STc dürren Finger die Scheibchen des Belages anfaßten. Ter Kkel schüttelte sie. Hinter der Kiste mit Feuerung, die in der Küche au*- gestellt war, richtete sie sich«ine eigene reme Speisekammer 'ein; da hielt sie sich, je nach Gelüst, Schokoladentafeln, Bonbondüten, Stachelbeertörtchen, Windbeutel mit Schlag- sahne und dergleichen mehr. Auch eine Flasche süßen Likörs war dort verborgen. Die Abende waren so einsam. Um acht schloß Fräulein 'Haberkorn selber die Tür, die nach der Hintertreppe führte, zu, legte die Riegel vor und nahm den Schlüssel mit in die Stube. An ein Hinunterhuschen und ein abendliches Schwätz- >chen vor der Haustür war nicht zu denken. Berta kam sich vor wie eine Gefangene. Einer stillen, stetigen Handarbeit war sie längst entwöhnt, die hätte so wie so niemals zu ihren besonderen Liebhabereien gehört; jetzt standen ihr die Finger gar nicht mehr danach. So saß sie untätig am Küchentisch: es war zum Verrückt- werden vor Langerweile, wäre derSüße" nicht gewesen! Von dem nahm sie dann ein Schlückchen und noch eins, bis eine angenehme Empfindung des Fliegens sie überkam, ein Ge- fühl des Enthobeuwerdens; sie war der Umgebung entrückt. Nichts mehr von Totenstille, nichts von Einsamkeit wie ein leichter Schleier fiel es über ihre Gedanken, zarte Rosen blühten auf ihren Wangen auf, und ihr Mund lächelte. Eines Tages kam Mine für ein paar Augenblicke herauf. ».Ne, Mädel," sagte sie vorwurfsvoll,warum läßte der denn Gar nich sehen? Ich denk schon, Tu bis krank, oder biste mer Heese?" Berta, die die Tür nur ein Ritzchen geöffnet hatte, gerade weit genug, um Mine hereinschauen zu lassen, schnitt eine häßliche Grimasse.Die Olle," sagte sie finster, und ein tückisches Funkeln glomm in ihren Augen auf,die läßt mer ja nicht Wenn ich das gewußt hätte! Eingespunden, begraben bei lebendigem Leibe" lFortsetzung folgt.) lNachdruck fitrJoffn.J Der f>acUr zweier JVIirgoroder 4} Größen. Von Nikolaus Gogol. Was ist denn schmähliches daran? Und warum fuchtelt Ihr so mit den Armen herum, Iwan Jwanowitsch?" Ich wiederhole es, wie könnt Ihr Euch erkühnen, allem An- pand zum Hohn mich einen Gänserich zu schelten?" Pfui Teufel noch einmall Iwan Jlvanowitsch! Ihr habt ja wirklich zu schnattern begonnen." Jetzt vermocht« Iwan Jwanowitsch sich nicht mehr zu bchcrr- schen: seine Lippen bebten, der Mund glich nicht mehr wie ge- wohnlich einem V, sondern nahm die Gestalt eines 0 an; mit den Augen blinzelte er so stark, daß es schreckencrregend aussah. Das war bei Iwan Jwanowitsch höchst selten der Fall, er mußte schon sehr wütend sein.Ich erkläre Euch also," brachte Iwan Jwano- witsch endlich heraus,daß ich von Euch nichts mehr wissen Willi" Ein schreckliches Unglück! Bei Gott, ich werde deshalb nicht weinen!" erwiderte Iwan Nikiforowitsch, und er log, bei Gott, er logl Es ärgerte ihn im höchsten Grade. Mein Fuß wird Euer Haus nicht mehr betreten!" He, he!" rief Iwan Nikiforowitsch aus, der vor Aerger nicht wußte, was er beginnen sollt« und gegen seine Gewohnheit sich erhob und ganz aufrecht stand.He, Mütterchen, Junge!" Auf diesen Ruf erschienen an der Tür dasselbe hagere alte Weib und ein Bursche von kleinem Wukse, der über seinen langen, breiten Äock stolperte. Ergreift Iwan Jwanowitsch bei den Armen und führt ihn zur Tür hinaus!" Wie? Einen Edelmann?" rief Iwan Jwanowitsch im Bc° wußtsein seiner Würde mit boller Entrüstung aus.Erkühnt Euch nur! Kommt heran! Ich vernickte Euch mitsamt Eurem dummen Herrn! Der Rabe findet keine Spur von Euch!" lJwan Jwano- witsch sprach sehr kräftig, wenn sein Gemüt in Wallung war.) Die ganze Gruppe stellte ein großartiges Bild dar: Iwan Niki- forowitsch in der Mitte des Zimmers stehend, in seiner vollen Na- turschönheit, ohne jedwede Kunstbcigabe; das hagere alte Weib, mit aufgesperrtem Munde und dem Ausdrucke des gedankenlosen Schreckens auf dem Gesichte; Iwan Jwanowitsch wie ein römischer Tribun den Arm hoch erhoben. Es war ein außergewöhnlicher Mo- mcnt, ein erhabenes Schauspiel! Und das hatte nur einen Zu- schauer: den Jungen in dem unermeßlichen Rocke, der ziemlich ruhig da stand und sich mit den Fingern die Nase putzt?. Endlich griff Iwan Jwanowitsch nach seiner Mütze. .Ihr benehmt Euch sehr schön, Iwan Nikiforowitsch! prachtvoll! Da» gedenke ich Euch)* Marsch, Iwan Jwanowitsch, marsch! Und hütet Tuch, mir tri den Weg zu treten, sonst, Iwan Jwanowitsch, schlage ich Euch alle Zähne aus!" Das ist meine Antwort, Iwan Nikiforowitsch!" erwiderte Iwan Jwanowitsch, drehte ihm ein« Nase und schlug die Tür hinten sich zu, die mit einem schrillen Ton ins Schloß fiel und sich dannl wieder öffnete. Iwan Nikiforowitsch zeigte sich an der Tür und wollte etwas hinzufügen, Iwan Jwanowitsch blickte sich aber nicht mehr um und eilte davon, III. (Was nach dem Streite des Iwan Jwanowitsch mit Iwan Niki« forowitsch weiter geschah.) Und so sind zwei achtbare Männer, die Ehre und der Schmuck Mirgorods, miteinander in Hader geraten! Und weshalb? Wegen eines Nichts, eines Gänserichs! Sie wollten einander nicht mehr ansehen, brachen jede Verbindung ab, während sie früher als un- zertrennliche Freunde bekannt waren. Sonst pflegten Jwem Jwa­nowitsch und Iwan Nikiforowitsch tagtäglich zueinander zu schicken und sich gegenseitig nach ihrem Befinden zu erkundigen. Oft unter- hielten sie sich von ihrem Balkon aus und sagten einander so ange­nehme Dinge, daß einem beim Anhören das Herz vor Freuds hüpfte. An Sonn- und Feiertagen pflegten Iwan Jwanowitsch in seiner stattlichen Pekesche und Iwan Nikiforowitsch in seiner gelb- zimtfarbenen Kosakenjacke aus Nanking fast Arm in Arm zusam- men sich in die Kirche zu begeben. Weivr nun Iwan Jwanowitsch', der ein sehr scharfes Auge hatte, eine Pfütze oder sonst irgend einen Unflath(in Mirgorod nichts seltenes!) inmitten der Straße bc- merkte, Eo sagte er immer zu Iwan Nikiforowitsch:Gebt acht, tretet da nicht mit dem Fuße auf, es ist nicht geheuer." Iwan Nikiforowitsch seinerseits zeigte wieder Beweise der rührendsten Freundschaft und wo immer er stand, stets streckte er den Arm aus, um Iwan Jwanowitsch mit einem freundlichen: »Ist's gefällig?" eine Prise anzubieten. Und welche Landwirtschast bei dem einen wie bei dem andern!... Und diese beiden Freunde ... Als ich davon hörte, war ich wie vom Blitze getroffen! Ich wollte es lange nicht glauben. Du gerechter@ottl_ Jnßm Jwano­witsch mit Iwan Nikiforowitsch entzweit! Solche würdige Männerl Was hat denn überhaupt Bestand auf Erden? Iwan Jwanowitsch befand sich, als er zu Hause anlangte, in einer geivaltigen Aufregung. Sonst pflegte er vor allem in den Stall zu gehen und nachzusehen, ob die Stute ihr Heufutter verzehrt hatte. (Iwan Jwanowitsch hatte eine rehfarbene Stute mit einer Blässe auf der Stirn; ein sehr hübsches Tier.) Dann fütterte er die Trur- Hühner und Ferkel aus der Hand, worauf er sich erst auf sein Zimmer begab. Dort schnitzte er Holzgeschirre. Er verstand es sehr kunstvoll, so gut wie jeder Drechsler viele schöne Sachen aus Holz zu schnitzen, oder er las in irgend einem Buche, dessen Titel Iwan Jwanowitsch nicht mehr im Gedächtnisse war. Die Magd hatte nämlich längst schon das Titelblatt zur Unterhaltung des Kindes abgerissen. Dann ruhte er gewöhnlich aus dem gedeckten Balkon aus. Jetzt unterließ«r alle bisherigen Lieblingsbeschäftigungen. Statt dessen begann er die ihm begegnende Gapka zu schelten, daß sie sich müßig herumtreibe, während sie doch einen Sack Graupen in die Küche schleppte. Dem Hahn, der wegen seiner täglichen Gabe ihm bis in den Hausflur gefolgt war, schleuderte er ein Holzstück nach. Ja sogar dem kleinen schmutzigen Jungen im zerlumpten Hemdchen, der auf ihn zulief und schrie:Väterchen, Väterchen, wo ist mein Pfefferkuchen?" zeigte er eine sehr drohende Miene und stampfte so furchtbar mit den Füßen, daß der erschreckte Junge sich Gott weiß wo verkroch. Endlich kam er zu sich, und fing an seinen Geschäften nachzu- gehen. Spät erst setzte er sich zum Mittagessen und gegen Abend ruhte er von den Tagesmühen unter dem Wetterdache aus. Ter gute Barschtsch") mit Tauben, den ihm Gapka gekocht, hatteden Vorfall am Morgen ganz aus seinem Gedächtnis verwischt. Iwan Jwanowitsch betrachtete wieder mit Behagen seine Wirtschaft?- gebäude, zuletzt ruhte sein Auge auf dem benachbarten GeHöst und dann sagte er zu sich selbst:Ich war heute nicht bei Iwan Nikiforowitsch, ich will einmal nachsehen!" Mit diesen Worten nam Iwan Jwanowitsch Hut und Stock und begab sich auf die Straße; kaum war er aber aus dem Tor getreten, als er sich des Zankes erinnerte, ausspuckte und wieder umkehrte. Fast dixselbe Bewegung fand im Hofe des Iwan Nikiforowitsch statt. Iwan Jwanowitsch sah, wie die Magd schon den Fuß auf den Zaun setzte, um hinüber- zuklettern, als plötzlich die Stimme des Iwan Nikiforowitsch er- tönte:Zurück! zurück! Ist nicht nötig!" Indessen wurde es Jwari Jwanowitsch sehr unbehaglich. Es ist sehr wohl möglich, daß diese würdigen Personen sich am zweiten Tage versöhnt hätten, wenn nicht ein besonderes Ereignis im Hause des Iwan Jwanowitsch jede Hoffnung vernichtet und nicht Oel in das erlöschende Feuer der Feindschaft geschüttet hätte. Am Abnd dieses selben oenlwürdigcn Tages langte bei Iwan Nikiforowitsch Agafia Fedossejewna an. Agafia Fedossejewna war keine leibliche Verwandte, keine Schwägerin, ja nicht einmal eine Gevatterin des Iwan Nikiforowitsch. Dem Anschein nach war gar kein Grund vorhanden, eigens zu ihm zu reisen und cr war auch *) Eine Suppe aus gesäuerten roten Rüben mit eingerührten! Eiern. Snm. des UebcrsetzerS,