Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 92.
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Donnerstag, den 13. Mai.
( Nachdruck berboten.)
Erbaltung der Kraft.
Novelle von Timm Kröger. 5. Kapitel.
Und verlieren sich wieder. Martin Uhrhammer kehrte spät nach Altenhof. Als er von der Wiese, die am Ruhmesbach liegt, quer durch den Hausgarten herankam, war bei der Gartentür unter dem breiten Strohdach an der Wand ein Schatten in einer Stellung, als ob er auf jemand warte, der die Tür öffne. Martin bemerkte ihn nicht, bemerkte auch nicht, daß der Schatten mit ihm zur Tür hineinschlich. Der leise Gast war nämlich ein unsichtbarer Schatten, unsichtbar war auch die Sippe, die er trug der unsichtbare Mann war der Tod. Es war der Sichelmann, der uns alle hinmäht; er hatte auf Altenhof zu tun, und deshalb paßte es ihm, mit Martin zusammen ins Haus zu kommen.
Der alte Uhrhammer war frank. Nach einer Viertelstunde rasselte der Knecht mit den Schimmeln von der Hofftelle, den Doktor zu holen. Und die Sonne war am andern Morgen noch nicht lange aufgestanden, da schritt der Schatten wieder durch den Garten dem Ruhmesbache zu. Er hatte seine Sache getan.
Mit Elsbe hatte Martin besprochen, er wolle und solle gleich am nächsten Sonntag( das Jort war am Mittwoch gewesen) bei der Mutter förmlich um sie anhalten. Diese Zu fage fonnte er aber nicht halten, denn just am Sonntag fuhr der alte Uhrhammer über den Vierth von Todendorf und über Seefeld ( die Brücke war noch immer nicht imstande) nach Hamaschen zur Gruft.
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In Lodendorf begegnete ihm Jürn Alpen von Dückerswisch. Des Düderswischer Bauern Geficht glänzte, seine Rappen taten es auch, und der Federwagen war ganz blank. Zur Sargfolge war er nicht eingeladen worden, das ging nach Ortsgebrauch nur die Ploog"( eine Art Sargfolgegemeinschaft) an, zu der Jürn nicht gehörte. Als Jürn Alpen den Zug wahrgenommen hatte, war er unter die Eiche, die in Todendorf am Dorfteich steht, gefahren. Den Tofenwagen, auf dem Martin und Klaus saßen, grüßte er mit ehrfürchtig entblößtem Haupt.
Der älteste Sohn des Verstorbenen war nicht anwesend. Man hatte an ihn telegraphiert; es fam aber von Holland her die Antwort, daß er nicht könne.
Die ganze Woche dachte Martin an den Gang, den er auf den nun kommenden Sonntag verschoben hatte. Außerdem lag ihm die Erbteilung im Sinn und ob Klaus wohl noch immer ebenso gesinnt sei wie früher. Und dann überlegte er, ob es zweckmäßig sei, vor seiner Werbung mit dem Klüterer zu sprechen oder nachher. Er war schon halb entschlossen, es gleich zu tun, da befann er sich doch noch anders. Da war zunächst die Scheu, dem Bruder in diesem Augenblic mit Erbsachen zu kommen. Außerdem schien es ihm prattischer, erst mit Frau Wulffen im reinen zu sein. Im ungünstigsten Fall wird sie ihr Ja davon abhängig machen, daß der Bruder seine Rechte an ihn abgibt. Dann wird er den guten Klaus, wenn überhaupt, um so mehr zu dem Verzicht bereitfinden.
Der Sonntag fam. Martin Uhrhammer ging nach Verrichtung der ihm obliegenden Früharbeit in feine Kammer, rafierte sich. machte sich fein, nahm die neufilberne Pfeife zur Hand, überlegte, ob es schicklicher sei, mit oder ohne Pfeife zu kommen, und entschied sich für Mitnahme, weil es wohlhabender aussehe.
1909
Ecke zu, wo der vom Ruhmesbach kommende Fußsteig ausmündet.
Als er bei dem Bach angekommen war, fam ein junger Mensch aus dem nach der Sternkate hinaufführenden Redder heraus.
Morgn Mattn," sagte der junge Mensch
„ Tag, Friech," erwiderte Martin Uhrhammer. Er siand bor Friech Gripp.
Willit nach der Sternkate?"
,, Nein," log Martin, das habe er gerade nicht im Sinn. Er habe nach den jungen Pferden auf der Sterbrookerwiese zu sehen. Süh, füh... und so fein?" Friechs Augen musterten das Sonntagszeug und die Neufilberne. „ Das leidet nicht dabei."
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Ich habe sonst, als ich Dich sah, in meinem Sinn ge dacht, der geht nach der Sternfate zu gratulieren." ,, Gratulieren? Was ist in der Sternkate zu gratu
lieren?"
Friech Gripp war nicht boshaft; er für seine Person hatte niemals ernste Abfichten auf Elsbe gehabt. Aber wenn beides auch der Fall gewesen wäre, vor Martins verstörtem Geficht hätte es schwerlich standgehalten.
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„ Hast Du es denn gar nicht gehört, Unglücksmensch?" fragte er nicht ohne Mitgefühl. Weißt Du denn gar nicht?" Was soll ich denn wissen? Friech, sag, was weiß ich nicht? Was hab ich nicht gehört?"
Nein, Martin- wenn Du's wirklich nicht weißt, dann will ich's auch nicht verraten."
Friech Gripp hatte getan, als ob er gehen wolle, war aber von Martin Uhrhammer festgehalten. Der flehte förmlich:
Friech, sag mir, was ist! Tu mir den Gefallen und sag mir! Ich bin bös auf Dich gewesen, weil Du Dich dazu hergegeben hast, mich eifersüchtig zu machen. Ich war aber nur bißchen bös, ich wußte ja, daß sie mir im Grunde treu blieb und daß Du nichts Schlechtes wolltest. Sag mir's, und ich will Dich lieben wie meinen Bruder. Sag, ist es was mit der Elsbe?"
" Ja, mit Elsbe ist es was."
Friech, ich bitte Dich."
" Nun, wenn Du es so gern wissen willst..." „ Sag's!"
,, Du sollst es mir aber nicht nachtragen."
Der( tarke Bauer stand vor ihm mit blutlosen Lippen und blaß wie der Tod.
„ Es tut mir leid, daß gerade ich es Dir sagen muß: Elsbe Wulffen hat sich mit Zürn von Dückerswisch versprochen."
,, Das ist nicht wahr, das ist nicht möglich, Du machst Spaß!"
Nein, Martin! So'n Spaß mach ich nicht. Es ist leider so, wie ich gesagt habe. Rannst ja mal hingehen und fragen. Die Brautleute triffst Du freilich nicht, die sind nach Seefeld zur Schwester des Bräutigams gefahren, und Elsbe foll dort ein paar Wochen bleiben. Aber die Alte, die ist zu Haus. Die fann Dir erzählen, wie es gekommen ist, mir hat sie es auch erzählt, das heißt: ganz ist sie nicht mit der Sprache herausgekommen, aber sie hat durchblicken lassen, Elsbe habe nicht gewollt, aber sie hat gemußt, denn Jürn Alpen( er ist ja der Trostkloß) hat diesmal wohl einen ganz tüchtigen Schein in der Tasche gehabt."
Die alte Wulffen empfing den Liebhaber ihrer Tochter mit einem Gesicht, das verlegen und zu gleicher Zeit über legen aussah.
Auf der Hofstelle am„ Sod" standen ein paar Dirnen Willst wohl nach Elsbe fragen? Elsbe ist verreist, von Altenhof, die ihre Eimer an das Brunnengeländer gestellt hatten und lebhaft miteinander sprachen. Als Martin, Fürn hat sie heute früh hingefahren. Hast wohl schon ge fonntäglich angezogen, mit seiner Pfeife aus dem Dielentor hört. Kannst uns gratulieren, Martin! Martin," fette trat, verstummte zwar ihr Schwab, Martin hatte aber doch sie hinzu, ürn Alpen von Düderewisch und Elsbe haben den Namen seiner Elsbe und den des Dückerzwischers gehört. fich versprochen, die sind Bräutigam und Braut." Er achtete nicht viel darauf und ging durch die Plankentür nach dem Garten hin und strebte im Küchengarten nach der
Das wär!" erwiderte Martin Uhrhammer. Das äußere Gleichgewicht, das ihm im Gespräch mit Friech Gripp ber