Bcmse gelaufen, gegessen und schlafen gegangen.... Und um vier Uhr pfeift es schon wieder zum Aufstehen. Dreck. Nässe, Erkältungen, immer wieder Explosionen.... Auf unserer Grube explodierte es zweimal: einmal achtzehn Mann getötet, das andere Mal zweihuudertzweiundachtzig.... Ein Leben wie im Zuchthaus... verschickt man einen Berg- arbeiter nach Sibirien , so findet er es dort hundertmal schöner! Na freilich, das Volk ist abgestumpft und gleich- gültig bis zum äußersten. Nur die Arbeiter in unserer Bude— die gelernten— das war eine intelligente Gesell- schaft... alle organisiert. Wir waren auch im Anfang die einzigen, die das Ding drehten.... Es war keine leichte Sache. An allen Ecken Spitzel. Die geringste Kleinigkeit wurde den? Ingenieur zugetragen: Jwanoff, Petroff, und wer sonst, sind nicht zuverlässig. Und darauf, binnen vier- undzwanzig Stunden, per Schub— hinaus.... Die Agitation war furchtbar schwer.... Aber schließlich haben Wir doch Bewegung in die Bude gebracht." Ter Schlosser lächelte begeistert und stolz. Man konnte sich eine Vorstellung machen, wieviel un- menschliche Mühe ihn diese„Bewegung" gekostet, wieviel Gefahr, Angst und Qual er erlebte, als er den ersten Erfolg sehen konnte. Schewyrjoff sah ihn aufmerksam an. „Alles haben wir erkämpft: eine Arbeitervertretung, das Versammlungsrecht, die Wohnungsfrage geregelt, das Krankenhaus verbessert, den alten Arzt verjagt.... Das war ein Viech.... Eine Bibliothek haben wir eingerichtet und von uns einen hineingebracht." „Sind viele dabei niedergeknallt worden?" warf Sche- wtzrjoff scheinbar gleichgültig ein. „Nein, damals ging es noch.... Soldaten waren da, aber schießen zu lassen, wagte man nicht. Damals hatte man noch Angst....«später, allerdings., (Fortsetzung folgt.)* �Nachdruck vervotea-Z Dochzcxt. Novelle von Samv Pascha fade Sezai, aus dem Türkischen übersetzt von Muhsins Hamm. „Dem Leben Gewährenden sei Tank!... Heut gibts endlich Hochzeit! Das hatte aber auch zu lange gedauert, Schwester... Ein ganzes Jahr, jawohl, ein ganzes Jahr hat die Verlobung ge- dauert, unser Bechdschet Bey ist recht geduldig..." „Wie heißt denn die Frau Schwiegertochter?" „Setare Hanim!" „Ist sie hübsch?" „Ich verstehe nicht? von solcher Schönheit.. Von Teint keine Spur; abfallende Brauen: so lang wie eine Bohnenstange..." „Eh, warum hat er sie denn da so furchtbar gern haben wollen?!" (Mit Daumen und Zeigefinger die Gebärde des Geldzählens machend):„Dies gibt's! Dies!! Wer wird sich denn da um Schön- heit kümmern?!" (Nach der Tür gehend und herauslauschend, leise):„Wie geht's der anderen?" (Ebenso leise):„Schlecht, sehr schlecht..."(Die Stimme er- hebend):„Die Hochzeit ist im vollen Gange! Was kümmerst Du Dich um solche Dinge,.. sorge Dich doch nicht um anderer Leute Leid!" „O nicht doch! Es tut mir nur leid, wenn sich die einen um einen Mann krank grämen und die anderen, um eben diesen Kerl zu bekommen, Geld geben..." Diese Unterhaltung wurde von zwei dürren Zlushilfsfrauen geführt, die sich mit den weichseidenen Schnupftüchern(die jedoch die mageren Hälse nur zur Hälfte bedeckten), den winzigen HotoS (Art Häubchen aus Gaze oder Tüll) mit der lila Hyazinthe, den langen blauen Jacken und den rosa Kleidern zum Verwechseln ähnlich sahen. Jetzt trennten sie sich, um die allmählich er- scheinenden Hochzeitsgäste zu empfangen. Das große, alte, hinter dem Sultan-Achmed-Platz gelegene Haus hatte heute morgen all seine Fenster der Frühlingssonne, all seine Türen der Liebe weit geöffnet.... Seit langen Jahren war es jetzt zum erstenmal renoviert worden und hatte einen roten Anstrich erhalten, auch waren die Wände aller Zimmer neu bemalt; trotzdem machte es den Eindruck einer alten, geschminkten Kokette, der es auch nicht gelingt, all die Falten, Furchen, die eingesunkenen Stellen zu verbergen. Wie das geheimnisvolle Lächeln einer Greisin lag es über dem alten Gebäude. Sollten doch die sonst nur von den Röcken der Sklavinnen gestreiften Matten der weiten Korridore widerhallen von eiligen Schritten, die hohen Wände, die sonst nur das Seufzen des Windes vernahmen, das Echo fröhlichen Lachens und Ge- Piauders zurückgeben..., beschirmte es doch mit seinen Fittichen da? trauliche Zimmer mit der Aussicht nach dem Garten, das auf das junge Paar wartete! Nach einer halben Stunde würden die lang verschlossenen Türen der Zimmer von weißen, liebreizenden Händchen geöffnet werden... junge, süße Gesichter, schneeige Schultern würden sich in die überall befindlichen weichen Kissen schmiegen..., die verblichenen Sessel würden sich unter den Wogen bunter Atlasschleppen verbergen.... Sogar die bedenkliche Neigung des Daches, sich mit den Nachbar- dächern zu berühren, machte nur einen erwartungsvollen, freund- lichen Eindruck. Und gar der Nachtwächter des Viertels, der Kurde Hasso, dessen Hände und Füße sonst nur von einem ungeheuerlichen Vernichtungstrieb beseelt waren, saß ruhig, ein rotes Tuch um den Fez gewunden, mit neuen weiten Beinkleidern und neuer kurzer Jacke bekleidet, vor der Haustür auf einem kleinen Stühlchen und besah sich mit schmunzelndem Grinsen die den Hochzeitswagen Entsteigenden. Erst als die ersten seiräsctii(von seir= Schau, Schaustellung, seirdschi= Schaulustige) sich zeigten, konnte er sich nicht enthalten, von dem Geheul einiger Straßenhunde, die er in seiner Herzensfreude übersehen und mit seinen fabelhafte Dimen- sioncn aufweisenden Füßen beinahe zertreten hätte, nach der barem» dairessi(Frauenteil der türkischen Häuser) zu eilen, um den dort herrschenden Trubel noch um ein Beträchtliches zu erhöhen. Fünf Minuten nachdem die Auffahrt der Wagen im Hofe beendet war, begab sich das junge geschmückte Paar durch das Spalier der Hoch- zeitsgäste hindurch nach seinem Salon, begleitet von Hunderten „mäscba allah... kirk dir rnäscha allah..."(—„Gott behüte! bierzigmal Gott behüte!" Redensart, die vor dem bösen Blick be- schützen soll.) Die verschleiere Gestalt an seiner Seite mehr ziehend als führend, stieg der junge schöne Mann schnell die Treppe empor. Alles, was den Frauen am Manne am meisten gefällt, war in ihm bereinigt: hoher Wuchs, breite, kräftige Schultern, der schön ge- pflegte, nach oben gewichste Schnurrbart, der für die fünfund- zwanzig Jahre seines Besitzers beinahe zu stark war. Nachdenk- lichcr, als es sich für einen glücklichen Bräutigam geziemt, sah er bor sich hin, nur dann und wann erhob er das Haupt und blickte über die große Versammlung von Damen. Dabei strahlten seine schwarzen Augen ein wildes, haßerfülltes Feuer aus, werbend und verachtend zu gleicher Zeit. Glaubt mir, auch die Liebe eines solchen Mannes ist Haß.., Die Machart der Toilette der langaufgeschosscnen jungen Frau an seinem Arm war zwar nicht besonders vorteilhaft, doch war die Toilette selbst ein Meisterwerk türkischer Handarbeit: Der dunkel- lila schwere Atlas war übersät mit wundervoller Goldstickerei; die von der Taille beginnende lange Schleppe war streifenweise mit Goldfäden durchzogen, wie die Strahlen der aufgehenden Herbst- sonne... Das Hochzeitsgewand ist es, worauf sich unsere jungen Mädchen am meisten freuen, und die schwarzen Augen sowie das Gebaren der jungen Frau sprachen deutlich genug ihre Zufriedenheit aus; der Beifall der Menge erfüllte sie mit Genugtuung und fester schmiegte sie sich in den Arm ihres Gatten. Der lange rote Schleier, der ihr Gesicht verhüllte, stand ihr leider nicht gut, doch war das Lächeln des kleinen, feinen Mundes bezaubernd, besonders wenn, es die beiden Reihen schneeweißer Zähne sehen ließ. Zwei Damen mittleren Alters, die in der hintersten Ecke des langen Korridors nebeneinander auf einem Diwan auf den Fuß- spitzen standen, erregten durch den Ausdruck höchster Glückseligkeit auf ihren Gesichtern die allgemeine Aufmerksamkeit. Auf beider stark gelichteten Scheiteln thronte je ein kleiner Hotos, der ring?- herum mit diamantenbesetzten Nadeln besteckt war; von ihren Ohren hingen mehrere Zentimeter lange Ohrgehänge. Diese beiden waren der jungen Frau und des jungen Ehe- manncs Mütter. Wie alle unsere Mamas hoffnungsvoller Söhne hatte auch diese das gewisse jenen eigene Etwas an sich, eine Atmosphäre von Hochmut und Unnahbarkeit umgab sie, während die Mutter der Braut nur in liebevoller Zärtlichkeit erstrahlte für beide zugleich: die Tochter und deren Gatten. Dieser konnte sich nur mit der größten Schwierigkeit nach dem Sclamlik retten, nachdem er seine Frau zum Hochzeitskanapee geleitet hatte.(Das Hochzeitskanapce ~ gelin köschessi, wird extra zu diesem Zweck gefertigt, es ist zweisitzig.) Die seelische Erregung sowie das Bewußtsein, daß im Laufe des Tages viele Hundert Augen sie einer strengen Prüfung unter- ziehen würden, hatte Setare Hanim in einen leicht erklärlichen Zustand fieberhafter Nervosität versetzt. Das Lächeln war mit der Farbe ihrer Wangen zugleich entflogen, sie sah aus, als ob sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen wollte. Je weiter der Zeiger der Uhr vorrückte, um so heftiger ward ihr Herzklopfen, «Ist die Braut schön?" „Haha, was hat die mit Schönheit zu tun! Sehen Sie denn nicht, wie dunkel ihr Teint ist?! Und welch abfallende Brauen sie hat! Nur ihre Augen gefallen mir." „Nein, wie ihre Augen den Ihrigen ähneln!" (Von einer anderen Seite):.Die Braut ist nicht hübsch, aber ihre Toilette finde ich entzückend. Wie prachtvoll sieht die Gold- stickerei auf dem lila Atlas aus!" „Allerdings, eine schönere Hochzeitstoilette kann ich mir nicht denken. Aber wie hat sie sich geschnürt, um eine dünne Taille zu bekommen!— Sie kann ja kaum atmen.,
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26 (8.6.1909) 108
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