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Am Büfett machte der Wirt dem Friz wieder Vorhaltungen, doch der Kellner blieb stumm und servierte dem Gaste den Likör. Dabei zitterte seine sonst so sichere Hand so start, daß das Spitgläschen umtippte, vom Teller fiel und seinen Inhalt dem Gaste über die Kleidung goß.
Mit einem unangenehmen Lächeln, das seine weitstehenden| Nacht erwachte ich und sah niitten im dunklen Zimmer die Er Bähne sehen ließ, meinte der Gast: scheinung, genau der bildlichen Darstellung entsprechend, in greif „ Lassen Se das gefälligst!... Und bringen Se mir'n barster Wirklichkeit. Ich gruselte. Aber mein Grufeln tam wohl Allasch!" mehr von der nächtlichen Dunkelheit; ich war im Dunkeln immer sehr ängstlich. Die Erscheinung au sich beängstigte mich nicht, weil es mir nichts Fremdes war." Ueber den Zusammenhang von Moral und Gott bei den Kindern unterrichten folgende kleine Episoden. Ich mußte einmal in einem Laden ein größeres Geldstück wechseln und erhielt etwa zehn Groschen zuviel heraus. Die habe ich behalten, ging zur Kirche und warf zwei Groschen in den Opferkasten, um die stillen Selbstvorwürfe wegen des Diebstahls zu betäuben. Ich meinte, damit könne der liebe Gott zufrieden sein."-Auf den Tag der ersten Kommunion war ich sehr gespannt. Denn sowohl der Pfarrer wie meine Mutter hatten mir gesagt, daß es der schönste Tag des Lebens sei. Als nun nichts Großes und Wunderbares geschah, wurde ich mehr und mehr ärgerlich. Schließlich wurde mein Groll so start, daß ich meiner Mutter ein Geldstück entwendete und an einem Apfelbaum die daran ansezenden Früchte herunterschlug. Da hätten die Mutter und der liebe Gott ihr Teil!"
" Tölpel!" schimpfte der." Könn' Sie nicht besser aufpassen, Sie. Er wollte wohl noch ein Schimpfwvort hinzusehen. Aber da hatte er schon einen so fürchterlichen Faustschlag im Geficht, daß er zurückflog. Und dann warf sich der Kellner mit heiserem Geschrei, unzusammenhängende Worte und Schimpfreden herausbrüllend, über ihn her und bearbeitete den zu Boden Gerissenen, der sich nur schwach wehrte, mit Fäusten und Füßen. Der Wirt sprang vor. Zwei Gäste, die eben eintraten, halfen ihm, den Rasenden von seinem Opfer fortzureißen und festzuhalten... Aber merkwürdig, kaum war der so arg Mißhandelte, dessen Kragen und Oberhemd voller Blutflecken war, wieder auf den Füßen, so nahm er seine Sachen, murmelte etwas in sich hinein und beeilte sich, das Lokal zu verlassen. Als er an der Tür der herbeigeeilten Wirtin die Beche bezahlte, blickte er immer wieder ängstlich nach dem Kellner zurück, den die drei anderen kaum zu halten vermochten.
Wie er fort war und sie den Kellner endlich losließen, ballte der Frit, noch immer rasend, die Faust hinter dem Gaste her: " Durch den is meine Schwester vor die Hunde gegangen!"
Die religiöfen Vorftellungen
des Kindes.
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Unter den mitgeteilten Proben aus Dichtern und Schriftstellern interessieren besonders Aeußerungen von Gottfried Keller , Goethe, Hebbel und der Ebner- Eichenbach.
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eine frankhafte Versuchung,
Gottfried Keller hat im Grünen Heinrich höchst merk. würdige Kindergefühle und gedanken beschrieben. Zuerst glaubte er, daß der liebe Gott die goldene Wetterfahne auf dem Dache der Kirche sei. Als ich aber einst ein Bilderbuch bekam, in dem ein prächtig gefärbter Tiger ansehnlich dasigend abgebildet war, ging meine Vorstellung von Gott allmählich auf diesen über, ohne daß ich jedoch, so wenig wie von dem Hahne, je eine Meinung darüber äußerte." Erft aus dem Vater- Unser- Gebet lernt der grüne Heinrich, daß Gott wohl ein Wesen sein müsse, mit dem sich allenfalls ein vernünftiges Wort sprechen ließe, eher als mit jenen Tiergestalten". Er beginnt ihn nun mit den unmöglichsten Bitten zu quälen, daß z. B. der Vorgesezte für einen Tintenfleg im Heft mit Blindheit geschlagen werde, daß die Sonne still stehe, wenn ich mich des Abends zu berspäten drohe" usw. usw. Je älter er wird, Die Debatten über die Frage, ob überhaupt eine religiöse Unter- desto geringer wird natürlich sein Butrauen zu Gott . Schließweisung in die Schule gehöre, und wenn ja, wie diese dann zu ge- lich fühlt er in fich öfter stalten sei, nehmen einen großen Teil innerhalb des pädagogischen Gott derbe Spottnamen und selbst Schimpfworte anzuhängen, wie Gesamtstreites, der augenblicklich tobt, ein. Mehr als die unzähligen er sie auf der Straße hörte. Besonders vor dem Einschlafen pflegte auf reine Theorie hin ausgearbeiteten Vorschläge der Fach- und Nicht- ihn dieser Zustand zu quälen. Unmittelbar daran schloß sich eine fachmänner dürfte eine experimentelle Untersuchung über den Zu Versicherung, daß es nicht gelten solle", und daran eine Bitte um fammenhang zwischen Kinderseele und religiösen Vorstellungen Licht Verzeihung . Sehr schön bemerkt Keller hierzu, daß es sich dabei in diesen Streit bringen. Die ersten Anfänge zu einer solchen wahrscheinlich um ein nur halb bewußtes Experimentieren egatten Untersuchung bietet ein Büchlein, das in der Sammlung des findlichen Geistes mit der Idee der Allgegenwart " Führer ins Leben" erschienen ist und sich„ Kind und Gottes Gottes handelte. idee" betitelt. Leider ist der wertvolle Kern des Büchleins durch selbe Schriftsteller sehr herb:„ Wenn man diese vierfchrötigen nackten Ueber den Katechismusunterricht urteilt derdie unklar vorgetragenen und auch inhaltlich nicht ausgereiften Gebote neben den überfinnlichen und unfaßlichen Glaubensjäzen eigenen Ansichten des Verfassers( Karl Röttger ) übersah, fühlte man den Hauch eines rohen, starren Barbarentums." deckt. Wir übergehen diese und teilen das rein Tatsächliche feiner Untersuchungen mit. Dies besteht zum Teil aus religiöjen Schilderung nach durch ein furchtbares Gewitter. Von da an ber Hebbel erhielt den ersten wirklich religiösen Eindruck seiner Kindheitserinnerungen einzelner von ihm um Auskunft ersuchter Er- wandelte sich das eingelernte Geplapper meiner Lippen plötzlich in wachsenen, zum Teil aus literarischen Denkmälern bekannter Dichter ein wirkliches und ängstliches Gebet, und damit war die geistige und Schriftsteller, zum Teil endlich aus stenographisch aufgezeichneten Nabelschnur, die mich bis dahin ausschließlich an die Eltern gebunden Unterredungen mit Kindern. Vater und Mutter zu beklagen anfing, wenn ich ein Unrecht von hatte, zerrissen, ja, es tam bald soweit, daß ich mich bei Gott über ihnen erfahren zu haben glaubte." ihnen erfahren zu haben glaubte."
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Von den Erinnerungen Erwachsener legen besonders folgende zwei Episoden Zeugnis von der seelischen Verwirrung ab, in die ein Kind durch systematische religiöse" Beeinflussung geraten kann. Ich hatte Gott oft gebeten, zu mir zu reden, und wollte ihn Gottes durch das Erdbeben von Lissabon ( 1755), das 60 000 Menschen Goethe betam seine ersten findlichen Zweifel an der Güte unzählige Male zwingen. Ich war schon immer etwas turzsichtig, das half mir viel. Besonders abends in der Kirche. Da ließ ich die plöblich vernichtete. Aber die Zweifel schwanden mit einiger näheren Kenntnis der Natur. Gott verlor jezt das Persönliche, Menschliche. Dafür Kronleuchterkerzen als Sterne um mich kreisen. Die beiden Lichter wurde er erhabener, aber auch lebendiger.„ Eine Gestalt konnte der Knabe auf der Kanzel waren Gottes Augen da floß seine Stimme aus dem dunklen Mund der Höhle. Da konnte ein Luftzug im diesem Wesen nicht verleihen; er suchte ihn also in seinen Werken auf und wollte ihm auf gut alttestamentliche Weise einen Altar Nacken mich erschauern machen. Es war Gottes Hand, die auf mir gelegen. Damals war das Radfahren noch nicht über diesen sollte eine Flamme brennen und das zu seinem Schöpfer errichten. Naturprodukte sollten die Welt im Gleichnis vorstellen, so allgemein wie heute, und es tamen die ersten Azetylen- fich aufsehnende Gemüt des Menschen bedeuten. Aus der vorhandenen laternen auf. Ich ging einst in sinkender Dunkelheit die Chauffee Naturaliensammlung wurden die besten Exemplare herausgesucht." entlang. Abendschauer um mich." D, ich weiß, daß Du bei mir Ein Musikpult diente ale Altar. Ein Sonnenaufgang wurde ab bist, überall, aber gib mir doch ein Zeichen." Da geht hinten am Horizont ein Stern auf, hell wie noch keiner. Schreck und herz: Duft. Und alles gelang nach Wunsch, und die Andacht war vollgewartet. Glimmende Räucherkerzen verbreiteten einen angenehmen stockende Erwartung. Er wird größer und flammt heller und rollt fommen". Freilich hatten die Kerzen wie Goethe nachher fingend auf mich zu. Wenn er mich in glühender Umarmung bermerkte- atvei große Löcher in das schöne Bult gebrannt. Hier nichtete! Ich stand atemlos mit fiegreich leuchtenden Augen und er- durch war dem jungen Priester der Mut zu neuen Opfern vergangen, wartete ihn. Schwirren von Schwingen der Engel der Sendung und fast möchte man diesen Zufall als eine Andeutung und Warnung Es war ein Radfahrer." Und das andere Mal liegt dasselbe Kind betrachten, wie gefährlich es überhaupt sei, fich Gott auf dergleichen ( von 11-12 Jahren) stundenlang auf dem warmen, dunklen Heu- Wegen nähern zu wollen." boden und versucht mit aller Gewalt aus einem dünnen durch die Ziegel hereinfallenden Lichtstrahl den Teufel herauszusehen. Ich flüsterte Beschwörungen halb erstickt vor mich hin, murmelnde Worte und Namenanhäufungen aber weder Gott noch Teufel erschienen. Da war ich dann eine ganze Zeit Atheist." Wie der Wirklichkeitssinn eines Kindes systematisch untergraben werden kann, zeigt das Bekenntnis eines katholisch Erzogenen. Er schreibt: Ich stieß mich endlich überhaupt nicht mehr an dem Unterschied zwischen materieller und geistiger Existenz. Ich sah ja alles genau. Und darum interessierte es mich eigentlich gar nicht mehr; nie habe ich mit innerer Spannung oder Wärme das angeschaut. Es war damals viel die Rede von einer Madonnenerscheinung, die Aus dem dritten Teil des Materials, Unterredungen und Tagebesonders die Kinder gesehen haben sollten. Das stachelte meinen bücher von Kindern, mögen folgende charakteristischen Aeußerungen Ehrgeiz, und ich zwang die Vorstellung herbei. In der nächsten mitgeteilt werden.
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Marie von Ebner- Eschenbach wurde streng katholisch erzogen. Man hatte ihr die erste Beichte als das Größte geschildert, was es gäbe. Sie empfand es auch so allerdings derart über spannt und frankhaft, daß fie sofort danach beschloß, durch einen Sprung aus dem Fenster ihrem Leben ein Ende zu machen. So groß war ihre Angst, wieder in" Sünde" zu verfallen. Glücklicherweise ging der Sprung fehl, und die spätere Dichterin ward, vom Fensterkreuz abgeprallt und rücklings zu Boden stürzend, vor diesem grausamen Gotte gerettet.