»Unsere Zukunft liegt in der Suft!* Der große Martin sagt eSauf Seite 71 seines„unübertrefflichen Kriegsromans". Das kamaber einfach so: Preußen— wohlgemerkt Preußen, das so schönfür die Schulbildung sorgt, stand 1915 bereits an der Spitze allerLuflschifferstaaten. In Berlin hat es seineu Hafen für aeronautischeFahrzeuge; am Bodensee seine Zentralwerkstätten. Diese Flotte istso gewaltig, daß sie die Sonne verdunkelt. Natürlich ist auchDeutschlands Marine die stärkste der Welt? und neben einer un-geheueren Luftarmee existiert eine noch größere Landtruppe, diegleichfalls luftflottentechnisch ausgebildet ist. Jetzt braucht Preußenkeine Beleidigung John Bulls mehr einzustecken, wie Anno 1908/9,als Grübchen- Biilow Kanzler war, dem der Kaiser einesMorgens den Laufpaß gibt, um sich mal einen anderenReichskanzler zu küren. Preußen- Deutschland an der Spreebraucht aber auch ebenso wenig vor Frankreich oder Rußland zuzittern. Es erklärt also den Franzosen kurzerhand den Krieg. Alsdeffen Verbündete können die Engländer und Russen nicht anders,als ihrerseits Deutschland schreckliche Fehde anzusagen. Der Tanzgeht loS. Oesterreich hält die Jnckitennation in Schach und wirft sienieder. Italien— als dritter Mann im Skat— zieht gegen dieFranzosen vom Leder. Im Handumdrehen hat die deutsche Phantasie-Luftflotte des Herrn Martin Paris, sodann alle französischen Grenz-und Seefestungen in Trümmerhaufen verwandelt. Mit England ist'sschon ein bißchen schwieriger! es hat seine mächtige Ober- undUnterseeflotte. Dafür besitzt es es nur eine belanglose Lustflotte.Preußen schießt die ganze britische Marine zusammen— wohlgemerktimmer von o b e n I London, Portsmouth usw. mit, und nimmtschließlich in Schloß Windsor den dicken„Ede*. der noch gar nichtsdavon gehört hat, daß England besiegt worden ist, gefangen. Sinddoch Mordskerls, diese fixen Preußen I Aber auch kein Wunder.Wilhelm II. als oberster Kriegs� c.-zn Meer, zu Luft und zu Lande, dernach Herrn Martin? hochweiser Sehergabe— Napoleon I. undWilhelm den„Eroberer" in sich vereinigt: sein Aeltester als„Höchst-kommandierender" deS Landheers dit to ein strategisches Genie ohne-gleichen, dazu all die genialischen ChefS der Geueralstäbe: wer wollt'«S dem Herrn Regierungsrat nicht aufs Wort glaube», daß wir 1916die„erste Nation" der Welt sein werden?„Auch die KronprinzessinCäcilie begleitete ihren Gemahl im Motorballon von Berlin aus bisCalais." Na also lSankt Martin war indes kein rechter Heiliger nach dem Herzender famosen ReichSverbändler, wenn er nicht auch ein grimmigGegenspiel ersonnen hätte. Da der Krieg— laut seiner ziffermäßigenAufstellung—„dem Deutschen Reiche monatlich 700 Millionen Markkostete", war am 1. Juli 1916„die Reichsschuld um weitere 5 Milliardenangewachsen und betrug jetzt einschließlich der 6 bereits vorhandenenMilliarden nicht weniger als 11 Milliarden Mark". Da mußte auchdaS„Elend unter der arbeitenden Bevölkerung Deutschlands undOesterreich-Ungarns" fürchterlich werden. Dies„große Elend...jsowie die Schrecknisse des Krieges zeitigten ein ungeheure?Anschwellen der Sozialdemokratie. Von Tag zuTag nahmen die öffentlichen Umzüge der Arbeitslosen inBerlin und Wien, in Köln und Budapest einen immerdrohenderen Charakter an..."„Trotz der großen Erfolge derdeutschen Waffen waren sl) neben der sozialistischen eine r e p u-b l i k a n i s ch e Bewegung in Deutschland in Gang gekommen. Ge-. fährliche Agitatoren nationaldemokratischer Art predigtendem Volke, daß es ihm zu teuer komme, 19 regierende Familien zuunterhalten. Ohne sich zu den Prinzipien der Sozialdemokratie zubekennen, forderten sie die Abschaffung der Fürsten und die Errich-tung einer einheitlichen demokratischen Republik."Es kommt aber schlimmer, sobald Herr Martin den— Rot-soll er kriegt.„Jeden Abend fanden im Juli 1916 20 bis 80öffentliche Versammlungen in Berlin statt, aber kaum eine gingohne furchtbare Schlägerei und tödliche Verletzung ausein-onder." Hühl„Arbeiterfrauen"— wer denkt nicht an die„Hyänen" in Schillers Glocke?„und halbwüchsige Burschenführten das große Wort. Viele Frauen nahmen ihrehungernden und weinenden Kinder mit in die Versamm-lung. Dann zog man vor das Schloß oder das Reichs-kanzlerpalais. Die öffentliche Sicherheit war so gering, daß derReichskanzler im Garten seines Palais unmittelbar hinter demHause beständig einen Motorballon und einen Drachenflieger zufeiner Verfügung hielt.... Kein Mitglied der besitzenden Klassenging nach 6 Uhr abends unbewaffnet auf die Straße. Wiederholthatten Volksmassen von Zehntausenden in Berlin die Villen derBesitzenden gestürmt oder ganze(!) Fabriken demoliert."...Haben wir soeben gehört, daß der neue Reichskanzler zurSpezis der„Flieger" zählt, so erfahren wir einige Druckzeilentveiter, daß er's auch im Phrasendrechseln mit Grübet, en-Bülow aufnehmen kann, auf den Herr Martin nicht gut zu sprechen ist. Denn„eS gibt in der deutschen Marine überhaupt kein Kriegsschiff, welchesden Namen des Fürsten Bülow trägt"— so tief ist er in Ungnadegefallen.... Aber sein Nachfahre, ja der versteht's I Im Reichstaghält er, mit der Auflösungsorder in der Tasche, eine Rede. Siegipfelt in dem alle bisherigen Wasser- und Blutsafttheorien schlank-weg über den Haufen werfenden Satze:„Unsere Zukunftliegt in der Luft" und so mit Grazie weiter.Wenige Stunden später ist Deutschland Sieger über England,Ofle kurz zuvor über Rußland und Frankreich. Europa, halb AsienPerantw. Redakt.: Wilhelm Düwcll, Lichtenberg.— Druck u. Verlag:nebst Nordafrika krümmen sich zu seinen Füßen... Daß der be-kannte Meteorologe und Aeronautiker Professor Hergesell vom Kaiserzur„ersten meteorologischen Exzellenz" ernannt und daß der„Giteß-admiral und Generalfeldmarschall" Graf Zeppelin sogar„gefürstet"wird, ist sicher.Was sollen wir nun aber mit Rudolf Martin anfangen?Gesetzt: er nimmt seine Hirngespinste ernsthaft, wofür die bombastischeGlorifizierung der Hohenzollern zu sprechen scheint: dann hofft erwohl, daß auf ihn deren gnädiger Blick falle. Außerdem dürftenauch die Reklamen für einige große kriegstechnische Jndustriefirmenin Deutschland lukrative Hintergedanken erwecken. Beide Speku-lationen wären gar so übel nicht. Sei dem wie ihm wolle. AberKrieg auf alle Fälle. In gewiffen Kreisen, die den Ton zur Musikliefern, hört man? gar zu gern, wenn-mit der Plempe geraffeltwird i denn Krieg gilt ja in Preußen als kulturbeförderndes Mittel.Der englische Romanschriftsteller WellS ist allerdings anderer Ansicht.Wir desgleichen. IS. K.Kleines f euületon*Völkerkunde.Neues von den afrikanischen Seen. In derLondoner Geographischen Gesellschaft erstattete R. G. T. Brighteinen Bericht über die Erforschung des Ruwenzori und desafrikanischen Seengebietes, der unter anderem einige merkwürdigeSitten der Eingeborenen jener Gegenden schildert. Die Weiberdes Bavira-Stammes tragen einen ungemein entstellenden Schmuck»gegenständ in der Oberlippe, in die sie eine hölzerne Scheibe vonnicht weniger als 5— 6 Zentimeter Durchmesser einfügen. DerStamm ist von gefälligem Körperbau und steht kulturell auf rechthoher Stufe. Namentlich die Töpferei- und Metallwaren zeigeneinen hervorragenden Grad von Kunstfertigkeit. Sehr eigenartigsind ihre Begräbnissitten. Sie verbrennen ihre Toten nicht,sondern lassen die Leichen von den in ihrem Gebiete häufigenHyänen verzehren. In Katanda an der Westküste des KönigEdward-Sees sind die Bakongo ansässig, die durch die große An-zahl der Löwen, die in dieser Gegend vorkommen, arg bedrohtsind und dieser Gefahr dadurch ausweichen, daß sie sich stets aufden Gewässern des Sees aufhalten. Die zur Bantu-Gruppe ge-hörenden Basamba, die in den Wäldern um den Etullfluß hausen,haben kanibalische Gebräuche von ganz besonderer Art. DieFamilien haben ein Austauschsystem der Kinder, von denen diejüngsten geschlachtet und verzehrt werden. Abgesehen davonwerden sie jedoch als ein umgängliches Völkchen geschildert. IhreNachbarn sind ein Pygmäenvolk, die sogenannten Batwa-Zwerge,die durchschnittlich nur 1% Meter groß werden und sich durchaffenartig verlängerte Arme auszeichnen. Sie geben sich nicht dieMühe, Landbau zu treiben, sondern erspielen sich entweder ihreNahrung oder stehlen sie bei ihren größeren Nachbarn. Sie jagenauch den Elephanten mit vergifteten Pfeilen und nähren sich dannsolange von der mächtigen Beute, bis der letzte Fleischfetzen vonoen Knochen genagt ist. Sie stellen eine außerordentlich niedereStufe des Menschen dar.Astronomisches.Das Ende eines unbekannten Planeten. Ab-gesehen von der Zone der Asteroiden zwischen Mars und Jupiter,wo in jedem Jahr noch mehrere neue kleine Planeten entdecktwerden, haben die Astronomen m.r noch in zwei Gegenden desSonnensystems die Möglichkeit des Vorhandenseins bisher un-entdeckt gebliebener Himmelskörper zugegeben, nämlich in äußersterNähe und äußerster Ferne der Sonne. Es ist leicht verständlich,warum gerade in diesen beiden Zonen, d. h. innerhalb der BahndeS Merkur und außerhalb der Bahn des Neptun, dem Auge desMenschen ein Planet sich wohl entziehen könnte. Dort ist es diegroße Nähe der Sonne, deren Glanz einen nahe benachbartenHimmelskörper verdecken würde: hier ist es der. große Abstand vonder Sonne und somit auch von der Erde, der ihn zu einem äußerstkleinen und daher für unsere Fernrohre vielleicht überhaupt un-erreichbaren Objekt machen würde. Ueber den intramerkuriellen(zwischen Sonne und Merkur angenommenen) Planeten scheinendie Alten jetzt geschlossen zu sein. Man konnte auf seine Eni-deckung nur bei Gelegenheit einer vollständigen Sonnenfinsternisrechnen, und eine solche Gelegenheit hat im vorigen Jahre die vonder Licksternwarte nach der einsamen Flint-Jnsel im StillenOzean entsandte Expedition zur sorgfältigen Nachforschung be-nutzt. Professor Campbell, der Leiter dieser Expedition, hat jetztin dem Bulletin der Licksternwarte den Schluß gezogen, daß einPlanet in noch größerer Nähe der Sonne als der Merkur nichtvorhanden sein könne; zum mindesten würde er die auffallendenStörungen in den Bewegungen des Merkur nicht erklären können,aus denen man gerade auf seine Existenz geschlossen hatte. Denphotographischen Hilfsmitteln, die bei der Suche benutzt wordensind, würde kein Planet, dessen Glanz auch nur der achten Größen-klaffe entsprechen würde, verborgen geblieben sein. Ein solcherwürde aber nur 30— 50 Kilometer Durchmesser haben, und eswürde danach etwa eine Million solcher Himmelskörper nötig sein,um die Störungen im Bahnlauf des Merkur zu erklären.Vorwärts Buchdrucker» u. Verlagsanstalt Paul Singer LeCo..Berlin SW.