Fritz legte die Hand auf des Brüderchens hellblondes Haar. Weiter sollst Du nicht mit, mein kleiner Junge. Es muß doch mal sein, hier wollen wir auseinandergehen. Du wirst das da noch oft sehen. Und wenn Du's siehst, dann den an Fritz! Willst das?" Ja", entgegnete Martin. Auf einmal hob der große Bruder rhn in die Höhe und küßte ihn auf den Mund. Martin war noch niemals von einem Manne geküßt worden, auch nicht von seinem Vater. Das ist dort, wo Martin und Fritz geboren sind, ganz un- gebräuchlich. Mit einer gewissen Hast war er von Fritz hingesetzt worden, nun stand er und sah dem Bruder nach. Erst bewegte sich der Schattenriß von Fritz noch scharf und schwarz vor dem roten Abendhimmel, dann fing er an zu versinken und versank immer mehr. Fritzens Schatten war schon so weit, da stand er noch einmal still und winkte. Der Kleine erkannte es ganz gut, Fritz winkte mit seiner Mütze. Dann kam der Wegknick am Wiesenweg. der verschluckte den in die weite Welt gehenden Fritz. (Fortsetzung folgt.) Der Laubenkolonift als Gärtner und Kleintierzüchter. Der Balkon im Blumenschmuck. In den letzten Wochen ist Prietzke in seinem Kegelklub(der Ratzenbriiderloge zur untergegangenen Sonne") vergeblich er- wartet worden. Er hatte andere Arbeit. Im März hatte auch die jüngste Tochter den Monteur Krabbelmüller geheiratet. Herr und Frau Prietzke waren damit wiederendlich allein", wie damals am ersten Abend. Lang ist es Herl Bald danach hielten PrietzkeL nach einer neuen Wohnung Umschau. Kleiner sollte sie sein, eisten Balkon sollte sie haben, und nach der Sonnenseite sollte sie liegen. Nach langem Suchen war sie gefunden, und am ersten April wurde mit Hilfe seines Freundes Nudelmaier, der aus München , dem Paradies der Maier, stammen will und kleine Fuhren fährt, der Umzug bewerkstelligt. Kaum waren Prietzkes in der neuen Woh- nung warm geworden, so begann die Sorge um den Balkon und seine Ausstattung in den Vordergrund zu treten, und an einem schönen Abend saßen wir gemütlich um den runden Tisch, zu be- ratschlagen, was zu machen sei. Hat man, wie Prietzke, einen Balkon, der hoch oben wie ein Schwalbennest am Hause hängt, dann hält es nicht schwer, auch mit bescheidensten Mitteln hier ein kleines Blumenidhll zu schaffen, das den schönsten Dachgarten, ja selbst die sagenhasten hängenden Gärten der Semiramis übertrumpft. Die erste Sorge ist die Beschaffung von Kästen, die, wenn es die Bauart gestattet, auf die Balkonbrüstung, sonst auf dem Boden dicht am Gitter stehen sollen. Die Länge und Breite eines jeden Kastens muß den Größenverhältnissen des Balkons angepaßt sein, die Höhe etwa 20 Zentimeter betragen. Kästen aus Blech sind unbrauchbar, weil sie sich in der Sonne erhitzen, wodurch die an den Wandungen liegenden Wurzeln verbrennen, und weil sie der Lust keinen Zutritt zum Erdreich gestatten, wodurch dieses ver- säuert, was Wurzelfäule zur Folge hat. Balkonterrinen aus Ton sind billig, auch poröse, aber für sonnige Lage nicht geeignet, weil sie sich gleichfalls zu sehr erhitzen. Am empfehlenswertesten sind Holzkästen, die sich Prietzke selbst gezimmert hat. Man nutet sie oder beschlägt die Ecken mit Blech, weil genagelte Kästen sonst unter der Einwirkung der ständigen Bodenfeuchtigkeit baldaus dem Leim" gehen. Zur Erzielung eines geregelten Wasscrabzuges werden in jeden Kastenboden eine Anzahl großer Löcher mit dem Drillbohrer gemacht, dann streicht man die Kästen außen mit grüner Oelfarbe. Liegt der Balkon nach der Straße, so muß man auch für eine Vorrichtung sorgen, welche das nach dem Gießen abziehende Wasser auffängt, denn wenn man Wicken oder Bohnen gesät hat und das Gießwasier läuft den unten gehenden Damen in die Topfhüte, so kann man es erleben, daß es nicht die Wicken und auch nicht die Bohnen sind, die kommen, sondern die Polizei, natürlich mit einem Strafmandat. Ich habe mir in einkacher Weise wie folgt geholfen, und Prietzke will es ebenso machen: Auf jedes Abzugloch im Boden legt man eine Blumentopfscherbe, und dann bringt man eine zwei Finger hohe Schicht Torsstreu ein. Diese wird zuvor in Wasser gelegt und mit den Händen tüchtig ausgedrückt. Torsstreu wirkt wie ein Schwamm, saugt, wenn man nicht zu toll gießt, das über- schüß'ige Gießwajser aus und gibt eS dann nach und nach wieder an die trockener werdende Erde ab. Auf die Torfunterlage kommt die Erde.. Diese muß gehaltreich sein. Die elende, mit Wurzeln und Topfscherben durchsetzte Abfallerde, die man in den Blumen- geschäften meist alsBlumenerde" erhält, taugt nichts. Entweder holt man sich in einer Handelsgärtnerei beste Mistbeeterde, die man mit einem Sechstel groben Sand vermischt, oder man holt sich von einer fetten Wiese die vom Maulwurf aufgeworfene Erde, der man etwas Nadelerde beimischen kann. Letztere findet man in unseren Kiefernforsten, wenn man die obere, noch nicht ver- rottete Nadelschicht fortgeräumt hat. Auch die schwarze Holzerde von lange benutzten Zimmerplätzen ist zur Beimischung brauchbar. Mit solcher Erde, die nicht zu naß, aber auch nicht zu trocken seil» darf, werden die Kästen gefüllt; die Erde muß ziemlich fest, aber nicht zu fest angedrückt werden. Wir stehen nun vor der Frage, ob wir die Kästen bepflanzen oder besäen sollen. Letzteres greift den Geldbeutel nur wenig au, erfordert aber Geduld, denn die Samen brauchen Zeit zum- Keimen, die Sämlinge Zeit zur EntWickelung. Wo die Kästen eins üppiges Blättergewirr mit reichlichen Blüten und elegant herab- hängenden Ranken bilden sollen, da empfehle ich die rankende Kapuzinerkresse(Nropaeolum Dodbianum). Es gibt Sorten mit feuerroten und auch solche mit orangefarbigen und gelben Blüten. Die Blätter sind sehr würzig und können auf Butterbrot gegessen werden, die gleichfalls würzigen Samen kann man wie Kapern einmachen und essen. Für 30 Pf. Samen genügen für einen nicht zu großen Balkon. Man legt die Kerne einzeln in Zickzacklinie, also so.-.-.-. in die Kästen; sie sollen etwa 1 Zentimeter hoch mit Erde bedeckt fein. Will man den Balkon in«ine Laube verwandeln, d. h. Schlingpflanzen am Spalier oder an gespannten Schnüren hochziehen, dann legt man die rot blühenden Feuerbohnen, die verschiedenfarbigen, nur abends aufblühenden Trichterwinden(Mondblüten), die nicht sehr hoch rankenden wohlriechenden Wicken oder den nur seiner Belaubung halber beliebten- weiß-grün-buntblätterigen japanischen Hopfen. Alle diese Samen werden sofort gesät, nur Feuerbohnen erst nach dem IS. Mai. Kürbisse finden in den Kästen nicht genügend Nah- rung zur EntWickelung, andere feine Sommerschlinger müssen unter Glas herangezogen werden. Diese so Sommerefeu (Mikania scandens), wohlriechende Pilogyne(Pilogyne suavis), rankende Cobaea(Cobaea scandens), muß man kaufen und kurz vor Pfingsten pflanzen. Auf beschatteten Ballonen gedeihen nur zwei Schlingpflanzen; großblättriger Efeu und wilder Wein. Beide sind ausdauernd, werden im Keller überwintert, müssen aber in jedem dritten Jahre frische Erde erhalten. Will man nicht selbst säen, sondern gleich etwas Fertiges haben, so bepflanzt man die Kästen kurz vor Pfingsten mit gekauften Gewächsen.. Die schönsten Blütenpflanzen für volle Sonnenlage find die Pelargonien, fälschlich Geranien genannt: die hängenden Efeu- Pelargonien mit meist zart rosa und zart rot gefärbten Blumen und die Zonalpelargonien, am schönsten in der leuchtend feuerrot blühenden Sorte Meteor. Diese Pflanzen kosten 60 bis 80 Pf. pro Stück und werden in eine Reihe in 20 Zentimeter Abstand ge­pflanzt. Man nimmt sie aus dem Topfe und pflanzt sie mit dem Topfballen. Bei Morgen- oder Nachmittagsonne gedeihen Blüten- begonien, afrikanische Balsaminen(Irnpatiens Sultani), auch Fleißiges Lieschen" genannt, Fuchsien, Heliotrop, herrlich nach Vanille duftend, und Hortensien. Der fertig bepflanzte oder besäte Kasten muß noch einen zwei Finger breiten Gießrand aufweisen, der bei jedesmaligem Gießen das nötige Wasser fassen kann. In der ersten Zeit verwendet man zur Bewässerung eine mit Brausekopf versehene Kanne. Das Wasser soll überschlagen, mindestens lufttvarm, nicht kalt sein. Im Frühling gießt man nur morgens, im Sommer abends, wenn es nottut, morgens und abends. Sind die Pflanzen in vollem Wuchs, so gibt man wöchentlich zwei- bis dreimal Dung- Wasser, je drei Gramm Taubendung in 1 Liter Wasser, das sind drei Teile Dung auf tausend Teile Waffer, oder 1 Gramm Alberts Nährsalz(in kleinen Mengen bei Samenhändlern erhält- lich) auf 1 Liter Wasser. Prietzke ist felsenfest davon überzeugt, bei Beachtung bor- stehender Ratschläge im Juli den schönsten Balkon in der ganzen Ackcrstraße zu haben, und ich bin sicher, daß das tatsächlich der Fall ein wird. ild., JVeuc SrzählunöfsUteratur. (Schluß.) Else Jerusalem : Der heilige Skarabäus. Ro- man. S. Fischers Verlag, München . Der Name Else Jerusalem kommt uns das erstemal vor die Augen. Ist dieses Buch die Bezeichnung Roman trifft seinen Kern nicht, denn es ist die Passionsgcschichte der Prostituierten ein Erstlingswerk? TanN würde dieser reife Frauengeist um so mehr überraschen, der hier mit erstaunlichem Verständnis für die psychische und soziale Seite des Dirnentums seinen Stoff beherrscht. Ein starker ethischer Ernst, eine sichere Kraft, das Gewollte zu schil- dern, die sich jeden Phrasentums begibt, vor allem die ruhige Klar- heit im Denken unterscheiden Else Jerusalems Buch in überaus vorteilhafter Weise von den auf Effekt und Rührung hingear- betteten Erzeugnissen ähnlichen Themas. Seit Margarete Böhmes inWeiblichkeit" triefendem Tagebuch einer Verlorenen habe ick) ein gelindes Grauen vor den ebenso geschäftigen(lies g e schü ft- lichen) wie empfindsamen Dirnen-Retterinnen und-Verherrliche- rinnen. Aber Else Jerusalem will weder eine Retterin noch eine Verherrlicherin sein. Mit männlickwm Geist gibt sie nur objektive Tatsachen, leine lamentablen Enthüllungen mit faustdicker Ten-