E5 bleiben noch die Vorsichtsmaßregeln gegen die Hexenund ihr Treiben in der Walpurgisnacht zu erwähnen. Werin der Walpurgisnacht den Tanz der Hexen belauschen will,muß sich unter eine Egge stellen, deren Zinken nach oben ge-richtet sind(Westfalen). Allgemein herrschend ist der Gebrauch,in der Walpurgisnacht die Türen, vor allen Dingen die Stall-türen, mit drei Kreuzen zu versehen, damit die Hexen einemnichts anhaben und dem Vieh nicht das Gedeihen nehmenkönnen(Mark Brandenburg)! In der Neumark bezeichnendie Kinder ihre Schuhspitzen mit drei Kreuzen; wer dasunterläßt, bekommt ein Kreuz auf den Rücken gemalt. Inder Zauche nagelt man Zweige von Kreuzdorn auf dieKrippen, auf die Futtertröge und Schwellen der Viehställe.In anderen Teilen der Provinz Brandenburg säet man inder Walpurgisnacht Gurken und Kürbisse, weil man glaubt,diese gingen so schnell auf. wie die Hexen den Blocksberghinaufreiten. Am Walpurgisabend Pflegt man in Mittel-schlesien hin und wieder Rasenstücke und Besen kreuziveise Vordie Stalltüren zu legen, um die Hexen abzuhalten.Von besonderem Interesse ist eine Nachricht aus demRiesengebirge, der zufolge die hellige Walpurgis von wildenGeistern verfolgt wird: Einem Bauern begegnete sie einst imWalde mit feurigen Schuhen, langen, wallenden Haaren, einegoldene Krone auf dem Haupte und in den Händen einendreieckigen Spiegel und eine Spindel, verfolgt von einemTrupp Reiter auf weißen Rosien. Den Grrmdton dieser Sagebilden die wesentlichsten Züge der Sage vom wilden Jäger;Walpurgis lieh wohl nur den Namen, während wir erst in zweiterLinie den Hexenritt in der Walpurgisnacht zu erkennen vermögen.Als letzte Konsequenz des Glaubens an den Hexenritt in derWalpurgisnacht erscheint die in Weimar und Ettersburg üb-liche Gepflogenheit, am Abend vor Walpurgis die Heu- undMistgabeln sowie die Reisigbesen zu verstecken, damit sie nichtvon den Hexen gestohlen und zum Ritt auf den Blocks-berg benutzt würden. In den Ställen richtet man die Besenmit den Stielen nach unten und fetzt sie neben die Tür, umdadurch den Hexen den Eingang zu verwehren. Die Schüsse,die man in manchen Gebirgsgegenden Sachsens, aber auch ineinigen Gegenden des Tieflandes in der Walpurgisnacht vcr-nimmt, haben den Zweck, die Hexen zu vertreiben. Auch dieWalpurgisfeuer werden angefacht, um den Unholden zuwehren.I�eue BrzäblunöfsHteratur.Ferdinand Bac:«Alt-Deutschland. Verlag vonGeorg Müller- München.Gerade zur Zeit, da im.Figaro" Monsieur Huret sein Tage-buch über sein« Eindrücke in Deutschland veröffentlicht, über dasdie Leute mit Humor sich amüsieren, dieweil die Pedantischen vcr-schnupft tun, kommt dieser gemütvolle Franzose Ferdinand Bacund bringt in seinem Buche unserer Frau Germania allerlei artigeHuldigungen dar. Freilich nicht der waffenklirrenden Frau Ger-mania mit den Paradeschritten und dem Helm auf dem Haupt, diein Berlin zu Hause ist. Ferdinand Bac ist kein Feuilletonist, wieder durchaus modern sehende und modern denkende Monsieur Huret.Er hat ein unmodernes, ein altfränkisches Herz, ist aber darumnicht minder geistvoll. Ihn erfüllt das stille Schauen der Roman»tiker, und darum fällt es ihm gar nicht ein, die Reichsmetropole zubesuchen. Auf der Suche nach der deutschen Seele durchwanderter das Land— wo könnte er die weniger finden, verschütteter und..gewandelter" als in Berlin, der Residenz Wilhelms II.? Er hatauch keine Nankeeseele, die die Welt amerikanisch-praktisch betrachtet.Was ist ihm All- Deutschland mit seiner Machtpolitik, seinerSiegesallee, seinen technischen Errungenschaften, seiner Spree.Wasser- und Dekadenzkultur und seiner— Frauenemanzipation?(Diese nämlich geht seinem Gemüt direkt Wider den Strich!) Alt-Deutschland hat's ihm angetan. Dem Deutschland von einst giltseine Liebe, dem Deutschland der Maitressen, der Kleinstaaten-Politik, der Hausmusik. Das komplizierte Jung-Deutschland mitdem«Adler als Wappentier" und der.Luxus-Nachäsferei" wird inweitem Bogen umgangen, höchstens mit ein paar treffenden Ironienbedacht. Denn, wie gesagt, dieser eigentlich so ganz unfranzöfischeFranzose Bac ist schwärmerisch in die Vergangenheit verliebt, indie biedere, solid« Bürgerlichkeit, ,,wo im Kachelofen sich der ganzefamiliäre Reiz der Rasse konzentriert". Und auf allen seinen Wegendurch dieses historische Deutschland beherrscht ihn die Sehnsuchtnach der abhanden gekommenen„Einfachheit". Das bringt nunmit sich, daß sich der Autor ein bischen gar zu vcrbiedermeiert ge-bürdet. Seine Verliebtheit in eine politisch impotente Zeit wurzeltfür uns Jünger der Gegenwart, für die Fortschritts- und Tat-fachenmenschen übermäßig stark im Romantischen. Dennoch, dieserTimotheus Blondel(sogar der Name, den Bac seinem Deutschland-Beschauer gegeben hal. ist charakteristisch für seine Romantik) siehtals K ü n st l e r, und so sucht er die Stätten alter Kultur auf underlebt in ihnen Gemälde. In Nürnberg findet er das Ehrwürdige.In diesem Teil liegt das Schwergewicht des Buches. In der StadtHans Sachs' und der schönen Brunnen leuchtet ihm der Wider-schein der deutschen Volksseele, er sieht sie in Nürnbergs male-rischem Gewinkel, in der Poesie seiner Dächer, aus seinem Stadt»graben, wo in einem„mit Hopfen umrankten, Gartenhäuscheneinige Privatiers in Hemdärmeln Kegel schoben und aus langenPfeifen dampften." Man merkt, Timotheus Blondel schaut dieDinge mit Ludwig Richteraugen an, der unter einer nüchternenund doch so reizvollen Auffassung das friedliche Behagen der Klein-bürger verbildlichte. Er setzt deshalb auch auseinander, daß mandie Tugenden und Gewohnheiten eines Landes an den kleinenLeuten studieren müsse, nicht im Salon, und daß die Landcssittenam unmittelbarsten in der Obhut des Volkes liegen. Doch emp-findet er den Zauber der Stadt nicht durchweg in rhrem noch aller-orts versteckt zu findenden„Altjungfernstil" und wird durchausnicht etwa zum Berherrlicher des Philisteriums. Gar bald erhebensich die Betrachtungen über Spießer- und Bratwurstglöcklepocfiehinaus. Ganz prachtvoll ist das Kapitel über die Lorenzerkirche.voller Verständnis das über Albrecht Dürer. Und in seiner Plan-derei über die ehrwürdige Dürcrstadt schwindet alles Sentimentale,gefällig und geschickt flicht der Autor, meist in Gesprächsform, Re-flexionen, Philosophien und Legenden ein und überrascht durch!manches kluge Wort und manches kritische Urteil. Trotz der reich-lichen Zitate, Lektionen und Anekdoten wird doch keine trockeneGelehrsamkeit ausgekramt. Die anfängliche Herzenständelet mittausend kleinen Dingen wächst herauf zum künstlerischen Ver»stehen und Genießen der Werte einer vergangenen Epoche, jener.unserem materialistischen heutigen Teutschland fremden Gefühlswerte. Als echter Idealist kommt er im Schwabenlande denn auchnach Marbach, aber in diesem Abschnitt über Schillers Geburts-stadt: Die Wiege des Idealismus, wie in dem vorher-gehenden: Ludwigsburg(die vom Willen der Maitresse Grä-venitz geschaffene kleine Residenz), sinken des Autors dichterischeKräfte zurück. Hier wird er mehr zum unterhaltenden Bericht-erstatter. Da spürt er ein wenig zu lehrhast den Schnörkeln desleichtgeschürzten, des trunkenen Rokoko nach und schöpft aus denQuellen der Historie. So kommt eine Art Miniaturchronik heraus,zwar teilweise ganz interessant vorgeplaudert, aber in der Haupt-fache doch nur für den französischen Leser berechnet. Der Dcuischakennt diese Anekdötchen und Begebenheiten sozusagen von der Schuleher, ja er kennt sie sogar besser und richtiger als Herr Bac, derfreundliche Cicerone. Denn Schiller hat z. B. sein Lied an dieFreude nicht, wie Bac seinen Archivar erzählen läßt,„unweit desWeinbcrghäuschens an der Elbe" verfaßt, sondern dieser leben-umfangende Hymnus wurde— authentisch erwiesen— in demärmlichen Landhaus zu Gohlis bei Leipzig gedichtet. Trotzalledcm:was der Verfasser gewollt, ist ihm gelungen. In den beiden letztenTeilen etwas trockener und schwächer, im ersten Teile(Nürnberg)aber mit dem künstlerischen Vermögen, feinfühlende Wesen zwischenalten Steinen herumzuführen. Tie von Elisabct Zcmzinger de-sorgte Uebersetzung zeigt im Stil nicht durchweg das kongenialeFeingefühl.Abenteuerlicher SimplizissimnS des HaftSJakob Christoph von Grimmelshausen. Reu anTag geben und in unser Schriftdeutsch gesetzt von EngelbertHezaur. Verlag von Alb. Langen. München.Die AusgrabungSwut findiger Verleger hat in der letzten Zeitrecht verschimmelte Scharteken zutage gefördert. Zu diesenexhumierten, blank gescheuerten Leichen zählt Gott sei DantGrimmelshausens Simplizisfimus, der jetzt vom Verlag Langenneu herausgegeben wird, nicht. Hier wurde keine Mumie zueinem Scheinleben erweckt. Der abenteuerliche Simplizissimus.dieses bedeutsamste Prosabuch des 17. Jahrhunderts, hätte schonlängst das Geschick verdient, nicht nur durch einen revidierten Neu»druck der Vergessenheit entrissen, sondern auch durch eine flüssigeLesart der heutigen Generation wieder nahegebracht zu werden.Denn dieser beste alte deutsche Roman ist mehr als nur einhumoristisches oder kurioses Werk(wie es dem oberflächlichenLeser scheint), er ist ein vollgewichtiges Kulturdokument.Es trifft sich sonderbar, daß mir gerade nach Bacs Verherrlichungder altväterischen Zeit Deutschlands dieses lebenerfüllte Zeugniseiner unfriedsamen Zeit Alt-Deutschlands unter die Hände kommt.Wie anders präsentiert sich hier die gute alte Vergangenheit! DieGreuel und Schrecken des SOjährigen Krieges lodern aus, und digErzählung weitet sich zum Sittenspiegel des Deutschlands der Ver-Wüstung. Soll ich hier einzeln die Vorzüge nennen, die außerdiesem historischen und kulturellen Wert an dem Roman der aben-teuerlichen Irrfahrten eines Menschenkindes mit Kopf und Herzauf dem rechten Flecke, dem es„wollte behagen, mit Lachen dieWahrheit zu sagen", zu lobpreisen find? Ich müßte Seiten habenfür den erquickenden, strotzenden Humor, für die derb-ehrliche,kernhafte Sprache, für die Fülle der Begebenheiten, die im buntenWechsel immer unterhaltsam, immer zeitschildernd und immerals Ausdruck einer urgesunden Weltanschauung vorüberziehen.Rur das eine soll hier ganz besonder? betont werden: die wahreund echte Volkstümlichkeit dieses vortrefflichen Buches. Und dafür das Volk gerade da» Beste gut genug ist, erweist sich auch gerade