Darbt in Tokio spielen ivill; sie wird dort sicher einen bedeutenden Erfolg erzielen, denn sie ist dem Namen nach sehr gut bekannt, iuno viele der jüngeren Generation verstehen die französische 1 Eprache sehr gut. seitdem die Gymnasiasten und Studenten inindestens zwei europäische Sprachen lernen müssen.Un- rnoralische" Stücke dürfen bei uns nicht aufgeführt werden; m»ch Ihat man angeklagt, weil ich die von der Regierung für un- moralisch gehaltene«Kameliendame" auf die Bühne gebracht habe; ich wurde jedoch freigesprochen, da ich beweisen konnte, baß dieKamcliendame" dem bereits erwähnten Roman ».Kosankingoro" gleicht. Weil eS bei uns so viele Erdbeben gibt, sind unsere Theater «US Holz gebaut. Wir haben mindestens zwei Erdbeben im Monat, furchtbare Erdbebenkatastrophen etwa alle sechzig Jahre." Ossada will in Paris auch die Frage der Sicherheit im Theater studieren, ferner wie man Künstler heranbildet, wie man «in Werk in Szene setzt, wie man ein Theater verwaltet, wie die Autorrechte berechnet werden usw. Da die Japaner sich leicht 'assimilieren, dürften Tokio und die anderen japanischen Städte bald Theater nach europäischem Muster bekommen. IVlemoiren einer 8cK\vacb finnigen." Sluch Berlin hat zu verschiedenen Zeiten seine Odilon-Räusche gehabt. Das war in den achtziger und anfangs der neunziger Jahre, als die Künstlerin am Königlichen Schauspielhause, dann »inter Barnay am Berliner Theater Triumphe feierte und dort wie hier entweder von Fürstengunst beschienen war oder hohlköpfige Dandys und kapitalistische Genüßlinge um ihr bißchen Verstand brachte. Inzwischen hat man es mit derMoral" gekriegt, die sich in der oberen Gesellschaft immer einzustellen pflegt, wenn entweder derTanz um ein Weib" auf taube Ohren stößt oder wenn das ängstlich gehütete Geheimnis zuletzt doch von allen Spatzen laut auf denDächern gepfiffen wird... So ungefähr war es hier. Beispiels- weise in Wien , wo Helene Odilon zur Künstlerin heranreifte und Wienerin ward, ihrem Temperament und Wesen nach, obwohl ihre Wiege im kühleren Norden, in Dresden , gestanden hat. Und das wurde ihr von derlustigen Kaiserstadt" reichlich vergolten so­lange sie am Theater mimte. Hernach war's bald aus. Die große Schauspielerin war, vom Schlagfluß getroffen, plötzlich eine be- klagenswerte Frau geworden, die mit Gerichten und Psychiatern, mit Erbschleichern und Gaunern um ihr persönliches Selbst- bestimmungsrecht und um ihr Vermögen verzweifelte Kämpfe führen muß. In letzter Konsequenz ging sie nun unter die Memoiren- schreiber und hat in einem Buche, das im Verlage von H. Walther Werlin) erschienen ist, ihrem bedrängten Herzen Luft gemacht. Was an denMemoiren einer Schwachsinnigen" auffällt, ist weder ihr Mindcrwert als schriftstellerisches Produkt in ästhetischer und stilistischer Hinsicht, noch ihr Inhalt an und für sich, sondern lediglich die Ungeschminktheit der Schilderung. Die Theatergeschichte wird durch diese Memoiren kaum sonderlich beschwert werden, so viel Schlaglichter auch aus dem Buche auf Bühgenvcrhältnisie und Künstlergrößen des In- und Auslandes fallen. Der Klatsch und Tratsch hinter den Kulissen spielt eine bevorzugte Rolle. Die Eitel- Icit eines verhätschelten Schoßkindes der Gesellschaft nebstbei. Dennoch sind eS menschliche Dokumente, wenn auch nicht ausgiebig «der tief geschürft. Die Personen, darunter verschiedene Bühnen- lkünstler, die hier in ekkigie aufgespießt werden, sind allerdings wenig schonend behandelt.(Wer kann sagen, ob mit Recht oder mit Unrecht?) Namentlich wird das Kapitel Künstlerehen, man idarf sagen, höchst unappetitlich aufgerollt, zumal was den Konflikt Girardi- Odilon angeht. Zwar sagt sie:Ich glaube, eine Künstlerin soll gar nicht heiraten", aber trotz dieser »Erkenntnis" hat sie sich noch dreimal in Hymens Fesseln schlagen lassenk l DaS schmutzigste aller Kapitel: Bürgerliche Zeitung S- schreibe r. Schmock oder Rcvolverjournalist.Sarah, kannst Dir e Saidenkleid kaufen, ich weiß'was auf wen!" Erst laufen }ie sich die Hacken wund, um an Ltunstlcrinnenboudoirs' wasPi- antes" zu erlauschen, beschreiben die intimsten Toilettenstücke, schar. Wenzeln, kriechen katzenartig durch alle Schlupflöcher, lobhudeln und streuen Weihrauch mit vollen Händen. Hernach aber, wenn eine Theatergröße gefallen ist, benutzen sie ihrWissen", um Schweigegelder zu erpressen und belohnen hinterdrein den ihnen bewiesenen Großmut durch lügenhafteEnthüllungen". Man kennt das,-in Wien und sonstwo. Vielleicht verbot eS Helene Odilon die Scham, auf bestimmte Subjekte zu geigen.Wie ich zu den schönen Kritiken kam? Der Weg war nicht immer der rosigste. Von meinem ersten Auftreten bis zu diesem Moment war's ein Kampf. Mein Ehrgeiz kostete mich viel. Tränen hat'S genug gegeben. Und der Schluß?? Man braucht ja Rollen, die einemliegen", und die richtigeBühne",»." Die paar Worte sprechen Bände. Und dun erst die Börsianer üftb die sonstigen Hüte? de? G« sellschaftSmoral, wenn sie liebegirrend mit vollgespickter Banknoten- tasche den kleinen oder großen Bühnensternen nachlaufen I Wer? zählt die Namen aller Finanziers, Aristokraten, Rennstallbcsitzer» Sportler und anderer Gelegenheitsbummler, die zu verschiedenen Zeiten die Festung Odilon bestürmten, bis sie kapitulierte! Einen nur wollen wir herausgreifen, nämlich-den Pariser Baron von Rotschild: Nach kurzer Bekanntschaft schickt er der damals ver« heirateten Frau ein Briefchen mitdrei Tausendern" in? Haus: als eineKleinigkeit für die Rachel in derJüdin", seiner schönen Glaubensgefährtin" usw. usw. Ohne jede weitere Er» klärung erhält er den Brief nebst dem Gelde zurück. Später: Wiederschen in Paris . Lustige Kampagne; denn die Künstlerin ist jetzt eine geschiedene Frau. Man flirtet, man verkehrt wie Mann und Frau, und es steht für Helene Odilon fest, daß Rotschild als Gentleman schon wissen werde, was seine Pflicht sei. Doch weit gefehlt. Eines Abends entsteht zwischen beiden eine gering- fügigc Meinungsverschiedenheit. Ein Wort gibt das andere und was tut schließlichmein Albert"? Greift in die Tasche. bringt ein kleines Etui zum Vorschein, das einen Ring enthält und sagt:Den hättest Du heute bekommen; aber da Du Dich so be» nimmst, werde ich den Ring wieder zurücktragen." DaS tat der noble Mann wirklich. Aber es kam noch besser. MS ihm Helene Odilon durch ihre Freundin nahelegen ließ, sie wenigstens durch Widmung eines Kapitals soweit sicherzustellen, wie das ihr ge- schiedener Gatte getan(Girardi hatte ihr eine Jahressumme aus« gesetzt), da ward Rotschild tief erschüttert, und in schmerzhaftem Tone rief er:Habe ich meine Kinder schon um die Liebe ge. schädigt, kann ich sie nicht noch um das viele Geld verkürzen So kläglich zog sich der glühende Liebhaber aus der Schlinge... Am Schluß ihrer Memoiren brandmarkt die Mnstlerin neben gerissenen Erbschleichern hohe richterliche Beamte. Advokaten und Acrztc. Mit ihnen hat Helene Odilon in jahrelangem Kampfe gegen ihre Stellung unter Kuratel sowie im Bestreben, wieder gesund zu werden, die bittersten Erfahrungen gemacht.Aerzte und Rechtsanwälte sind die größten Spitzbuben! Merken Sie sich das, die tun alles ums Geld!" hat der Hilfesuchenden einmal ein bedeutender Wiener Arzt erklärt! Die weltberühmtesten Kur. anstalten und Professoren vermochten nichts weiter, als die Kranke um immense Summen zu erleichtern. Zuletzt ging sie nach Lourdes ! Von Geheilten war da nichts zu sehen. Dafür gab's stetsJahrmartk mit Schaubuden und Zirkussen, Feste, Musik, Jubelhymnen, Illuminationen, Fackelzüge aber für Blinde, Lahme oder gar Halbtote war bort kein Raum...." Im öffent- liehen Aerzteburea» wird ihr gesagt:Gelähmte sind nie geheilt worden, so lange Lourdes besteht.Waö. Lähmungen sind nie kuriert worden? Wozu dann der Pomp in LourdeS , wozu jene lügnerischen Bücher, die den letzten Groschen auS den Taschen der Armen ziehen?" so ruft die Getäuschte auS. Kein Zweifel: Helene Odilon übt eine grausame Selbstjustiz an ihren Widersachern: sie treibt sie zu Paaren, und niemand wird diesem Mute der Verzweiflung sein Mitleid versagen. Ernst KreowSki- kleines f euilleton* Sprachwissenschaftliches. Einem aufs Dach st eigen. Diese häufig gebrauchte Redensart kommt aus den Rechtsgepflogenheiten des Mittelalters, in dem bekanntlich allerlei uns seltsam anmutende Strafen gang und gäbe waren. Einem aufs Dach steigen, das war eine häufig verhängte Strafe für den Pantoffelhelden. Wenn ein Mann sich nämliib von seiner Frau schlagen ließ, so war das eine Schande, durch die sich das ganze Dorf beleidigt fühlte. Um nun dem be» treffenden Haushcrrn" auf möglichst augenfällige Weise klarzu» machen, daß für solche Ehemänner in der Ortschaft kein Platz mehr sei, sollte ihm. wie verschiedene alte Weistümer vorschreiben, das Dach abgedeckt werden. So heißt es in einem Mainzer Amtsbericht von 166(5, cS fei allgemeine Sitte, daß. wenn der Frevel ruchbar gewotiden fei, meist am Aschermittwoch oder am Fastnachtstag die Burschen der umliegenden Dörfer mit Musik und Fahnen an- rückten, um Rache zu nehmen; falls sie von dem Mann nicht mit einer bestimmten Summe abgefunden wurden, legten sie Leitern an, stiegen aufs Dach, hieben den First ein und deckten das Dach bis zur vierten Latte ab. Und die Blankenburgcr Statuten vom Jahre 1694 besagen: Ist ein Mann so weibisch, daß cr sich von seinem eigenen Weibe raufen, schlagen und schelten läßt, id-cr soll dcS Rats beide Stallknechte mit wollenem Gewand kleiden, oder da er's nicht vermag, mit Gefängnis gestraft und ihm das Dach aus seinem Haus abgehoben werden. Noch am Ende des 18. Jahrhunderts wurde-der Brauch in den verschiedensten Gegenden Deutschlands geübt. Selbst heute noch kommt es in vielen Dörfern Süd- und Mitteldeutschlands vor, daß eines schönen Morgens in dem Gehöft, wo eine schlagfertige Haus- frau regiert,-der Wagen ganz auseinandergenommen ist und die Wagenräder vom First des Schcuncndachs herunterhängen, dessen Ziegel zum Teil zertrümmert sind. Es ist das eine Art Volks- gerichtsbarkcit, die in Zusammenhang steht mit dem jetzt bald aus- gerotteten bayerischen Habcrfeldtreiben. perantwortl. Redakteur: HanS Weber, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckcrei u.Verlagsanstall Paul-si»ger äcEo..BerlinSV«'.