Der Schreiber warf die Feder hin md fing an, in einem Kaufen blauer Bücher herumzustöbern; gleichzeitig schoben die glatten Schatten, die sich beim Eintritt des Meisters er- hoben hatten, von allen Seiten auf ihn zu und drängten alle auf einmal an ihn heran. Abgetragene Jacken, durchlöcherte Mützen, schmutzbefleckte Stiefel, fahle Gesichter mit hungrigen Augen und herabhängende sehnige Arme traten ins Licht. Herr Meister!" begannen einige heisere Stimmen gleichzeitig. Ter dicke Mann riß grob und gereizt das Buch aus der Hand des Schreibers und drehte sich zu ihnen um. Schon Wiederl" schrie er unnatürlich laut.Draußen hängt doch der Anschlag! He!" Erlauben Sie zu erklären" ein alter Mann ver- suchte, sich vorschiebend, den Meister milder zu stimmen. Was da noch erklären! Keine Arbeit fertig! Keine Aufträge... Also bald lassen wir auch unsere Schicht machen. Ist ja klar!" Für einen Augenblick verstummten alle, als zögen sie sich in sich zusammen. Aber der alte Mann begann mit Tränen in der zitternden Stimme: Wir verstehen ja... Freilich, wenn es keine Arbeit gibt... was ist da viel zu tun. Aber es ist nicht zum Aus- halten... Wir verhungern... Wenn wir bloß den In- genieur Pustowojtoff sprechen dürften... der Herr hat uns voriges Mal versprochen, nachzusehen... ob..." Seine glänzenden, hungrigen Augen richteten sich voll Flehen und Angst auf den Meister. Nein!" schnitt ihm der, ganz plötzlich in Wut geratend, tas Wort ab. Fjodor Karlowitsch.. bat der Alte beharrlich, als wenn er nichts gehört hätte. (Fortsetzung folgt.)! Die Grolk ßcdüicr Kunstausstellung. Vielleicht hat es noch nie eine Epoche in der deutschen Kunst- entWickelung gegeben, in der die offiziell gepflegte und unterstützte Kunst sich in so dreister und schamloser Weise zur persönlichen Dienerin der geldbefitzendcn Klassen erniedrigt hat wie jetzt..Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Tätigleiten ihres Heiligenscheines entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschast in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt". So schrieben vor einigen und sechzig Jahren Karl Marx   und Friedrich Engels   im Kommunistischen Manifest. Sie vergaßen damals die bildenden Künstler ihrer Liste einzureihen. Wir müssen heute das Versäumte nachholen: der Kunsttcmpel ist zur Marktbude geworden, ein Riesenramschbazar lockt mit Militärmnsik, Bierhallen, Restaurants und CaffeS die Käufer und das neugierige Publikum in seine Räume. Unendliche Lager von Plunderzeug und Schluder- waren breiten sich vor den Augen aus und schreien nach dem bar- zahlenden Abnehmer. Eine Branche spekuliert auf den Patriotismus des rohen Spießertums, eine andere handelt mit Landschaftsbildern aus den besuchtesten Touristengegenden, eine dritte wendet sich nnt lieblichen Genrebildern heiteren oder traurigen Inhalts an daS.deutsche Gemüt" oder hält pikante weibliche.Studienköpfe",.Aktstudien" usw. feil. Zu diesen Kategorien von Kunstindustriellen gesellen sich die- jenigen, die direkt auf Bestellung arbeiten. Dazu gehören bor  - nebmlich die Bildnisproduzenten, die schnell und billig liefen,, keinen ilustrag ablehnen und allen Wünschen der geehrten Kundschaft gerecht werden. Sie unterscheiden sich zu ihrem geschäftlichen Vorteil durchaus von den eigentlich künstlerischen Porträtmalern, die der Meinung find, daß man mit einen, Bildnisse auch zugleich ein selbständiges Kunstwerk schaffen müsse und daß dazu die bloße Aehnlichkeit" und ein gewisses konventionell gefälliges Arrangement des Ganzen nicht genüge. Ich weiß sehr wohl, daß Bilder der gekennzeichneten Art in jeder großen Kunstausstellung zu finden find und daß die leitenden Männer, die Aufnahme- und Anordnungskommissionen usw. keines- Wegs die Verantwortung für das niedrige Niveau der Ausstellung am Lehrter Bahnhos tragen; sie find genötigt, die fast 100 Säle, Zimmer und Kojen des Blechpalastcs zu füllen, und sie werden überdies durch tausenderlei hemmende Vorschriften und lähmende Rücksichten beschränkt, gegen die wirksam anzukämpfen unter den heute bestehenden Velhältnissen nicht möglich ist. Hier geben den Ausschlag höhere Gewalten, deren souveräne Macht aus unseren gegenwärtigen sozialen und kulturellen Zuständen be- ruht. In dem seichten Pegelstande des KunstbnzarS, der in der Hauptstadt des Deutschen Reiches mit Unterstützung der königlichen Akademie der Künste und unter der Protektion der preußischen Staats- regierung veranstaltet ist, spiegelt sich die nngeheuerliche Verwahr» lonmg unserer künstlerischen Kultur, ihre ästhetische Roheit der maß» gebenden, herrschenden und besitzenden Klaffen. Die Große Berliner Kunstausstellung ist diesmal immerhin etwas besser geraten als in den vorhergegangenen Jahren. Der Unterschied ist nicht wesentlich, aber doch unverkennbar. Es scheint, als ob die Konkurrenz der Sezession auffrischend gewirkt hat. Die Kommerzienräte, die etwas aufBildung" halten, genieren sich schon, die altmodischen Schinken zu kaufen, an denen ihr Herz viel- leicht im stillen noch hängt. Man macht sich lächerlich, wenn man was vor wenigen Fahren noch zum guten Ton gehörte Begas einen genialen Bildhauer und Auto» v. Werner einen ausgezeickrneren Maler nennt. Selbst die Simili- Europäer spotten über Knack- süßler und SiegeSallee  . Dieser Aeuderung des Modegeschmacks muß natürlich die Große Kunstausstellung bis zu einem gewissen Grade Rechnung tragen, und so kam es, daß man den Kitsch, den man nicht ganz entbehre» konnte, wenigstens etwas einschränkte und den absoluten Schund, der sich sonst in den Hanptsälen breit machen durste, in die abseits gelegenen Kojen verbannte. Der sogenannte Ehrensaal lH), sonst die Schreckenskannner der Ausstellung, ist diesmal in eine Bildnisgalerie venoaudelt worden, die manches geschichtlich interessante und künstlerisch wert- volle Stück enthält. Neben dem bekannten Selbstbildnis des alten Anton Grafs(26), den Cornelius- und Overbeck-Porträts(12 und 19) von Ed. v. H e u ß und dem Menzel-Porträt von 1843(ö) von Eduard Magnus   sieht man gute moderne Arbeiten wie B ö ck l i n s unvollendetes Lenbach-Porträt(49) und das Bildnis des Prof. Buscher(23) von Heinrich Nauen  . Von den ernst zu nehmenden Malern, die der Großen Aus- stellung treu geblieben oder nach kurzem Gastspiel bei den Sezessio- nisten wieder zu ihr zurückgekehrt find, ist Franz Skarbina  (280, 1322, 1317) mit ein paar nichtssagenden Bagatellen und Artur Kampf mit einem anspruchsvollen, aber nach allen Richtungen verunglückten Bilde.Der Clown"(127) miserabel vertreten. Richard Friese  , der früher Tüchtiges leistete, trottet seit Jabren bequem niid selbstzufrieden im ausgefahrenen Gleise. Seine Elch- bilder<504 und 1663) sind handwerksmäßig nach der Schablone bingepinselt. Auch die seltsame präraffaelitische Manier, die Friedrich Stahl  (140142, 259, 264) sich zu eigen gemacht bat, dürste nur wenige Freunde finden. Dagegen sandte Alfred Mohrbutter   außer dem etwas langweiligenGrünen Interieur" (1366) ein fein empfundenes GemäldeDer tiefe Ton"(1356), in dem aus dunklen rauchigen Farben ein schöner Frauenkopf matt hervor- leuchtet; Max Uth   eine Dorfftraße im hellen Mitragslicht(352); Theodor Ha gen mehrere(besonders 1450 u. 1452) seiner schlichten und poetischen Landschaftsbilder; Robert Richter fein gezeichnete Kinderakte(1648 und 1652); Hugo Vogel   eine flott gemalte .Junge Dame im Garten"(1323); Max Pietschmann   sein be- kanntes MeisterwerkAdam und Eva"(1318); Karl Bantzer einen farbig und zeichnerisch im großen Stil gehaltenenErnte- arbeiter"(1327), deffen lebensgroße weiße Gestalt, von scknvüler, flimmernder Lust umflossen, sich wirkungsvoll von dem hellblauen Himmel und dem leuchtend gelben Kornfeld abbebt. Der Saal 37», in dem die zuletzt genannten Arbeiten von Vogel, Pietschmann und Bantzer sich finden, kann überhaupt als eine Oase in der Wüste des AuSstellungs- labyrinihs gelten. Er enthält außer zwei in Licht und Linien sehr fein gesehenen Landschaften(1326 und 1328) von Max Clären» b a ch und OSkar FrenzelS korrekt und solide gemalten Ruhenden Kühen"(1317) die beiden großen Gemälde»Der Sommer"(1325) undSpanisches Fest"(1329) des Franzosen Gaston La Touche  , die wie alle Arbeiten dieses eigenartigen Koloristen etwas bizarr und nicht ganz ohne berechnende Effekt- hascherei sind, aber doch einen bemerkenswerten Reichtum an Phantasie und Poesie sowie viel zeichnerische und loloristische Verve aufweisen. Von bekannten ausländischen Künstlern find außer La Touche die Pariser Edmond Aman»Jean und Andrö Dauchez zu nennen. Jener sandte ein etwas kalkiges, aber in der ge- schloffenen Wirkung der Linien und Konturen sehr feines Damen- Porträt(1367), dieser ein einfaches, großzügiges und stimmungsvolles Landschastsbild(389). Von dem verstorbenen großen Amerikaner James Whistler   sehen wir eine wunderbare, in leichten Pinsel- strichen hingehauchte Jnpression.Cremorne Gördens"(143); von seinem Landsmann, dem in England hochgeschätzten Porträtisten John Singer Sargent  , ein paar ebenso virtuos und effekt- voll wie oberflächlich hingestrichene Damenbildniffe(113 und 190); von dem Belgier Jef LeempoelS eine seiner gewiffenhast gearbeiteten, in altmeisterlicher Manier gehaltenen Tafeln(165), bei denen einzelne gut gelungene Details (hier die feine Modellierung des Rückens) für die an sich unerfreuliche braunsaucige und spitzpinselige Mache entschädigen. Zu den auswärtigen Künstlcrvereinigungen, denen man den Raum für Separatausstellungen eingeräumt hat, gehören leider die unvermeidlichen Düsseldorfer. Sie haben von altersher das Recht, in die Berliner   Aufnahme- und Anordnungskommisfion ihre eigenen Vertreter zu senden, und sie dürfen sich in den günstig ge» legenen Sälen 12, 14 und 20 breit machen. Unter der erdrückenden Masse des Minderwertigen und Wertlosen finden sich nur wenige Lichtpunkte. Reben einigen erträglichen Arbeiten von Ernst Hardt  (907. 909) und Gregor v. Bochmann  (905. 910) sind dies vor allem Sie sehr talentvolle Skizze»Aus der Brandstätte"