Kasten hinüberzugehen, um zn erkennen, was damals bereits auf dem Gebiete in England an Weichheit und Tiefs eines grohen ge- stochenen Blattes geleistet wurde. Das berlinische Theater als ernstes Kulturmittel, zu dessen Betrachtung die etwas dürftige Sammlung von Porträts, einigen Theaterzetteln und wenigen Kostiimbildern(in Raum 26) schließlich noch Anlaß gibt, verdankt, wie die anderen Errungenschaften in Kunst und Bildung, ihre Förderung vorwiegend dem innerlich sreigewordenen Bürgertum. Friedrich Wilhelm I.   pflegte das Schaubedürfnis durch Protektion des Possenreißers Karl v. Eckenbsrg, des sogenanntenstarken Mannes", Friedrich II.   durch die der französischen   Komödie. Das deutsche   Schauspiel verfiel sofort mit dem Moment, da seine Leining den Händen der Fachmänner durch Hofbcamte entwunden wurde. Die Sucht, alles von obcnher wahllos zu bevormunden, ist in Preußen immer mehr von einem rohen Machttriebe bestimmt worden als von tieferer Einficht, geschweige denn von überlegenem Weitblick. Denn sonst hätte man erkennen müssen, daß das politisch unmündige und doch gar so anspruchslose Bürgertum in seiner fast fanatischen Be- fchäftigung mit dem Theaterwesen in den Jahrzehnten vor imd nach 1860 eine günstige Ableitung seiner Streberci nach öffentlicher Dis- kussion und Anteilnahme fand. Die Zeitungen bis 1848 dursten außer Hofnachrichten und solchen der äußeren Polittk nur die Theater- und Kunstnachrichten bringen. Das war der einzige Bissen, den man dem bürgerlichen Bildungshunger hinwarf. Tie Anfänge des Komödienwesens liegen, wie überall, so natürlich auch in Berlin   in tiefer Not und Verachtung, und sein Aufstteg war der steinige Dornenweg von zur Menschlichkeit hinstrcbenden heimatlosen Pro- letariern. Dem deutschen Schauspiel jedenfalls erging es so. Noch fast die ganze erste Hälfte des 13. Jahrhunderts bestand es in nichts anderem, als in rohen Possenreißereien, extemporierten Stücken sowie den sogenannten Haupt- und Staatsaktionen, die auf dem Rathause und in verschiedenen Marktbuden zu sehen waren. Eckenberg sowie Peter Hilverding wetteiferten darin unt die Gunst des Publikums, bis der starke Mann obsiegte. Friedrich II.   eröffnete mit seinen'. Regierungs- antritt(1740) ein französisches Theater, das bis zum Aus- bruch des siebenjährigen Krieges(1756) wöchentlich einmal in einem Saale des Schlosses spielte. Von da bis zum Jahre 1773, wo das neue, 1200 Plätze fassende Komödienhaus auf dem Gendarmenmarkt durch Joh. Boumann erbaut wurde, hielt private Unternehmung das französische   Theater. So 1768 Berger kaum ein Jahr lang ein Haus bei Monbijou. 1760 begann Fierville in der Behrenstraße eine Bühne, der nach mehrmaligen Direktorenwechsel Joach. Erdmann v. Arnim, des Dichters Vater vorstand, der auch das 1776 neu- eröffnete Haus auf dem Gendarmenmarkt leitete. Das deutsche  Theater, um dessen Veredelung sich in Leipzig   der Professer Gottsched  und die Schauspielerin Neuber die ersten unschätzbaren Verdienste erworben hatten, kam zum ersten Male 1742 mtt der Schöne- mannschen Truppe und dem berühmten Ekhof in ihr nach Berlin  , leider nicht für lange. Der Wiener Franz Schuck) d. Aelt. triumphierte in seiner Bude des Gendarinenmarkt wieder weit glänzender mit den altbeliebten Hanswurstiadcn und machte auch den zweiten Vorstoß der ernsten Bühne, den 1775 die Ackermann sche Gesellschaft unternahm, finanziell zunichte. Die guten Geschäfte ermöglichten jedenfalls nach dem Tode des Vaters(1764) Franz Schuch den Sohn, die erste feste Privatbühne auf dem Hofe des Grundstückes Behrenstraße 55/56, wo jetzt das Metropol-Theater steht, zu errichten. Sie hatte außer einigen Parterrelogen zwei Ranglogen übereinander und faßte etwa 700800 Personen. Aerm- lich und eng wie sie war. sollte sie dennoch zu großen Taten be- rufen sein, mit dem Augenblick, wo Karl Theophilus Döbbelin  , zunächst 1766/68 vorübergehend auf ihr auftrat. Mit ihm beginnt das ausgelegte Material des Museums. Er, der im Leipziger  Theater der Neuberin   unter Ekhof. Schönemann und Koch gestanden hatte, vollendete in Berlin   seine Mission, indem er endgültig den Hanswurst verjagte. Er wagte eS als erster, Jamben auf der Bühne zu deklamieren. Dennoch wurde sein hohes Streben, das durch die stetige Konkurrenz der französischen   Komödie bedroht war, im letzten Augenblicke nur durch die Aufführung von LessingsMinna von Barnhelm".(1763) gerettet. Das Drama fand einen un- erwarteten Erfolg mit 19 Aufführungen. Schucks Nachfolger in der Konzession wurde zunächst Döbbelins Kamerad Heinr. Gottfr. Koch, der von 1771 1775 unter anderen die dankenswerten Erst- ausfühnmgen derEmilia Galotti  " von Lessing   sowie desGötz" und desClavigo  " von Goethe herausbrachte. Erst nach seinem Tode übernahm Döbbelin  , der sich auch kurze Zeit mit dem Bergerschcn Hause bei Monbijou beholfen hatte, die Direktion. Aber obwohl er für seine Gesellschaft ein Privileg fiir ganz Preußen erhielt, hatte er doch stets einen schweren Stand gegen die königlich unterstützte französische Komödie, die nunmehr ihr neues Haus bezog und aller- dings schon 1773 ihr Ende fand. Während dieser 11 Jahre erwuchs die' sorgfältigste Pflege des Schauspiels deutscher Sprache durch Döbbelin   in dem ärmlichen Thealer. Er spielte im ersten Jahre GoethesErwin und Elvire", 1776 dessenStella" undJulius von Tarent" von Lcisewitz", 1777Hamlet  " in der Scbrödcrschen Bearbeitung mit Brockmann(unter dein TitelDie Mausfalle" ist die Szene des Schauspiels auf einem bekannten, schönen Chodowieckischen Blatte festgehalten, das hier leider fehlt), 1778 Macbeth  " und mit dein großen Hamburger Fr. C. SchröderLear", 1783Die Räuber" undNathan der Weise  ". Im selben Jahre erhielt die Gesellschaft den wertvollen Zuwachs in Fleck, der bis zu seinem Tode 1801 in Berlin   wirkte. Außer dem ausgestellten Theaterzettel der Dobbelmschen Bühne von 1781 mögen einige Zahlen die soziale Seite beleuchten. Während Schönemann, aller- dings nur für Gagen, pro Woche nur 16 Taler 8 Groschen brauchte Ekhof bekam 1 Taler 16 Groschen, also täglich weniger als die 6 Groschen, welche als Tagelohir Zettelträger und Zimmermann be- zogen, hatte Döbbelin   1734 in der Woche, jedoch für Gagen, Miete, Musik, technisches Personal usw., 340 Taler, 1730 sogar 663 Taler nötig. Dort betrug die höchste wöchentliche Einzelgage 2 Taler, hier 20 Taler für die Sängerinnen und Fleck bezog immerhin schon 12 Taler. Döbbelin   wirtschaftete durchaus nicht aus vollem Ueberflutz, sondenr um seinen Künstlern ein menschenwürdiges Dasein zu ermög- lichen und, da er gleichzeitig sein Programm nicht zugunsten der Kasse verschlechtern wollte, hatte er stets mit ökonomischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dabei war es eine entschiedene Wohltat für ihn, daß er zwei Jahre nach Friedrichs Tode in das Komodienhaus auf den Gendarmenmarkt, das, seit 1778 von der französischen   Truppe verlassen, als Trödel- bude und Pfropfenfabrik gebraucht'worden war. als Regisseur seiner Gesellschaft einziehen zu dürfen, nachdem sein Theater bereits vorher zum königlichen Nattonaltheater erhoben war. Döbbelin   gab noch 1783 GoethesGeschwister" und SchillersDon Carlos", 1790 die beiden Mozartschen OpernFigaros Hochzeit  " undDon Juan", jedoch 1780 ging das Theater vollständig in königlichen Besitz über, Döbbelin  , dem der Fundus abgekauft war, wurde pensioniert und 1700 Fleck an seiner Stelle Regisseur, während Döbbelins bisherige Berater, richtiger Vorgesetzte, die Schriftsteller I. I. Engel und' R a m l e r in pedantischer Weise die Oberleitung fortführten. Die Abhängigkeit vom Hofe bedingte den Niedergang. Selbst unter I f f l a n d, der 1796 zum ersten Male in Berlin   auftrat und von demselben Jahre ab bis zu seinem Tode 1814 das Schauspielhaus*) leitete, bereitete sich, trotz scheinbaren künstlerischen Glanzes, der Verfall vor. Denn nach ihm haben nur noch Hofleute und ehemalige Offiziere den Posten bekleidet, und die Grafen Brühl und Redern haben wie ihre Nachfolger bis auf unsere Tage der künstlerischen Leitung einer Bühne durch bureankrattsche Maßnahmen und militärischen Drill zu genügen gesucht. Jffland hat selbst als Schauspieler, während sich die berlinische Darstcllungskunst nach dem Vorbilde des großen Schröder in Wahr- haftigkeit und Natürlichkeit zu vollenden suchte, dem später sogenannten Virtüoscntum die Wege geebnet, das in Döring und D e s s o i r heraufkam, er hat, nach seinen: eigenen Ausdruck, dieKomödienkunst" vor derMenschendarstellung" bevorzugt, wie jene Besch ort und die Bethmann-Unzelmann pflegten. Dazu rang sich der von Goethe   geschaffene Weimarer   Stil mit dessen Schüler P. A. W o l f f, seiner Frau Amalie und Aug» st e Crelinger durch, der in antikisierender Absicht ganz auf die plastische Pose und den tönenden Wohlklang der Rede gestellt war und ein schlimmes Geschlecht von hohlen Kulissenhelden zeugen sollte. Erst im Jahre 1324 durfte sich gegen das königliche Bühnenmonopol wieder eine Privatbühne erheben, das von dem Pferdehändler Friedrich Cers errichtete König st ädter Theater am Alexanderplatz.  **) Sein Repertoire war durch das der königlichen Theater beschränkt und enthielt daher nur Volksstücke mit Musik, zunächst Wiener, später die von dem Schauspieler Angely berlinisierten französischen  Singspiele. Die Sängerin Henriette So n tag wurde hier mit frenetischem Jubel gefeiert, wie man ihn sonst vielleicht nur dem Geigenvirtuosen Paganini   entgegengebracht hat(ver- gleiche das bunte Blatt in 22: Wie die Berliner 2 Thaler mit Gewalt loswerden). Als ständiger Liebling der Bühne glänzte der Komiker Friedrich Beck niann in der historisch ge» wordenen Rolle des Eckenstehers Nante Strumpf(vergl. außer Porträt und Kostümbild noch die Eisenstatuette in 19), wie denn über» Haupt die Berliner   Lokalposse hier ihre Blüte erlebte. Das König» städtische, das 1851 seine Pforten schließen mußte, feierte eins Wiederauferftehnng 1855 in der modernen Possenbühne des Wallner-TheaterS, bis dann nach Aufhebung der Gewerbe- ordnung(1869) und in den Gründerjahren ein wildes Anwachsen neuer Bühnenhäuser in Berlin   begann, dessen Vorzüge und Mängel zu beurteilen nicht mehr eine historische Frage ist. A. F. C. Vom dcutfcbcn Lotfcnwefen entwirft Paul Schreckhaase   in einem Aufsatz, der inNeber Land' und Meer" veröffentlicht wird, ein interessantes Bild. Während die Lotsen früher ihr Gewerbe mit staatlicher oder städtischer Er- laubnis selbständig und mit eigenen Schiffen betrieben, wurden sie seit dem achtzehnten Jahrhundert zuerst von den Hansestädten, später von Preußen und den anderen deutschen Küstenstaaten or- ganisiert und sind heute Staatsbeamte; die Regierungen unter» *) So hieß das neue am 1. Januar 1802 eröffnete Haus, das von Langhans an Stelle des Boumannschen erbaut wurde. Es brannte 1817 ab und wurde 1319 21 von Schinkel in der Form neu erichtet, in der es heute noch die zweifelhaften inneren Ver- schöneruugen der letzten Jahre abgerechnet zu sehen ist. **) Da? HauS besteht, was wohl die wenigsten wissen, heute noch als Aschiugersches Restaurant und ist in seiner Fassade voll- ständig unverändert. In den Märztagen wurde von hier aus auf das Militär gefeuert, woraufhin der Direktion die bisherige lönig» liche Subvention entzogen wurde.