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mentalttät. Das beweisen seine scharfen Auslassungen gegen die zösische Bühne beherrscht hat. Sein Stück gleichen Titels vom Fürsten und ihr ausschließliches Privatvergnügen": den Krieg, den Jahre 1839 ist von Baul Williet zu einem Operntert gestaltet er nebst dem Duell als die fürchterlichste Dummheit der Gesellschaft worden und dessen deutsche Bearbeitung durch Walther Der Inhalt bers bezeichnet. Er fagt es rund heraus: Die großen Zeitalter der Ehrenberg lernten wir jetzt fennen. uns in die dem Rotolozeit unter XV. Ludwig Menschheit sind nicht die der Eroberungen und Striege; es sind die setzt der hohen Kunst, der reifen Kultur. Bon einem Zeitalter der Medici und sucht feine Wirkung hauptsächlich in dem Gegensaz und Ludwigs XIV. spricht man nicht, aber von einem solchen Karls eines sehr harmlosen Mädchens gegen das höfische Getriebe, nament des Großen oder Bismards Insbesondere geißelt er die lich gegen das sehr harmvolle Treiben des Herzogs von Richelieu gute", obere Gesellschaft. Diese herrlichen Kretins", schreibt er nicht des großen Staatsmannes, sondern feines weniger staats­1876 an Flaubert , möchte er samt ihren edlen Hurendamen" unter- männischen Großneffen. Dieser wettet, daß er das Fräulein von gehen sehen. Und ein gutes Jahr später wütet er in einem Brief Belle- Isle fich zu eigen machen werde. Aber die Marquise de Prie an eben denselben Freund geradezu gegen die Heuchelei und Stumpf- schiebt im nächtlichen Dunkel sich selbst dem ahnungslosen Kinde finnigkeit der Oberen, die wie die Gesellschaft von 1793 unter. Was neben und nachher bis zur friedlichen Lösung vorgeht, hinweggefegt werden müßten. h fordere die Tilgung ist all zu typisches Theater, um uns hier aufhalten zu können. der herrschenden Klassen: dieses Trosses hübscher und stupider Aber die Notokostimmung des Ganzen intereffiert uns jetzt Spiro Samara , Herrchen, die in den Röcken dieser dummen und frömmelnden durch ihre Bedeutung für den Komponisten. Schlampe, die man gute Gesellschaft nennt, herumschwänzen. den wir in Berlin zum erstenmal fennen lernen, ist in der inter­Von gemischter, haupts Ich finde jezt, daß 93 weichlich war, daß die Septembristen mild nationalen Opernwelt fein Neuling mehr. waren, Marat lahm, Danton ein weißes Kaninchen und Robespierre fächlich griechischer Abstammung, hat er in mehreren Ländern, zumal eine Taube. Da die herrschenden Klassen heute in Stalien, manchen Erfolg errungen. Freundlich war immerhin der ebenso stupid sind wie damals, so darf man sie Erfolg, den er jetzt bei uns fand; aber ersichtlich machten dem gewaltsam aufheben." Er, der selber von Geburtsadel Bublifum die Ausführenden noch mehr Freude als das Werk selbst. war, haßte, wenn auch weniger die Sippe als solche, so doch ihre Dummheit, ihre parafitäre Faulheit, ihre defelte Moral, ihre Moral der Toren".

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Dieses will nichts weniger als etwa eine neue Kunst schaffen, es will vielmehr gute lleberlieferungen gut benutzen. Die bange Wahl zwischen realistischer Charakteristik und anmutiger Schönheit existiert für Je mehr fich aber die Aristokratie aus tapitalistischen Intereffen Samara nicht. Er komponiert durch", b. h. ohne Berteilung in mit den höheren Schichten des Bürgertums zu verschmelzen begann, einzelne Gesangnummern, und ergeht sich in fortlaufenden melodiösen desto weniger befaßte sich Maupassant mit ihr. Dagegen läßt er Linien, die fich häufig zu dramatischer Bucht und manchmal- wie im bollen Bewußtsein jener großlapitalistischen Wandlung-in in der Gebetszene der Titelpartie zu einer größeren Rundung feiner meisterhaften Novelle Fettfugel"( Boule de Suif ) einen Aristo- des Gefühlserguffes steigern. Das Runde und Weiche, die musikalische fraten, einen ländlichen Großgrundbesizer, einen Großindustriellen Wiedergabe ber Anmut damaliger französischer Kunst ist des Mit einer Bevorzugung der milderen und einen reich gewordenen Schankwirt zusammen auftreten. Sie Stomponisten Stärke. alle unterliegen demselben Fluche der Lächerlichkeit, des Egoismus Blasinstrumente, ergänzt durch die häufig verwendete Harfe, und der Heuchelei. Obwohl aus verschiedenen Gesellschaftsschichten erzielt er reichhaltige Klangwirkungen, zu denen in unseren Tagen ftammend erklärt Maupassant fühlten sie fich brüderlich sonst viel härtere und fünftlichere Mittel aufgewendet werden. Dabei verwandt durch das Geld, als Angehörige des großen Freimaurer - schmiegen fich Gesang und Orchester stetig den meist rasch wechselnden bundes der Besitzenden. Situationen ber Bühne an, und die Personen werden einander mit viel Aufgebot von musikalischer Beichnung gegenüber gestellt.

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Man wird mm aus einer beträchtlichen Reihe seiner Novellen and Romane unschwer ersehen können, wie emfig Maupassant be- Wer kennt nicht die idyllischen Motofobilder französischer Maler müht ist, den Einfluß des Geldes auf die intimen Verhältnisse des und Zeichner mit ihren lustwandelnden, spielenden, schaufelnden Lebens zu schildern. Bald widmet er der Vorherrschaft des Reichtums Liebespaaren? Etwas von dieser graziösen Tändelei hat uns in der Ehe und den Geschlechtsverhältnissen der Bourgeoisie, aber denn auch die Ausstattungs- und Regiekunft der Komischen von auch im Landvoll denn der Bauer ist ebenso geldgierig und Oper vorgeführt, angefangen bem weich wogenden habfüchtig seine besondere Aufmerksamkeit( ,, Une Vie"," Bel Mädchenchor bis zu den dämmerigen Innenräumen, in denen Sang, Ami". Der erste Schnee" usw.); bald führt er die aus Schlechtigkeit Tugend und Lafter fich gerührt in die Arme fallen. der Gesellschaft, aus unverschuldeter ökonomischer Lage unglüdlich Spiel und Orchesterklang hielten da wader mit; und wenn wir ber oder verbrecherisch Gewordenen vor( Le Père Soupe"," L'abbé Sängerin der Titelrolle, Mathilde Ehrlich, noch etwas mehr Maudin" usw.); bald schildert er die infamen Wirkungen des Geld- Klangfülle in der höheren Mittellage sowie dem Chor etwas mehr hungers mit eisigfalter Jronie( Die Erbschaft"). Weichheit in der Oberstimme wünschen, so ändert dies wenig an der Anerkennung, die der Gesamtarbeit gebührt.

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Zehn Sous stehlen ist Stehlen, aber hundert Millionen ber schwinden laffen, ist fein Stehlen." Bei den Reichen macht ein Mann, der sich amüsiert, Dummheiten"; er ist, was man lächelnd einen Durchgänger nennt. Bei den Bedürftigen wird der Bursch, der die Eltern zwingt, ihr Vermögen anzugreifen, ein schlechter Kerl, ein Lump, ein Halnnte." Das ist so die heutige Bourgeoismoral. Und dennoch man fühlt das Weh, das Maupassant empfand. ale er, auf den düsteren lintergrund des menschlichen Glends ge­Stoßen", begriffen hat, wie es für manche Menschen unmöglich ist, anständig zu bleiben": Die Diebe, die Räuber, furz alle Elenden sind unsere Kinder", denn auch sie hat einst eine Mutter geboren....

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Bremer Dper. Jm Bremer Stadttheater erlebte Die Teufelstäthe", eine Oper von Anton Dvorák , ihre erste Aufführung in Deutschland . Der Text des angeblichen Vollsmärchens" ist von Adolf Wenig , deutsch von N. Batta. Die Jdee? Das alte Motiv von der resoluten Frauensperson, vor der ausreißt. Alberne Höllenpossen, die sich selbst der Teufel Teil der langweiligen vergebens bemühen, den irdischen Handlung ftalten.

burch den unterirdischen amüsanter zu ge Die Musik erhebt fich nur in den Tanzrhythmen, und auch hier nur dank ihrer national- tschechischen Eigenart, zu jener Maupassant als Darsteller ist moralist, fagt Mahn. Andere Höhe, die man van Dvorál verlangen muß. Besonders die Gesangs Beurteiler haben dasselbe behauptet. Wenn aber Maupassant auch stimmen find mit einer befrembenben Farblosigkeit behaftet. Die nicht nach Art der moralisierenden" Schriftsteller etwa der Uraufführung" wurde diesen Qualitäten des Werkes gerecht, d. h.: Georges Sand - verfährt, also nicht die moralische Verurteilung es gab eine ziemlich leichtfertig zusammengestoppelte Borstellung bon außen her ins Leben hineinprebigt oder feinen Helden und deren( fünf Tage vor Saisonschluß). Frau Kettner, die schon vor zehn Handlungen moralische Etiketten anhängt, b. H. Bertpräbitate mit Jahren bei der Prager Originalpremiere den Teufel in die Flucht Aber der Erfolg blieb doch aus. auf den Weg gibt", so ist sein moralismus doch nur ein schein- flug, war eine recht gute Stäthe. barer. Charles Dumas hat in einem Lesenswerten Aufsatz über Summa: gestorben und begraben, im zehnten Jahre wieder auf­Maupassant als Gesellschaftsfatiriler( Neue Zeit" erstanden von den Toten und niedergefahren zur Hölle. 1908) auf diesen Umstand hingewiesen: bei Maupassant ergebe fich Sie moralische Verurteilung dialektisch aus der Bewegung felbft. " Haß und Liebe, Born und Efel fristallifieren sich zu unsterblichen Lebenstypen. Ohne irgendwelche Vergleiche und Analogien erinnert diese dialettische, lebendige Moral an die Stritit der kapitalistischen, ausbeutenden Gesellschaft im Kapital" von Karl Mary... Gn de Maupassant spricht das Todesurteil der kapitaliſtiſchen Geſellſchaft, indem er als genialer Künstler einfach das gezeichnet hat, was ift...." uf analytischem Wege ist Mahn zu dem gleichen Resultat gekonimen. Ernst Kreowsti.

Kleines feuilleton.

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Musik.

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Wolfschöre. Der Eindruck, den uns der soeben heraus­gegebene achte Jahresbericht der Dresdener Bolts- Sing al ademie macht, rechtfertigt das Intereffe, mit dem wir das Dresdener Seitenstüd zu dem etwas jüngeren Berliner Boltschor in den ersten Anfängen begrüßt haben. Sluge Anlage und die Gunst örtlicher Verhältnisse vereinigen fich dort zu Erfolgen, denen freilich auch unser Chor nahekommen könnte, wenn ihm ebensoviel mit glieder pie dem Dresdener ( berzeit 403 aftive neben 1372 passiven 1) zuſtrömten. Lächelnd lasen wir von der Fürsorge der dortigen Lehrer für das Arbeiterkind. Lehrreich ist die anscheinend einzige Lücke im Erfolg: der Rückgang der Jugend­Tonzerte. Bedeutungsvoll erscheint die neue Einrichtung der Haus mufil- Abende auch wenn uns das achthändige Klavierspiel" ein Kopfschütteln" bereitet. Der bereits für die zivei Jahre bis 1911 fertig vorliegende Konzertplan, der mit Händels Samson" schließt und defien auswärtige Wiederholung berheißt, sowie die Vorträge in ben liebungsabenden" zeigen nicht nur, wie viel auf solchen Wegen geleistet werden kann, sondern auch, wie viel die beiden gang ährlich arbeitenden Chöre woy leisten würden, wenn fie noch größere Anläufe nehmen könnten.

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Komische Oper: Fräulein von Belle 3sle" bon Spiro Samara . Die Erstaufführung der Oper von Fräulein von Belle Isle" am Mittwoch führt uns auf eins der Schauspiele zurüd, mit denen Alexander Dumas d. Aelt. lange Zeit die fran­Berantwortl, Redakteur: Hans Weber, Berlin . Druck u. Verlag: Vortvärts Buchdruderei u.Verlagsanstalt Baul Singer& Co., Berlin SW.

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