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Fleiß ohne F"( Läufe) sind schon seit dem 16. Jahrhundert| feinerung und das der Verrohung. Aber sie jagen fich im Kreise beliebt. Nicht viel jünger ist das umgekehrte Verfahren, z. B. herum: was vor hundert Jahren verpönt war, ist heute wohl Uhr mit"( Hure). Kein Geringerer als Luther , dem bei aller anständig und wird nach abermals hundert Jahren vielleicht wieder Vorliebe für energische Ausdrücke manches doch zu derb war, hat roh erscheinen. Mitbestimmend sind dabei natürlich vielerlei fulturelle fich des Mittels der Buchstabenumkehrung bedient( z. B. sra"), und selbst wirtschaftliche Faktoren: Daß ein Agrarvolk in sprachlicher um kräftige Wörter weder ganz zu vermeiden, noch direkt zu ge- Beziehung ganz anders empfindet als ein Industrievolk, ist brauchen. selbstverständlich. Wir sehen ja die Unterschiede zwischen Stadt- und Eine besonders reichhaltige Fundgrube für beschönigende Aus-( unverfälschter) Landsprache bei uns oft genug. Ein beispielmäßiger brücke boten natürlich die fremden Sprachen. Das Wort„ Dame" Fattor ist auch etwa der juristische Begriff der formalen Beleidigung. bescherte uns Frankreich zu Anfang des 17. Jahrhunderts, in dessen Um eine solche zu umgehen, wählt jemand unschuldige Ausdrücke. zweiter Hälfte es schon gleichbedeutend mit„ Hure" war.( Es gibt aus irgendwelchen Gründen bürgern sich diese Ausdrücke zur Be Schwerlich ein Wort zur Bezeichnung weiblicher Wesen, das diesen zeichnung eines bestimmten Typus ein, sie werden allmählich Sinn nicht schon einmal im laufe der Zeiten gehabt hätte.) Ettner Gemeingut, bekommen immer ausschließlichere Bedeutung, bis sie entrüstet sich 1719 in seinet. Medizinischen Maulaffen" folgender- zuletzt gerade das, was sie vermeiden sollten, bewirken: die formale maßen: Ja ihr Herren, da ein Wagen ein Wagen, eine Hure eine Beleidigung. Gerade die Geschichte der Parteipolitik bietet dafür Hure, und ein Schelm ein Schelm hieße, da war es noch eine gute zahlreiche Beispiele. Ich erinnere nur an das Wort„ Streifbrecher". Beit, und funte einer dem andern trauen. Nun aber ein Wagen Kein derber Schimpfname gilt preußischen Richtern für beleidigender. eine Chaise, eine Hure eine Dame, und ein Schelm ein Politicus Und freilich mit Recht: ohne es zu wollen, berurteilen diese Richter Heißet, so ist die Redligkeit aus der Welt geflohen, und man muß damit die Sache, deren Ausübung fie schützen wollen. wohl zusehen, was man redet." Dr. Franz
Wichtiger als das Französische ist indeffen das Lateinische, dem bereits im 15. Jahrhundert und noch heute zahlreiche Euphemismen entnommen werden. Zu den ältesten Lehnwörtern dieser Art, die übrigens meist nicht auf den klassischen, sondern auf den spät Tateinischen Sprachgebrauch zurückgehen, gehört das„ Sekret" ( ursprünglich locus secretus") für Abtritt". Es ist merkwürdig, daß das Eigenschaftswort allein schon früh in diesem Sinne gebraucht wird, während der„ Lokus" erft eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts ist. Das Wort„ Sekret" hielt sich lange. Noch Grimmelshausens Springinsfeld"( 1670) zeigt die Frage: Kleiner, Wo ist das Secret?" Can Ein weites Gebiet weist den Euphemismen natürlich das feruelle Gebiet. Die Erotik des 18. Jahrhunderts ist geradezu eine Beispielfammlung der Euphemistik. Daß man hierbei in lächerliche Geziertheit umschlug, ist für die Schlüpfrigkeit durchaus charakteristisch. So wurde schließlich das Wort„ nadt" ganz und gar verbannt: ,, in naturalibus" jagten feine Leute wie übrigens heute noch, wenn nicht gar, zur Erhöhung der angeblich vermiedenen Anschaulichkeit, in puris naturalibus"( in reiner Natur). Eine im 17. Jahrhundert sehr beliebte Gattung von Wort Spielereien wird durch Ausdrücke wie lateinisches Lob"( Lob Lateinischlaus) bertreten. Sehr drollig, wenn dann der Autor gleichwohl in Klammern beigefügt:„ berstunde die Läuse". Wie schnell der Sinn zum Unsinn wird, folgte zugleich daraus, daß wir 1705 schon wieder den Ausdruck lateinische Läuse" finden, den der betreffende Autor wahrscheinlich selber nicht verstanden und vielleicht als ein Gegenstück zu den„ böhmischen Dörfern" auffaßte.
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Auf der Suche nach euphemistischen Wörtern blieb man nicht bei den Buchstaben stehen: auch die Zahlen mußten herhalten. Be tannt ist die„ Numero Null", deren Entstehung in einem Gasthause mit numerischen Zimmern leicht begreiflich ist, zumal wenn wir wissen, daß diese Wendung erst im 19. Jahrhundert auftauchte, das mit der Vervielfältigung des Verkehrs wohl auch erst die Nume rierung der Hotelzimmer bewirkte.
Meiner Sir", als Beteuerung, geht zurück auf meiner Sechs", das wiederum die abergläubische Verstümmelung von meiner Seel" darstellt.
Numero 7" ist ein früher häufiger Ausdruck für den Galgen, der ja, wenn er nur aus einem Stamm mit Querballen besteht, einer Sieben gleicht.( Möglich übrigens, daß der Ausdruck Nummer Sieben" als bloß äußere Anlehnung auf die einstige Nummer Sieben" zurückzuführen ist.)
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Unaufgeklärt ist der uralte Name„ Achtundzwanziger" für einen Angeber. Und ebenso find die noch heute in Freiburg gebräuchlichen Schimpfwörter Vierziger, Halbachtziger, Doppelzwanziger" nicht mehr zu deuten.( Wie schnell die Zeit derartige Ausdrücke prägt, beweist uns ja der§ 175 des Strafgesetzbuches: Der Name Hundert fünfundsiebziger" ist bereits eine ganz geläufige Bezeichnung für Homosexuelle.)
Kleines Feuilleton.
Aus dem Tierleben.
Shuzfärbung und Mimikry. Die Erscheinungen der Schußanpassung durch Aehnlichkeit( Schutzfärbung und Mimikry) sind Schulbeispiele, die uns in den Gedankenkreis des Darwinismus natürliche Auslese der den Lebensbedingungen am vollkommensten angepaßten Individuen einführen helfen. So mancher hat wohl im Berliner Naturhistorischen Museum den Blattschmetterling be wundert, dem man es auf den ersten Blick gar nicht ansehen will, warum er seinen Platz unter dem Glas neben anderen Gliederfüßlern gefunden hat, wo er seinem Aeußeren gemäß besser in ein Blätter herbarium gehörte.
Wie gesagt, wir erklären uns die Erscheinung solcher. volltommenen Aehnlichkeiten durch die natürliche Auslese, die der allgewaltige Kampf ums Dasein innerhalb einer Anzahl gleicher und dabei doch ein wenig voneinander in ihrem Aeußeren abweichender Individuen vollzieht. Jm Biologischen Zentralblatt" macht nun Doflein darauf aufmerksam, daß man bei der Erklärung der Entstehung der Schuzanpaffungen auch die psychischen Vorgänge mit berüdjichtigen müsse, die, seiner Meinung nach, die Schußanpassung für die schutzsuchenden Tiere erst zu einer nüglichen machen.
Doflein stützt sich dabei auf Beobachtungen, die er auf der Insel Martinique an drei Arten der Eidechsengattung Anolis gemacht hat. Die eine war bräunlich, die andere grün, die dritte Hellgrau mit dunkleren Flecken marmoriert. Wenn man sie an dem Orte überraschte, wo sie gemeinsam nach Insekten jagten, so erfolgte eine plögliche Flucht, wobei die grüne Form die grünen Rasenbüschel aufsuchte, die braune die dürren, die marmorierte die hellen Baum stämmchen, deren founenbeschienene Rinde mit den Blätterschatten ihrer Färbung vollkommen entsprach. Hier verhielten sie sich ganz ruhig, so daß man den Eindruck hatte, als handelten sie mit dent Bewußtsein, in dieser Umgebung gesichert zu sein.
Aus diesen und ähnlichen Beobachtungen folgt, daß die schützende Aehnlichkeit nur den Tieren von Nugen sein kann, die die Tätigkeit befißen, die schügende Umgebung zu unterscheiden. Außerdem müssen sich die Tiere in der schüßenden Umgebung ruhig verhalten, soll der verfolgende Feind sie nicht sehen. Das sind schon gewissermaßen psychische Vorgänge. Wir brauchen aber hier nicht etwa Bes wußtseinsakte, wie beim Menschen, anzunehmen, sondern es wird sich dabei wohl um Reflexe( oder Instinkte) Handeln.
Diesen Voraussetzungen, unter denen allein die Schutzfärbung niglich sein kann, entspricht es auch, daß wir Schußfärbung und Mimikrh gerade in den Stämmen des Tierreichs finden, wo Sinness organe und Instinkte ihre höchste Ausbildung erreicht haben: bei den Gliederfüßlern und Wirbeltieren. Bei den Schmetterlingen z. B. ist Interessant ist die Geschichte der Bahl„ Tausend" für Teufel" das Unterscheidungsvermögen für Farben direkt nachgewiesen. Bei ( z. B. der Tausend!")." Pozz sieben sakrament" ist bereits im den Schollen, die sich( wie das Chamäleon) entsprechend der Um16. Jahrhundert beliebt.( Bot" bedeutet„ Gatts".) Bei den eng- gebung umfärben, ist durch das Experiment festgestellt worden, daß lischen Schauspielern, die im Anfang des 17. Jahrhunderts Deutsch dabei Sehorgan und Nervensystem mitbeteiligt sind.
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Land bereisten, ist daraus geworden: Boß siebenschlapperment". Aus seinen Beobachtungen und Ueberlegungen zieht Doflein Unterdeffen beginnt eine Steigerung. Zuerst: Boßhundert Satra- den Schluß, daß für die Entstehung der Schuzanpaffung durch Aehnment"( 1621 belegt). 1663 findet sich nur noch:" Poz hundert". Und lichkeit die Darivinsche Hypothese der Selektion auf fleinen zufälligen nebenber heißt es schon Boz tausend". So z. B. 1658: Bocks Abänderungen nicht die einzige Erklärungsmöglichkeit ist. Es ist tausend schlapperment".( Wieder mit komischer Verstümmelung.) möglich, daß die so überraschend zweckmäßige Naturerscheinung auch Bog Teufel" mun gab es schon seit geraumer Zeit. Bereits 1593 dadurch zustande kommt, daß schon vorhandene Formen und Färfindet sich sogar Poß diefer und jener!" So ist vermutlich eine bungen von den Tieren dank hochentwickelter Instinkte ausgenugt Vermischung der beiden Wendungen" Pozz Tausend!" und" Boz werden, wenn die Tiere in eine neue Umgebung versezt werden, wo Teufel!" eingetreten, eine Identifizierung des Sinnes, wie sie die ihnen diese zufälligen Aeußerlichkeiten von Nugen sein können. Hier Geschichte der Sprachen unzählig oft zeigt. springt dann aber wieder die Selektion ein, indem sie bewirkt, daß Das eben erwähnte dieser und jener" ist, gleich dem bloßen eine Schutzanpassung erhalten, befestigt und vervollkommnet wird. jener"," dieser"," der" usw. sehr häufig, und am häufigsten Doflein schließt seine interessante Abhandlung mit den Worten: erscheint es auf den Teufel gemünzt. „ Das Tier ist mit Hilfe feiner physischen Tätigkeiten selber der Die Zahl der Euphemismen ist Legion. Die fortdauernde Kor- Büchter, welcher die Art vervollkommnet," was wohl besser heißen rumpierung der Worte regt zu immer neuen Erfindungen und Be- müßte, daß bei der Arbeit der Selektion neben anderen Momenten deutungsveränderungen vorhandener Wörter an. Es tämpfen be- immer auch die physischen Fähigkeiten der Individuen und Arten mit ständig zwei feindliche Prinzipien gegen einander: das der Ver- in Betracht kommen.
Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin . Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co..Berlin SW.
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