und Tiefe, das bietet UNS Rembrand t(Nr, 106114) in reichster Fülle. Während Rubens uns von Jahr zu Jahr fremder wird, scheint es, als ob das volle Verständnis für die Kunst Rembrandts erst jetzt allmählich zu dämmern beginnt. Diese Kunst ist umfassend und uuerschöpslich wie die Natur selber. Jede Individualität und jede Zeitströmung entdeckt verwandte Seiten in ihr. Sie spricht zu allen, und zu jedem in einer anderen Sprache. Die zierlichen Jugend- arbeiten Rembrandts entzückten die gebildeten malenden Schöngeister beim Beginn des 19. Jahrhunderts; die Romantiker begeisterten sich für die wilden Schöpfungen seiner Sturm- und Drangperiode; die historische Schule verehrte in den dnnkelgetönten Gemälden seiner späteren Zeit das Ideal ihrerbraunen Sauce", und die moderne Kunst glaubt in den letzten Werke» des alternden Meisters Geist von ihrem Geiste zu spüren. In allen seinen Entwickelungsepochen hat sich Rembrandt auch als. Bildnismaler betätigt, und gerade seine Hauptwerke sind Porträts gewesen: DieAnatomie deS Doktor Tulp ", dieNachtwache" und dieStaal- meesterS". Freilich hat er auf dieAehnlichkeit" seiner Bild­nisse wenig Gewicht gelegt. Er berücksichtigte in keiner Weise die Wünsche seiner Austrageber, sondern schuf mit souveräner künstlerischer Willkür freie malerische Dichtungen, bei denen die Modelle oft nur die Unterlagen für interesiante Licht- effekte u. a. abgaben. Daher büßte Rembrandt mit der Zeit die Kundschaft des zahlungsfähigen Amsterdamer Bürgertnms ein, und nachdem er mit seiner Meisterschöpfung, der heute weltberühmten Nachtwache", die hell lodernde Entrüstung der Gönner erregt hatte, blieben die Auftröge fast ganz aus und der größte Maler der Neuzeit hat fem Leben als Bettler beschlosien. Aber wer fragt heute beim Anblick von Meisterwerken wie das Damenporträt iNr. 196), das männliche Porträt(Nr. 110) otM das Bildnis deS Heudrikje Stoffels(Nr. 111) danach, ob die lebcnbigen Menschen, die uns aus dem Rahmen heraus anzusprechen scheinen, naturgetreue Abbilder jener Personen sind, die Rembrandt zufällig Modell gesesien haben? Es sind Menschen, die uns mit dem Ausdruck de? Gesichts, mit dem Blick der Augen die Geschichte ihres Lebens erzählen, uns die tiefsten Tiefen ihres Inneren offenbaren. ES sind Menschen, mit denen wir noch heute denken und fühlen können, deren innere Sprache wir verstehen, deren Freuden und Leiden wir mitempfinden. Diese Porträts sind vollendete Meisterwerke, bei denen Form und Stoff ein einheitliches Ganzes geworden ist. bei denen Wollen und Können des Künstlers sich deckt und deren Wert bestehen bleiben wird, so lange es eine Kulwrmenschheit gibt. Neben Rembrandt wirkte im Rahmen der holländischen Schule eine Anzahl Künstler, unter denen nur Franz Hals<Nr. 45 SO) als BildniSmaler der Bedeutung des Meisters sich nähert. Hals war der Porträtist der Haarlemer Bürgerschaft während der Blüte- zeit der Stadt. Seine frische, urgesunde und kraftvolle Kunst ver- ewigte die Typen der lustigen Mynheers und ihrer behäbigen Gattinnen, die nach der glücklichen Vertreibung der Spanier die sonnigen Flitterjabre der jungen Freiheit in vollen Zügen zu genießen verstanden. Aus seinen prächtigen Bildniffen weht uns der lebendige Odem jener längst vergangenen, für das holländische Bürgertum so glücklichen Zeiten entgegen. Von den Malern, die sich mehr oder weniger nahe an Rem- brandt anschlössen, ist in erster Linie Nikolaes Maes zu nennen, dessen Bedeutung als Kolorist und Lichtmaler aus den beiden schwachen Porträts sNr. 74 und 75) der Ausstellung allerdings nicht deutlich wird. Terborch(Nr. 137 bis 142), der aristokratische Maler eleganter Kavaliere und festlich gekleideter Damen in weißen Atlasgewändern, ist mit mehreren ebenso wertvollen wie für die Art deS.Künstlers charakteristischen Arbeiten vertreten. Dagegen dürfte an den, platten, geleckten rmd geistlosen Gemälde von G e r a r d Don iNr. 26) nur der Umstand, daß es Rembrandts Vater darstellt, intereffieren. In Frankreich bildete sich eine einheimische nationale Malerei erst im Zeitalter Ludwigs XIV. heraus Sie gibt ein treues Spiegel- bild der Epoche, indem in ihrem Mittelpunkt eine schwülstige und pomp- haste Historienmalerei steht, deren höchste Aufgabe die Vergötterung deS Sonnenkönigs ist. Sympathischer als die Erzeugnisse dieser sogenannten höheren Kunst erscheinen die Werke der zeitgenössischen Landschafts- und Bildnismaler. Namentlich ans dem Gebiete des Porträts zeichneten sick zwei selbständige und tüchtige Künstler aus: Hya» zinthe Rigaud und Nicolas de Largüliere. Bon dem crsteren enthält die Ausstellung neben einer weniger bedeutenden Arbeit (Nr. 116) das vortreffliche Bildnis des Prinzen von Nohan(Nr. IIS). Freilich nehmen lvir auch hier ein Uebermaß von steifer Vornehm- heit und aufgebauschter Würde wahr, aber diese Eigenschaften hat nicht der Geschmack des Malers dem Gegenstände verliehen, sondern sie hasten den dargestellten Personen an. und Rigaud gab als ehr- lichcr und geschmackvoller Realist nur das wieder, was die Natur ihm bot. Im schärfsten Kontrast zu diesen seierlichen Poseuren stehen die Menschen der nächstfolgenden Epoche. DaS Barock wurde vom Rokoko abgelöst: auf das Majestätische folgte das Zierliche, auf die Erhabenheit die Grazie. Jean-Marc Nattier (Nr. 93 95) war damals der beliebteste Portrännaler der Pariser Gesellschaft. Er konterfeite die gepuderten und parfümierten Zierpuppen der vor- nehmen Salons und schwelgte in kühlen blauen, rosenroten und filberweißen Farbentönen. Neben ihm wirkten sein Schwiegersohn T o c q u s(Str. 144) und die ganz Europa durchwandernde Venezianerin Rosalba Carriera (Nr. 18), die den Geschmack der Zeit besonders glücklich zu treffen wußte, indem sie die Technik der Pastellmalerei in Mode brachte. Dem tändelnden Zeitalter des galanten Rokoko bereitete dann die große französische Revolution ein jähes Ende. Ein Sohn der Nevoluliousjahre war der geniale spanische Maler Francisco Goya (Nr. 4144). der als könig- licher Hofmaler zuweilen genötigt war, die Bildnisse hoher und höchster Herrschaften anzufertigen, dessen Bedeutung aber keines- Wegs auf dem Gebiete der Porlrätmalerei liegt. John Schikowski . Im Mrkiscden Museum. in. Aus märkischer Vorzeit.(Raum 39 im Erdgeschoß.) Bedeutend später als im südlichen und westlichen Mitteleuropa erscheint die menschliche Kultur auf märkischem Boden. Als in der ersten Hälfte der Tertiärzeit in Frankreich z. V. bereits menschen- ähnliche Geschöpfe die Spuren ihres Daseins in zahlreichen Werk- zeugen hinterließen, war das nördliche Deutschland noch vom Meere bedeckt. Und auch die Braunkohlcnwälder des späteren Tertiärs mögen von dem Urmenschen, der freiere Gegenden liebte, ge- miede« worden sein, zumal da in ihnen der Feuerstein, das wichngste Werkzeugmatcrial, sich nicht beschaffen ließ. Die ersten menschlichen Spuren in der Mark tauchen in den Kiesablagerungen der letzren Zwiicheneiszciten auf in Formen, die noch ganz an die Kultur des westlichen Tertiärmenschen erinnern. In den Kiesgruben von Rix- dorf, Kalkberge, am Lietzcnsee fanden sich vereinzelt sog. Eolithe, rohe Feuersteine, die an einer Stelle zu besonderen Zwecken zu- geschlagen oder, wie der Fachausdruck lautet, retouchiert sind: das einzige Merkmal, durch das sie sich von anderen, natürlich ge- splitterten Stücken unterscheiden. Vgl. die ausgestellten Exemplare im Fensterschrank von Raum 4 zunächst dem Eingänge. Ebenda befinden sich schon etwas jüngere, aber noch sehr primitive Geräte aus Mammut- und Renntierknochcn, Hacken, Schlägel, Schaber, um das Fleisch erlegter Tiere von Knoche» und Haut zu entfernen, Pfriemen zur Herstellung der Fellkleidung usw. Alle diese Werk- zeuge gehören der paläolithischen Stufe(älteren Steinzeit) der menschlichen Kultur an. Aach der letzten Eiszeit trat, vielleicht infolge der den Boden allmählich wieder überwuchernden Vegetation und der Vermehrung der Bevölkerung, offenbar ein Mangel an dem vorher im Ueberfluß vorhandenen Feuerstein auf der emerseitS z. B. in Belgien und auf Rügen zu einer Art bergmännischen Aus- beutung der dortigen Fundstätten und zur Ausbildung eines regelrechten Handels mit diesen, Artikel ftihrte, andererseits eine sorgfältigere Bearbeitung und die Heranziehmig anderer Materialien zur Herstellung von Waffen und Werkzeugen veranlaßte. Zu Beginn der neolithischen Periode, der jüngeren Steinzeit, die sich durch kunstvoll zugehauene und geschliffene Steingeräte auszeichnet. sehen wir u. a. augenscheinlich mit großer Mühe aus Knochen her- gestellte Harpunen mit Widerbaken ans der sogenannten Ancylus- Periode(Raum 4, Fensterschrank, 3. Abteilung) Hirschgcweih- hackcn, die aus die primitivste Form des Ackerbaus, den Hackbau, schließen lassen, der auch heute noch bei primitiven Völkern von den Frauen geübt wird, während die Männer der Jagd und dem Fischfang obliegen. Der Feuerstein ist in der neolithischen Zeit bereits so kostbar geworden, daß er in kleinen Stückchen in Holz oder Gcweihteilen eingefügt wird Bei­spiele im Mittelschrank und diese Kombination dann als Werk- zeug Verwendung findet. Das typische Gerät der jüngeren Steinzeit ist die Axt, das Steinbeil, das zur Ausnahme des Stiels vielfach durchbohrt ist, was wahrscheinlich mit Hilfe eines Holzpflocks und nassen, feinen Sandes geschah. Prähistorische Steinbeile sind über- aus häufig im norddeutschen Flachland; der märkische Bauer. der sie beim Umpflügen seines Ackers findet, hängt sie gern alsDonnerkeile" im Stall und unter dem Dachfirst auf,>vo sie nach einem weit verbreiteteir Aberglauben zur Abwendung von Seuchen und Gebresten dienen sollen. Mit dem Aufkommen der Metalle starben die Steinwerkzenge nicht aus. Roch lange wurden sie, vereinzelt bis in das Zeitalter des Eisens hinein, benutzt, so lange Metall noch zu selten war; nur ahmte man dann hier und da vgl. Fensterschrank, 9. Abteilung die praktischeren und handlicheren Formen der Mctallgeräte in Stein nach. Auch das Schmuck bedürfnis des steuizeitlichen Menschen war schon hoch entwickelt; wahrscheinlich tätowierte und bemalte er seinen Körper und trug neben Ketten aus Bernstein. Knochen usw. auch massivere Stücke, wie z. B. die beiden dicken Kallstein-Armriuge im Wandschautaste». Ueber die g e i st i g e Kultur der damaligen Bcivohner der Marl orientieren uns in etwas die B e g r ä b n i s st ä t t e n. die auf einen ausgebildeten Toten- und Seelenkult schließen lassen. Während der ganzen Steinzeit herrscht Skelettbestattung teils in zeitlich früheren aus großen Steinblöcken ausgebauten Grab- kammcrn, sogenannten Dolmen, vom VolkTeufelöbacköfen" ge- nannt, deren Sleinbau von außen sichtbar ist und in denen nur e i n e Leiche ruht, teils in hochgewölbten Hünengräbern, in denen meist mehrere Leichen, oft ganze Generationen, beigesetzt wurden, teils in sargähulichen, großen, in die Erde gesenkten Steintifie». In einzelnen Gebieten scheinen die Leichen auch ohne Sarg oder in einein