führen, den Plan, den er mit so diel Haß und Liebe gehegthatte. Er erinnerte sich eines hübschen Offiziers, der denDegen aus der Scheide riß und fast auf ihn eingehauen hätte,erinnerte sich eines soliden, älteren Herrn, der seinen Spazier-stock vorstreckte, um ihn zum Halten zu nötigen, erinnerte sichan verschiedenes anderes und zitti>rte am ganzen Körper vorWut und Verachtung. Für ihn gab es keinen Ausweg mehr.Er war sich bewußt, daß er am Ende war, während dieseLeute in aller Ruhe leben und warten durften, bis in denZeitungen die Notiz über seinen langsamen Tod erscheinenwürde.Die Zeit verging, und allmählich ließ das krampfhafteSchlagen seines Herzens nach, die Brust hörte auf zu röcheln,und die verzerrten Hände lösten sich in dumpfer Erschlaffungvon selber. Als wäre etwas, das er bis zum Aeußerstenüberspannt hatte, plötzlich gerissen, so wurden seine Gedankenund Empfindungen mit einemmal lose wie geplatzte Saiten.Er wurde plötzlich ruhig, mit jener schweren, toten Ruhe, dieüber einen Menschen kommt, dem die Schlinge schon um denHals gelegt ist und den keine Gewalt mehr, nicht göttlichenoch menschliche, zu retten imstande ist. Völlige Gleichgültig-keit hatte ihn überkommen, und wenn seine Verfolger indiesem Augenblick jubelnd herbeigestürzt wären, so würde erwahrscheinlich nicht mehr Widerstand geleistet haben.Sein Körper wurde schwach. Weißer Nebel stieg umihn auf, umhüllte ihn wie ein Leichentuch, trennte ihn vonder übrigen Welt. Leises Geläute klang in seinen Ohren, erhatte nur noch einen Wunsch: die Augen zu schließen und bisüber den Kopf in der Finsternis, Stille, Regungslosigkeit zuversinken.„Ich darf nicht schlafen!" sag�e er sich, aber der schwereNebel schob sich unüberwindlich an sein Gehirn heran, allesschwand aus seinem Bewußtsein, und mitunter schlief erminutenlang mit offenen Augen.Hin und wieder fuhr er empor, erinnerte sich an alles,zitterte, sah sich scharf um und versank dann wieder indumpfes Druseln, während er fühlte, wie die Feuchtigkeit desnassen Tons seinen Körper kalt durchrieselte.(Fortsetzung folgt.)Das Slcnd und der Hufrubrin Schlclien.Von Wilhelm Wolfs.cSckilutz.)Die Kunde von dem Aufstände der Weber verbreitete sich mitBlitzesschnelle in der Provinz. Zwar den hiesigen Zeitungen wurdesogar eine ganz kurze Notiz vom Zensor gestrichen, und späternach langen Konferenzen einiger Mitglieder der Regierung einkleiner offizieller Artikel eingerückt. Desto geschäftiger war dieFama. Die übertriebensten Gerüchte fanden gläubige Aufnahme.Was über Organisation, Zahl und Bewaffnung gefabelt ward, isterstaunlich. Um so begieriger griff jeder nach den Zeitungen. Sieaber sprachen über alles, nur über das nicht, was alle Gemüterin Bewegung setzte. Und doch war die Teilnahme für den Weberin den arbeitenden Volksklassen allgemein, unter den höherenKlassen nicht unbedeutend, hier jedoch von feiten der Reichen undKapitalisten weit überwogen durch Opposition, Haß und— Furcht.Nach Versicherungen glaubhafter Leute war das ganze Gebirgebereit,„wenn nur erst die. Weber kämen", sich ihnen anzuschließen.Ich selbst hörte gerade an den Tagen vom 7. Juni ab auf einerkleinen Reise überall die entschiedenste Sprache auf Dörfern undin der Stadt, daß die Weber recht hätten und daß es nur alleso machen sollten, dann würde es schon ganz anders werden. GegenDie reichen Fabrikanten, gegen den Adel und die Gutsbesitzer, gegenDie Reichen und Vornehmen überhaupt, hörte ich die drohendstenAeußerungen. Bald hieß es: tOOOO Weber ziehen nach Freiburgzum Kramsta, bald: sie hätten ihren Weg nach Wüstegiersdorf undweiterhin genommen. An beiden letztgenannten Orten war bereitsMilitär zum Schutze aufgestellt. Sonntags, den 9., erzählte mirein Bauer aus Jauernik: er sei wie die anderen im Dorfe undim ganzen Kreise beordert, morgen zu Pferde und mit Strickenversehen auf die geflüchteten Weber Jagd zu machen.„Und wennich öber an Waber foalle", setzte er hinzu,„ich war gewieß kennsahn"!(Und wenn ich über einen Weber falle, ich werde gewißkeinen sehen!) Damit nicht Zuzug und Hilfe von der Grafschaftund über die Eule her erfolge, hatte man schleunige Maßregelnder Bewachung ergriffen. Auf der Station Königszelt wurde,wie man mir erzählte, ein KommiS, der sich heftig gegen dieWeber und für die Fabrikanten aussprach, unsanft zur Türehinausgewiesen, und obgleich er ein Fahrbillett nach Breslau ge-löst, erblickte man ihn doch nicht wieder. Ich führe dies bloß alsZeichen der herrschenden Stimmung an.Schon am 6. Juni wurden eine Menge Verhaftungen in Vielauund Peterswaldau vorgenommen und an den folgenden Tagen undNächten fortgesetzt. Ein Teil der Weber hatte sich einstweilen indie Wälder und Berge begeben. Die, welche des Abends etwaheimkehrten, wurden gefesselt und nach Schweidnitz geführt. Hun-dert mögen sich jetzt dort im Gefängnis befinden. Eine Spezial-kommission von dem hiesigen Oberlandesgericht verfügte sich baldnach Schweidnitz. Die Eingezogenen sind der Beschädigung frem-den Eigentums aus Rache angeklagt und dürfen sonach einerschweren Strafe gewiß sein. Doch haber sie den Trost, daß sie imZuchthause sich immer besser befinden, als in der sogenannten Frei.beit. Sie werden wenigstens nicht verhungern, nachdem sie derStaat in seine Obhut genommen. Für die Frauen und Kinderwird doch ebenfalls einige Hilfe beschafft werden und so mögen sieauch von dieser Seite beruhigt sein. Eine Aufforderung resp.Anzeige, daß für die Hinterbliebenen derer, die in Vielau erschossenwurden, eine Sammlung eröffnet sei, hat der hiesige Zensor ge.strichen; so wie er überhaupt alles, selbst in den Artikeln derMinister Rother und Bodelschwingh, mit seinem Rotstift vertilgt,was von Not und Elend unter den Webern bandelt. Daß er nurnach„höheren Instruktionen" verfährt, versteht sich von selbst.Man befürchtet den Einfluß der Presse und meint, schon einigeWorte dürften hinreichen, um das Gebirge in Aufruhr zu bringen.Allein entweder ist die offizielle Versicherung, es sei die Ruheüberall zurückgekehrt, unbegründet und man glaubt wirklich ihrernicht sicher zu sein, trotz aller Soldaten und Bajonette, oder manbenutzt bloß die Gelegenheit, um die in gewissen Regionen längstmit böseni Auge angesehene Presse, der man sogar die Schuld anden Vorfällen beimißt, auf lange Zeit hinaus wiederum mit allden früheren Gewichten zu beschweren. So müssen uns die übrigenBlätter Deutschlands schadlos halten. Nach Schluß der Unter-suchung haben wir jedenfalls in den hiesigen Zeitungen einenlängeren offiziellen Bericht zu erwarten. Wie sollte der uns aberdas öffentliche und mündliche Verfahren vor dem Geschworenen.gericht ersetzen? Ich zweifle keinen Augenblick, daß die Kommissionmit aller Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu Werke gehen wird.Allein beim besten Willen bleiben es eben tote Aktenstücke, was siehinter den Jnquisitionsmauern zusammenschreibt. Die öffentlicheVerhandlung vor allem Volk würde so manche Dinge ans Tages-licht bringen, die jetzt der einsame Jnquisit entweder gar nichtanführt, oder sie in der Sprache der Richter übertragen und inden Akten vergraben sieht. Ich meine keineswegs, daß die Ge.sckworenen etwa ein günstigeres Urteil über die Weber fällenwürden, als unsere Richter. Im Gegenteil. Denn gerade einebestimmte Höhe des Privateigentums macht erst den Geschworenen,und letzterer fühlt sich in jedem Angriff der Besitzlosen gegen dieBesitzenden und Reichen selbst aufs nächste bedroht und Frankreichund England zeigen, was der Proletarier vom Proprietär, diesermag als Lohnherr oder Geschworener auftreten, zu erwarten hat.Der Nutzen bestände nur darin, daß einmal vor den Augen undOhren des Volkes über die Folgen der Ausbeutung des Menschendurch den Menschen verhandelt werden könnte. Die Untersuchungdehnt sich übrigens immer weiter aus. Aus Peterswaldau undVielau haben die dortigen Justitiarien an das hiesige Oberlandes-gericht geschrieben, ob sie nicht ausnahmsweise die große Zahlvon meist Weibern und Kindern, die wegen Entwendung undVerheimlichung verschiedener beim Tumulte aus den Hauserngeworfenen Waren angezeigt worden, auf freiem Fuße vernehmendürften, da ihre Einsperrung leicht neue Ausbrüche herbeiführenkönnte und auch die Gefängnisse gar nicht für die Menge zureichenwürden. Nach eingeholtem Gutachten der hiesigen Regierung istnun dem gedachten Gerichtspersonal von hier aus befohlen worden,mit der Verhaftung ohne Ausnahme vorzuschreiten.ES ist den Webern häufig der Vorwurf geworden, daß sielieber bei ihrem Geschäft elend leben, als zu etwas anderemgreifen wollten. Man hat ihnen zu Eisenbahn- und sonstigenArbeiten geraten. Wer aber die abgemagerten, hektischen undrachitischen Gestalten ins Auge faßt, muß bald davon zurück-kommen. Und ob sie als Weber oder als Tagearbeiter auf Straßen,herrschaftlichem Acker usw. eine kümmerliche Existenz fristen, machtüberhaupt keinen sonderlichen Unterschied. Ein zweier Tadel be-steht darin, daß sie bei ihrer alten Weise, ihren alten Webstühlen,bei dem Verfahren, wie es der Großvater getrieben, stehen bleibenund an keine Verbesserung heranwollen. Seltsamer Vorwurf!Während die Gesellschaft sich um die Weber von deren Geburt annicht weiter kümmert, als daß sie dieselben bis zum 14. Jahrezum Schulbesuch zwingt, so durch Verkürzung der Arbeitszeit denArmen noch ärmer macht und ihm in der Schul« dafür keinenanderen Ersatz gibt, als eine Menge auswendig gelernter Sprüche.Gesänge, Episteln, Evangelien und etwas Schreiben und Rechnen— was man alles zusammen doch wahrhaftig nicht menschlicheBildung nennen wird— verlangt man von ihnen, sich von Vor»urteilen los zu machen, da doch die höheren Klassen mit all ihrerAufklärung und Kultur noch weit hartnäckiger an den ihrigenhängen. Bringt den Webern Bildung bei, und damit sie möglichund zugleich fürs Leben fruchtbar sei, sorgt auch für ihr körper.liches Wohlergehen, und sie werden sich leicht in die Fortschritte desmenschlichen Geistes finden. Andere möchten den Wvber zumKolonisten in Posen und Ostpreußen machen. Aber erzeugt dennnicht unsere Provinz Getreide und Lebensmittel aller Art in solcher