denz, sondern fie berichtet einfach von dem in Fäulnis schillernden Leben im Bordell,der Residenz des Triebes  ". Wer lüsternen Ge- müts an dieseKulturgeschichte" herangeht, etwa pikante Histörchen, Nacktheiten, erotischen Kitzel erwartet, wird nicht auf seine Rech- nung kommen. Die Damen von Frau Warrens Gewerbe und ihre unglücklichen Opfer sind zwar in ihren letzen Intimitäten belauscht, aber von der Autorin Standort aus brechen sich diese schwülen Dinge alle an ihrer, ich möchte sagen wissenschaftlichen Bc- trachtung. Ein Kind mit unsckmldigen, fragenden Augen wächst auf in dieser Welt der Erniedrigung und Schändung der Frauen- würde, gerät später, wissend werdend, hinein in der Sumps, erlebt in denSalons", in denen die Männer ihre Lüste stillen, das Mar- tyrium der käuflichen Freudenmädchen und ringt sich am Ende los, um mit reiner Seele ein Mensch unter Menschen zu werden. Dieser nicht immer glaubwürdig motivierte Läuterungsprozeh der Dirne ist der Geschichte schwächster Teil. Das Bild jener Stätten, da die Menschlichkeit in den Staub getreten wird, die psychologisch getreue Zeichnung der armseligen Geschöpfean sich", schaffen die starke Wirkung des BucheS. Die künstlerische Linie ist dabei nirgends verlassen, es wird nicht mit flacher Sentimentalität hantiert. Darum ist auch keins der beliebten Änklagebücher herausgekommen. Die Verfasserin versteht die Notwendigkeit, versteht die Zusammen- hänge. Der heilige Äarabäus ist ein glänzender Mistkäfer. Die Aegypter hielten ihn heilig. Sollen wir die Skaraväcn in unserem Gesellschaftsorganismus zertreten? Den tanzenden Mädchen, lachenden Bräuten, spielenden Müttern ist das Buch gewidmet. Warum nicht auch den Männern? Denn vor allem macht doch der Mann das Weib zur Dirne. Nicht durch seine Begierden, sondern durch den Sinn, der mit und bei der Sache ist. Ludwig Thoma  : Briefwechsel eines baheri- schen Landtagsabgeordneten. Mit 20 Zeichnungen von Eduard Thöny  . Verlag Alb. Langen, München  . Da wir einmal bei den Kulturbüchern sind, muh auch diese famose Sammlung von Briefen genannt werden, in denen Lud- wig Thoma mit unübertrefflichem Humor den Zcntrumsgeist unter dem Srfiädeldache eines bäuerlichen ultramontanen Abgeordneten kristallisiert. Wir kennen diese Kabinettstückchen erquicklicher Satire schon vom Simplicissimus her, dort haben wir sie schon mit herzlichem Lachen gelesen. Jetzt haben wir sie aber alle beisammen, diese wahrhaft klassischen Spiegelungen blöder Gehirne, durch die das Goethewortam Ende hängen wir doch ab von den Kreaturen, die wir machten", eine ironische Illustration erfährt. Josef Filscr und Genossen werden auch trotz dieser grandiosen Verulkung weiter zum Stimm.... na, sagen wir höflich: Stimmaterialgemacht" werden. Aber in der Trübseligkeit unserer Zeit sind diese Briefe in ihrer unvergleichlichen 5tomik, in ihrem beißenden Hohn und in ihrer lapidaren Bauernschädclpsychologie und-Philosophie, in der alles auf seinen echtesten Ausdruck gebracht ist, eine wahre Er- frischung. Freilich, das ganze Büchlein hintereinander wird man wohl schwerlich durchnehmen können, diese heilsame Medizin gegen Hypochondrie muh, wie alle starkwirkenden Mittel, in kleinen Dosen genoffen werden. Die angefügten, bisher noch unveröffentlichten Aufsätze Johann Filsers sind eine Extraergötzung.»V. Huö demLeben" eines Defpoten. Im PariserJournal" wird erzählt, wie der entthronte Abdul Hamid   seine Tage und Nächte verbrachte. Wir entnehmen der interessanten Schilderung das folgende: Sein Essen wurde in einer Küche zubereitet, die ständig von den treuesteu der ihm ergebenen Diener überwacht war. Ter Sultan   immer allein; manchmal gab er ganz plötzlich von dem Gericht, das ihm serviert wurde, dem Koch zu kosten.... Das war natürlich eine weise Vorsichtsmaßregel! Nach dem Diner las er Briefe; war er leidlich guter Laune, so ließ er sich etwas vor- mimen: er hatte sein Theater und seine Opern-, Operetten-, Tän- zerinnen- und Spaßmachertruppen; wenn eine berühmte West- europäische Theatergesellschaft durch Konstantinopel   kam, lud sie der Sultan zu einem Gastspiel im Jildis-Kiosk ein; er wohnte dann in dem halbdunklen Saale mit einigen wenigen Herren seines Gefolges der Aufführung bei. und man kann sich denken, daß die Vorstellung vor fast leeren Bänken nicht besonders amüsant war. Abdul Hamid   ging spät zu Bett, nachdem er persönlich alle Türen seiner Gemächer fest verschlossen hatte! Während er schlief, mußten alle Lichter brennen, denn er hatte eine furchtbare Angst vor der Dunkelheit. Niemals schlief er zwei Nächte hintereinander in demselben Schlafzimmer: es mußten am Abend in sämtlichen Schlafzimmern des Palastes die Betten hergerichtet werden, und der Sultan   wählte erst im letzten Augenblick das Zimmer, in welchem er schlafe:, wollte! Manchmal irrte er bei Nacht ruhelos im Palast umher; ZM geschah besonders, wenn er durch einen schlechten Traum aus dem Schlafe aufgeschreckt worden war. Er guckte dann in alle Ecken und Winkel, weil er überall Verräter vermutete, oder er ließ mitten in der Nacht die Musiker des Palastes wecken, um sich etwas vorspielen zu lassen.... Der Gedanke an den Tod erfüllte ihn mit Entsetzen: er scharte daher eine ganze Anzahl berühmter Aerzte um sich und befolgte alle hygienischen Vorschriften bis auf das i-Tipfelchen. Einmal im Jahre nur zeigte er sich dem Volke? er fuhr dann durch die Stadt, um sich zu der religiösen Feier der Anbetung des Mantels des Propheten zu begeben. In einer Ecke seines gc- panzerten, aber halb offinen Wagens sitzend, sauste er sozusagen wie ein Wirbelwind vorrher, so daß niemand ihn genau zu sehe» bekam, es wußte auch niemand vorher, welchen Weg er wählen würde, um zur Moschee zu gelangen. Tie Privatgemächer des Sultans waren im nördlichen Teile des Palastes gelegen und von einer 4 Meter dicken Mauer um- geben; in der Mauer befanden sich eiserne Tore, die nur nach außen hin geöffnet werden konnten. In früheren Jahren hatte der Beherrscher der Gläubigen seinen Wohnsitz direkt im Harem aufgeschlagen; später, als er auch seinen Frauen und den Eunuchen mißtraute, lies; er sich zahlreiche Separatzimmer bauen: Zimmer, deren Türen sämtlich mit sehr komplizierten Kunstschtössern ver- sehen waren; vor jeder Tür hingen schwere Vorhänge, die so an- gebracht waren, daß niemand ahnen konnte, daß hinter dem Vor- hang ein Ausgang war. ,, Ter Palast war mit elektrischem Licht und mit zahllosen Telephonapparaten versehen; vor den Schießscharten der Mauer standen Schnellfeuergeschütze neuester Konstruktion. 7000 Sol­daten bewachten den Riesenpalast, in dessen Tependenzen 5000 Menschen lebten. Man ersieht aus alledem, daß Abdul Hamid   das typische Leben" des im Bewußtsein seiner Verhaßtheit dahinvegetierenoen und von der Angst um sein bißchen elendes Leben ständig zermar- terten Tyrannen geführt hat. 8kutari. Nähert man sich Konstantinopel   vom Marmara-Meere auS. so erhebt sich zunächst vor den Augen des Reisenden eine reizende Inselgruppe, bedeckt mit Gebüschen, über denen die dunkle Cypresse, die schlanke Arbuku und die immergrüne Eiche majestätisch hervor- ragen und aus deren Schatten hin und wieder die Mauern eines griechischen Klosters auftauchen. Während des größten Teils des Jahres ist die sie umgebende Wasserfläche so glatt und eben, daß die lieblichen Eilande auf dem Meere zu schwimmen scheinen, aus dessen glänzendem Spiegel ihr Bild dem Auge widerstrahlt; dies sind die Prinzeninseln. Sie find fast nur von Rajahs   bevölkert und der Licblingsaufenthalt der vornehmeren Griechen der Haupt- stadt im Sommer, da bei ländlicher Natur hier eine viel gc- mäßigtere Temperatur herrscht als an den Ufern des Bosporus  . Zur Rechten erhebt sich die Küste von Äleinasien, über der sich in blauer Ferne die großartigen Umrisse des asiatischen Olymps am timmel abzeichnen, meistens unverhüllt und scharf in dem reinen ether und nicht wie Homer   sagtmit umwölktem Gipfel". Die Abhänge des Berges bedecken dichte Waldungen, auf seiner Spitze aber türmt sich ewiger Schnee, der, im Sonnenlichte glän- zcnd, auf die erhitzte Atmosphäre im Sommer einillusorisches Gefühl" von Kühlung niederspiegelt. In einem weiten Bogen dehnt sich von hier die Küste bis zum Eingang in den Bosporus  . In einer Vertiefung liegt Chalcedon  , dieStadt der Blinden  "; wie sie vom delphischen Orakel genannt wurde, jetzt Kadikjöi, und neben ihr erstreckt sich, fast eine deutsche Meile weit, der große Begräbnisplatz der Gläubigen, der ausgedehnteste der Welt, be- säet mit Tausenden und Abertausenden von Grabsteinen und be» schattet von Cypreffen, demBaum der Toten". Aus deic Ebene aber, gegen die Anhöhen aufsteigend, breitet sich das schöne S k u<>. t a r i die asiatische Vorstadt Konstantinopels   weit am Ge­ll irgs abHange aus. zur Rechten von der ungeheuren Kavallerie- kaserne begrenzte deren weiße, mit viereckigen Türmen gezierte B lauern die Aufmerksamkeit des Kommenden schon aus weiter Ferne auf sich ziehen, im Hintergrunde von den steilen Höhen- zügcn von Burgerlu, einem Zweige der großen bithynischen Ge- birgskette, begrenzt. Skutari liegt auf einem der Vorgebirge, durch die sich die reißende Strömung des Bosporus   drängt. Bei dieser Enge eröffnet sich dem Fremden die herrlichste Aussicht; sie um- faßt beinahe die ganze Länge des Bosporus   mit allen seine» romantischen Windungen. In dieser lieblichen Meerenge ver- einigt sich alles Schöne und Erhabene, alles was Auge und Gemüt entzückt. Der Bosporus   verdankt wahrscheinlich seine Existenz furchtbaren Naturereignissen. An seinem östlichen Ende war wohl vor Zeiten ein Binnensee, dessen höher als daS Mittclmeer ge- legene Niveau mehrere tausend Meilen umschloß. Durch eine Erderichüttcrung ist vermutlich ein Bruch entstanden, durch den das Wasser drang und die tiefer gelegenen Gegenden überschüttete; diese Vermutung wird aus verschiedenen Gründen zur Wahr- scheinlichkeit. Auf einzelnen Stellen der einst Lon den großen Wassermasse bedeckten Fläche finden sich noch kleinere: da? Schwarze, Asowsche und daS Kaspische Meer, die ursprünglich wohl nur tiefere Stellen des weiten Beckens waren, während die flacheren, durch die Ableitung trocken gelegten Punkte alle Kennzeichen eines Alluvialbodens besitzen. Ter Punkt, wo nach der Vermutung der Bruch stattfand, zeichnet sich durch vulkanische Ueberrcste aus; Basalt, Lava und andere Schlacken und Verkalkungen liegen i» Masse umher. Die Meerenge selbst trägt alle Spuren einer mit Gewalt geöffneten Kluft, deren Erhöhungen auf der einen Seite den Vertiefungen auf der anderen entsprachen, während der Grund