Die Gefclncbtc der Bucbdruckerhunft in China » •" Zu einer Zeit, in der die Völker des Okzidents noch als Warbaren in den Urwäldern lebten, kannten die Chinesen bereits den Kompaß und das Schießpulver. Sic wollen auch, lange vor Gutenberg , die Buchdruckerkunst erfunden haben, aber die Mandarinen sind über den Zeitpunkt dieser Erfindung nicht einig. Fn einem in der„Asiatic Quarterly Review" veröffentlichten Artikel macht Zl. H. Parker über die Geschichte der Buchdruckerei in China fesselnde Mitteilungen: Anfangs schrieben die Chinesen lmit Lack, und ihre Schreibtafeln waren kleine, aneinander- gebundene Bambusstäbchen. Die merkwürdige„Schreibtafel" sah aus wie eine Pansflöte mit gleich langen Rohren. Da es nicht ganz leicht und bequem war, eine ungleichmäßige Fläche mit Schriftzeichen zu bemalen, so wurden die Bambusstäbchen bald durch kleine Holzbrettchen ersetzt. Allmählich trat an die Stelle des Lacks die'Tinte oder die Tusche. Lange vorher aber waren dedeutende Schriftgelehrte auf die Idee gekommen, Schriftzeichen mit zugespitzten und in Lack getauchten Stäbchen auf Seide zu malen. Diese Art zu schreiben war natürlich nicht jedermanns Sache, denn sie war kostspielig: deshalb bemühten sich in den zwei Jahrhunderten, die der christlichen Zeitrechnung vorangingen, die Erfinder vor allem, dem schreiblustigen Publikum weniger vor- nehme Schreibmaterialien zur Verfügung zu stellen. Es gelang ihnen auch, aus den Abfällen der �eidenstoffindustrie eine Art Papier herzustellen, und ein kleiner Pinsel mit sehr feinen Haaren trat an die Stelle des kleinen HolzstäbchenS. Das Seidenpapier tvar aber auch noch zu teuer, und man machte die verschiedensten Experimente mit neuen Schreibmaterialien. Im Jahre 102 der - christlichen Zeitrechnung fand ein Erfinder namens Tsai-Lun ein Mittel, nicht nur die Abfälle der Seidenstoffindustrie, sondern auch alte Fischnetze und Stofflumpen bei der Papierfabrikation zu verwerten. Als die Chinesen erst billiges Papier hatten, widmeten sie sich mit Eifer der Verbesserung der Tinte, deren Her- Stellung zu den schönen Künsten gerechnet wurde und den höchsten Grad von Vollendung im 3. Jahrhundert nach Christi Geburt erreichte. Die Chinesen waren damals also bedeutend weiter als die zivilisierten Völker des Okzidents: sie kannten das Papier, während z. B. die Griechen und die Römer sich der weniger bequemen und viel kostspieligeren Paphrusrollen bedienen mußten. Im Grunde war das aber nur eine Materialfrage, denn die chinesischen Schriftgelehrten und Literaturfrennde konnten auch nichts anderes jhaben als mit der Hand verfertigte oder vervielfältigte Schrift- stücke. Ter wahre, der große Fortschritt ist die Entdeckung der Wuchdruckerkunst: hier ist die chinesische Zivilisation um mehr als acht Jahrhunderte voraus!„Der erste Schritt auf dem Wege, der zu der Entdeckung der Buchdruckerkunst führen sollte," schreibt Parker,„wurde viel früher getan, als man bis jetzt angenommen jhat. In längst verflossenen Zeiten schon pflegten die chinesischen Schriftgelehrten von alten Inschriften und von in Stein gravierten Schriftzeichen Abdrücke auf Papier zu nehmen. Dieses Verfahren gab weiße Schriftzeichen auf schwarzem Grunde. Ein Schrift- gelehrter kam auf die Idee, einen Steinblock mit Schriftzeichen in Relief versehen zu lassen; auf diese Weise erhielt er dann jschwarze Schriftzeichen auf weißem Grunde. In der Zeit von<Z18 Ibis 900 wurde eine Anzahl Werke, deren Text in der geschilderten Weise, d. h. mit Reliesbuchstaben, aus Holzblöcken herausgeschnitzt worden war, auf Papier gedruckt und von Buchhändlern verkauft. Hier muß auf ein interessantes Faktum hingewiesen werden: Es war nicht ein chinesischer Kaiser, sondern ein tatarischer Fürst aus den nördlichen Provinzen Chinas , der zum erstenmal die Werke t>es Konfuzius drucken ließ. Dieses Ereignis, das in der Ge- Schichte der Buchdruckerei in China ewig denkwürdig bleibt, fällt >n das Jahr 932. Das war allerdings noch nicht die Buchdruckerei, wie sie heute existiert, denn es fehlten noch die beweglichen Schrift- zeichen. In China wurde diese Entdeckung während der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts gemacht. Im Jahre 1041 ist zum erstenmal die Rede von Werken, die mittels beweglicher Schrift- zeichen aus Ton gedruckt worden waren. Ton ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck: es handelte sich in Wirklichkeit um eine Art jsehr harten Porzellans, dessen die chinesischen Drucker und Setzer sich drei Jahrhunderte lang bedienten. Die beweglichen Schrift- zeichen aus Kupfer wurden erst 1368 angewandt, und sie blieben in Gebrauch bis zum Jahre 1649. Von da an wurden die Verbindungen zwischen Europa und Asien häufiger, so daß das „Himmlische Reich" von den durch die Völker des Okzidents ge- machten Entdeckungen profitieren konnte. Die alte Streitfrage also, ob Gutenberg oder der Engländer Caxton die Buchdrucker- kunst erfunden habe, hat keine Berechtigung mehr: die Erfinder der Buchdruckerkunst sind die Chinesen. kleines feiriüctcm. Physiologisches. Der Stoffwechsel der Nerven. Der Vergleich der Nerven mit elektrischen Drähten hat viel Anziehendes für sich. Das Rückenmark und das Gehirn find die Zentrale, die Nerven— Me Leitungen, die die Verbindung zwischen den einzelnen Körperregionen herstellen. Dieser so populäre Vergleich schien seine Stütze noch in tatsächlichen Verhältnissen zu finden insofern, als am herausgeschnittenen tierischen Nerv sich elettrische Erscheinungen nachweisen ließen. So betrachtete man den Bewegungs- und Leitungsvorgang im Nerven als einen rein physikalischen Prozeß, der im Gegensatz stand zu den anderen Lebensvorgängen, welche wir ja als eine Summe chemischer Umsetzungen ansahen, die sich in der lebendigen Substanz abspielen. Eine Reihe von Untersuchungen der letzten Jahre haben nun den unumstößlichen Nachweis erbracht, daß auch der Leitungsprozeß im Nerven ein chemischer Prozeß ist, wie alles Leben über- Haupt. Zuerst führte ein Schüler VerwornS den Nachweis, daß man den herausgeschnittenen Nerv durch Sauerstoffmangel ersticken könne, d. h. daß der Nerv in einer Umgebung, in der es keinen Sauerstoff gibt, seine Erregbarkeit und Leitfähigkeit für Reize ver- liert. Dann folgte der Nächweis, daß man den tierischen Nerv auch narkotisieren könne(durch Chloroform, Aether, Alkohol usw.). Diese Ergebnisse genügten, um darzutun, daß die Tätigkeit des Nerven an Stoffwechselvorgänge gebunden ist, daß der LeitungS- Vorgang im Nerven der Ausdruck chemischer Prozesse ist, die sich im Nerven abspielen. Eine bedeutende Erweiterung haben diese Erfahrungen durch Untersuchungen erfahren, deren Ergebnisse zwei Schüler Verworns neuerdings mitteilen.(Vgl. H. Filii 6:„Studien über die Er- stickung und Erholung des Nerven in Flüssigkeiten" und W. Thörner: „Die Ermüdung des markhaltigen Nerven". VerwornS Zeitschrist für allgemeine Physiologie, Band VIIL) Durch sehr sorgfältige Versuche am Froschnerven(der Frosch ist ja bekanntlich das Haussier des Physiologen) ließ sich zeigen, daß bei Sauerstoffmangel, bei Er- stickung des Nerven in Gas(Stickstoff) sich Stoffwechsel- Produkte im Nerven anhäufen, die ihn lähmen, zur Erstickung bringen. Bringt man nun einen in Stickstoff erstickten Nerv in eine sauerstoffhaltige Umgebung zurück, so erholt er sich sofort wieder. weil die bei der Erstickung sich anhäufenden Stoffwechselprodukte durch den hinzutretenden Sauerstoff wcgoxydiert werden. Man kann dem erstickte» Nerv seine Erregbarkeit und Leitfähigkeit zum Teil schon wiedergeben, wenn man ihn mit einer für den Nerv unschäd- lichen Flüssigkeit(der sogenannten„physiologischen Kochsalzlösung") umspült. auS der aller Sauerstoff ausgetrieben wurde. Diese teil- weise Erholung beruht darauf, daß aus dem erstickten Rerv ein Teil der Stoffwechselprodukte herausgewaschen wird. Weiterhin ergaben Versuche, daß der herausgeschnittene Frosch« nerv ermüden kann, wenn man ihn zu lang- dauernder Tätigkeit veranlaßt. Es zeigte sich, daß es für den Nerv nicht gleichgültig ist, ob er eine größere oder eine ge- ringere Anzahl von Reizen zu leiten hat, wie etwa für den elektrischen Draht. Allerdings handelt es sich hier um Versuche, die am heran?- geschnittenen Nerv ausgeführt worden sind. Am Nerv. der im Körper verbleibt, ist es bisher nicht gelungen. Ermüdungserscheinungen nachzulveisen. Wir finden die Erklärung hierfür, ivenn wir an die Tasiache denken, daß die Ermüdung ja durch eine Anhäufung von Stoffwechselprodukten bedingt wird. Im Körper werden nun die bei der Tätigkeit des Nerven entstehenden Stoffwechselprodukte von. Blute dauernd prompt weggespült und durch den Sauerstoff des Blutes wegoxydiert. So kommt es beim im Körper belassenen Nerv nie zur Ermüdung, auch wenn man ihn sehr stark reizt, wie es einige Forscher getan haben. Dagegen ent- stehen bei der Tätigkeit des Gehirns und der Muskeln größere Mengen von Stoffwechselprodukten, und hier kann der, wenn auch viel reichlichere, Blutstrom den gestellten Anforderungen nicht unter allen Umständen vollauf genügen: Gehirn, Rückeinnark und Muskeln werden müde, wenn sie angestrengt arbeiten. Zum Schluß sei noch erwähnt, daß wir heute auch die am herausgeschnittenen Nerv zu beobachtenden und übrigens in der Physiologie so ausgiebig studierten elektrischen Erscheinungen als den Ausdruck der sich im Nerv abspielenden chemischen Umsetzungen ansehen. Bei geeigneter Vcrsuchsanordnung beobachtet man sie an allen Organen. Eine jede Zelle stellt ja ein chemisches System dar und kann als solches unter bestimmten Bedingungen zu einer Strom- quelle tverden. Die Schleier der geheimnisvollen„magnetischen und elektrische» Kräfte", die dem Organismus innewohnen, find heute gelüstet. Sprachwissenschaftliches. „Er braucht nicht kommen." Allenthalben greift eine sprachliche Neuerung immer mehr um sich, der man entgegentreten sollte. Nach alter, guter Regel wird„brauchen" nicht wie „dürfen, müssen, können, sollen" usw. mit der bloßen Nennform ohne„zu" verbunden und es darf also nicht heißen: er braucht nicht kommen, er braucht sich nicht scheuen usw., wie man jetzt so häufig liest und hört. Die Weglassnng deS„zu" bei„brauchen" in der Schriftsprache sollte nur da geduldet werden, wo man sie schon seit alters um des Wohllauts willen kennt, nämlich da, loa „brauchen" s e l b st mit„zu" verbunden ist z. B.:„Ohne eine Entdeckung befürchten zu brauchen". Perantw. Redakt.: CarlWermuth, Berlin -Rixdorf.— Druck».Verlag: Vorwärt« Buchdruckerei u.Berl«g»anstaltPaul Singer ScCo., Berlin LW«
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26 (12.5.1909) 91
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