels von dem Vorhandensein des umstrittenen Sanitow- Landes feiner fach verbreitet; sie hat auch, wie wir einem Aufsatz von G. L. Apperson feits überzeugt, da er 1886 selbst Land in der Richtung gesehen und in Chambers's Journal entnehmen, noch in christlichen Zeiten forts fogar soweit erkannt hatte, daß er seine Zusammensetzung aus bestanden und ist auch heute noch in einigen Gegenden erhalten. Der vulkanischem Basalt mutmaßen fonnte. Auch Nansen muß auf seiner berühmten Expedition unweit an diesem Land vorüber- bolus, zuerst aus Silber und später aus Bronze, den der Athener dem Toten mitgab, betrug etwa zwölf Pfennige unseres heutigen gekommen sein. Zwar fonnte er wegen unsichtigen Wetters ein Geldes; es war also ficherlich keine allzu große Summe, die dem folches nicht sehen, doch wurde seine Nähe durch Züge von Stelz­vögeln verraten. Toll hatte sich danach als Hauptziel seiner Er: Fährmann Charon für seine Mühewaltung gezahlt wurde. Die Münze wurde nicht immer in den Mund des Toten pedition vorgeseht, das Rätsel des Sanikow- Landes zu lösen und geftedt, fie ist ihm bisweilen in die Hand feine etwaige Ausdehnung nach Norden festzustellen. Um der Unter- oder wird in anderen Fällen in eine Art Börse gelegt, die gegeben, nehmung auch ein praktisches Relief zu geben, wies er darauf hin, dann neben dem Körper ihren Platz findet. Eine noch merkwürdigere daß die Expedition zur Untersuchung neuer Lager von Mammut­

elfenbein und zur Erschließung eines Schiffsweges von der Lenart, den Fährgroschen des Toten aufzubewahren, wurde vor einigen nach der Kolymamündung führen könnte. Vorzüglich ausgerüstet, Jahren bekannt, als man eine gallorömische Begräbnisstätte aus der mit einem wohlausgearbeiteten Plan und trefflich beraten von Zeit des römischen Kaiserreichs bei Vernon in Frankreich ausgrub. Nansens Autorität brach die stattliche Expedition auf, von der ihr 22 Skelette wurden hier gefunden, von denen jedes eine irdene Base Führer mit sechs seiner Begleiter die Heimat nicht wieder erblicken unter dem rechten Arm und in einem der Augenlöcher eine bronzene Auch heute noch wird ja bisweilen dem Toten eine follte. Das Schicksal der Expedition erregte selbstverständlich große Münze trug. Bekümmerung in Rußland , und es wurden auch wiederholte und Münze aufs Auge gelegt. In zahlreichen Gräbern werden Münzen gründliche Nachforschungen angestellt, aber alle blieben vergeblich, gefunden, bon denen sich nicht feststellen läßt, wohin fie ursprünglich und schon seit mehreren Jahren hat man weitere Versuche aufgelegt wurden. Es ist anzunehmen, daß es sich fast immer bei diesen Geld­gegeben. Jetzt ist dem heldenhaften Forscher endlich ein Denkmal füden um den Groschen für den Totenfährmann handelt. Gleich vielen gesetzt worden, wie es ihm selbst lieber sein würde als ein solches anderen heidnischen Gebräuchen ist auch die Sitte des Totengroschens bon Erz, indem feine Tagebücher, die er gleichzeitig für seine in leicht veränderter Form beim chriftlichen Begräbnis vielfach bei Ein Pfennig oder eine andere Münze wurde in Familie niederschrieb und bei Gelegenheit nach Hause fandte, ver- behalten worden. öffentlicht worden sind, und jetzt auch in deutscher Sprache er- pförtners Petrus dadurch erlange und dieser ihm die Tore zum den Mund des Toten gelegt, damit er die Gunst des Himmels­scheinen werden. Diese Tagebücher besitzen einen hohen Wert, nicht Baradies öffne. Beschreibungen dieser Sitte werden z. B. aus dem nur in wissenschaftlicher Hinsicht, sondern auch als menschliches fiebzehnten Jahrhundert für England von John Aubreh bestätigt, Dokument. In dieser Beziehung stehen sie höher als das, was man der sie in Wales und den nördlichen Provinzen Englands beobachtete. gewöhnlich auch von vielseitig gebildeten Forschern zu lesen be- Bei den Bauern Frankreichs ist der Brauch, dem Toten eine Münze tommt, weil Toll den Schatz eines ungewöhnlich reichen und tiefen in die Hand zu geben, bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein noch Gemüts besaß. Obgleich der Verfasser sein nahes Lebensende wohl kaum gefürchtet oder gar geahnt hat, finden sich doch Betrachtungen gang und gäbe gewesen; er findet sich auch noch heute hier und da. in den Tagebüchern, an denen man ohne eine gewisse Erschütterung Hamerton beobachtete diese Totenfitten vor dreißig Jahren bei den nicht vorübergehen kann. Aber auch deshalb ist diese Veröffent- in seiner Reiseschilderung, und können nicht sagen, warum sie die Bauern von Burgund ." Sie haben Charon vergeffen", schreibt er lichung wichtig und notwendig gewesen, weil sie zeigt, daß die Er Münze in die tote Hand legen; aber sie würden dieſe feierliche pedition nur ein Opfer derartiger Naturkräfte geworden ist, die

außerhalb der Berechnung jedes Menschengeistes lagen, so daß der Handlung nicht unterlassen.

Klarer ist ihnen schon der Brauch,

Ruhm des Führers durch den ungünstigen Ausgang in feiner Weise warum sie Blumen in den Sarg eines Kindes legen. Sie geben beeinträchtigt wird. Schon am 1. Oktober tam das Schiff an der als Grund dafür an, daß das Kind doch etwas haben muß, womit Stüfte der Taimyr- Halbinsel in solche Schwierigkeiten des Treib- es spielen könne. So waltet auch hier noch der alte flaffische eises und des Windes, daß zur ersten Ueberwinterung geschritten Gedanke, daß irgend eine Art von Leben auch im Grabe noch dunkel werden mußte, die fast ein volles Jahr dauerte, da das Fahrzeug fich fortsetzt."

erst am 25. August 1901 wieder lostam. Die nächste Stampagne war

soch viel ungünstiger, denn sie dauerte nur einen Monat, worauf

Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.- Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Baul Singer& Co., Berlin SW.