JDle Kasseler Bürger kommen also setzt um den Triumph, daß in ihrer Stadt die erste Dampfschiffahrt vor sich gegangen ist. Immer- hin bleibt die Tatsache von dem Änfstand der Weserschiffer gegen Papins Neuerung auch nach der heutigen Forschung bestehen. Ueberhaupt hat das erste Auftreten der Dampfmaschine Furcht und Aufsehen hervorgerufen. Bekannt ist die denkwürdige Fahrt des Amerikaners Robert Fulton   am 17. August 18l)7 von New Jork nach Albany auf dem DampfschiffClaremont  ". Mit dieser Fahrt ist eigentlich die moderne Dampfschiffahrt erst eingeleitet worden. «Eine große Volksmenge hatte, sich neugierig, eines Mißerfolges sicher, an der Abfahrtsstelle eingefunden. Man spottete überFultous olly" und rief ihm höhnend zu, er sollte ihnen auch ein Stück vom ordpol mitbringen. Das Schiff sah merkwürdig genug aus. Kessel, Maschine und Schornstein mußten mehr Furcht als Zutrauen erregen. Die plumpen, großen Seitenräder waren noch ohne Schutz- tasten und zeigten die zwölf ungeheuren Schaufeln, die bei jeder Umdrehung auch noch das Deck mit Wasser versorgten. Der Schorn- stein erreichte mit seinen 9,14 Metern fast die Masten." Die Spannung der Zuschauer stieg, als endlich die Maschine tn Gang gesetzt wurde und sie wirklich unter gewaltigem Lärmen das Schiff vorwärts bewegte. Der Spott des Volkes verwandelte sich sehr bald in lauten Beifall, der sich bei allen Landungsbrücken tviederholte. Auch unterwegs soll derClaremont  " nicht nur Bewunderung, sondern auch Angst und Schrecken verursacht haben. Aus dem Schorn- stein schlugen die Flammensäulen und Funken hoch hinaus, da der Kessel mit trockenem Fichtenholz geheizt wurde. Dies Feuerlverk, verbunden mit dem Stampfen, Stöhnen und Geratter der Maschinen, und die Tatsache, daß ein großes Schiff sich gegen den Strom ohne Wind bewegen konnte, genügen, um bei abergläubischen Schiffern, die auf ihren Frachtschiffen stromab fuhren, Furcht und Entsetzen zu erregen. Augenzeugen sollen erzählt haben, daß ganze Schiffsmann- schaftcu auf ihre Knie fielen und Gott anflehten, sie vor dem schreck- lichen Ungetüm zu beschützen, das auf dem Wasser einHerzog und seinen Weg durch die Flammen, die es ansspie, beleuchtete." In Europa   knüpft sich die erste Einführung regelmäßiger Dampf- schiffahrt an den Namen Henry Bell  . Diesem unternehmungslustigen Schotten hat es im Leben an Abwechselungen nicht gefehlt. Er war Vichhirt, Maurer  , Zimmermann, Schiffsbauer, Miihlenbauer gewesen, hatte dann mit Maschinen gehandelt und war als Agent und Monteur in der Textilindustrie tätig. Schließlich hatte er sich in ' einem kleinen Scebadestädtchen an der Clyde-Mündung in Helens- hurgh eine Badeanstalt erworben. Hier lag es in seinem Interesse, den Bootsverkehr zwischen Glasgow   und HelenSburgh zu verbessern, und dieses Bedürfnis führte ihn schließlich dazu, die Dampfkraft an- zuwenden. Gemeinsam init einem Maschinenbauer wurde von ihm «in Schiff, derKomet" gebaut, mit dem Ende Juli 1812 die erste Versuchsfahrt stattfand. Nach zehn Tagen konnte derKomet" mit 29 Fahrgästen an Bord seine erste öffentliche Fahrt vornehmen. Die Einnahmen betrugen 109 M. In den Glasgower Zeitungen war dann am 5. August die Anzeige zu lesen, daß die Danipfschiff- fahrt zwischen Glasgow   und Greenock   eröffnet sei. Damit begann die erste europäische   Dampfschiffahrt. Interessant ist Bells Druckblatt, mit dem er dem Publikum empfiehlt, sein Dampfboot zu benutzen: «Der Unterzeichnete hat nach vielen Kosten ein schönes Schiff auf dem Clydeflutz zwischen Glasgow   und Greenock   in Fahrt gestellt, welches bestimmt ist, mit der Kraft des Windes und des Danipfes zu segeln. Von der Eleganz, dem Komfort und der Sicherheit, sowie von der Geschioindigkeit des Schiffes möge das Publikum sich überzeugen, und der Eigentümer ist bereit, alles zu tun, was in seiner Macht steht, die Gunst des Publikums zu verdienen." Dem gcschäftSgewandten Bell hat feine Dampfschiffahrt keine Reichtümer eingetragen, ihm erging es, wie manchem anderen Pio« nier technischer Untcrnehmungsformen, er ist in großer Armut ge- storben. DerKomet" machte wohl noch eine Reihe höchst interessanrer Fahrten, bis er schließlich am 15. Dezember 1823 als erstes Dampf- schiff scheiterte und so zugrunde ging. Aber man begnügte sich bald nicht mehr damit, auf Dampf- schiffen die Flüsse, Landseen und Meeresküsten zu befahren, man Wollte jetzt auch die Weite des Meeres durchkreuzen. Wieder war «S Amerika, das auch hier den ersten entscheidenden Schritt unter- nahm. Ein für Segelschiffahrt bereit? 1818 fertig gestelltes Schiff, dieSavannah". wurde mit Dampfmaschine und Ruderrad ausgerüstet, die zunächst nur die Windkraft unterstützen sollten. 181V fuhr das Schiff von New Dork nach Savannah, wurde hier von dem damaligen Präsidenten Monroe be- stchtigt und trat im Mai 1819 seine Reise nach Liver- Pool an. 25 Tage dauerte die Fahrt, 13 Tage war das Schiff unter Dampf gefahren. Mit stürmischem Willkommen wurde dieser erste Seedampfer an der Landungsbrücke begrüßt. DieTimes" vom 3V. Juni 1319 feierten es als das erste Dampf- schiff, das den Ozean kreuzte. Die Zeitung berichtete damals, daß im der irischen Küste ein Zollkrcuzer dieSavannah" einen ganzen Tag einzuholen versuchte, weil er den Dampfer für ein brennendes Schiff hielt. In Liverpool   soll man sogar befürchtet haben, man Wolle mit diesem Dampfer Napoleon   auf St. Helena   befreien. Iii Savanah angekommen hoffte die Schiffsleitung, daß die amerikanische   Regierung den ersten Ozeandampfer kaufen würde. Sie lehnte aber den Ankauf ab. Der Hauptunternehmer verarmte dadurch und das Schiff wurde öffentlich versteigert. Aus dem stolzen Danipfschiff wurde wieder ein simpler Segler, der nur für den Güter- verkehr verwendet werden konnte. Spätere Unternehmungen, Dampf- schiffe für den Ueberseeverkehr in Betrieb zu setzen, endeten dann immer mit einer allgemeinen Pleite. Mehr Erfolg hatten bereits die beiden OzeandampferShrius" undGreat Western", die S Jahre später, 1338, auf dem Ozean erschienen. Sie waren in England erbaut und für den Verkehr mit New Jork bestimmt. Sie erregten in Amerika   nicht minder großes Aufsehen als in Europa  . Die Tageszeitungen erzählten, wie die ganze Stadt in ungewöhnlicher Aufregung den Dampfer erwartet habe. U eberall war man sich be« wüßt, daß mit dem Erfolg dieses Unternehmens eine neue Epoche in der Geschichte der Ozeanschiffahrt begonnen habe. Die Aussicht, mit Dampfschiffen in»vesentlich kurzer Zeit Europa   und Amerika  zu verbinden, wurde überall mit großer Freude aufgenommen. Die Kanonen des Forts begrüßten die Dampfer mit feierlichem Salut, die ganze Bevölkerung war unterwegs, die neuen Schiffe zu empfangen. Damit war auch die Ozeandampfschiffahrt aus dem Stadium des Versuchs in das der ersten praktischen Verwirklichung hineingewachsen. Aber noch Jahre vergingen, che die Technik Ozeandampfer herstellte, mit denen in dauerndem, sicherem Betrieb sich auch wirtschaftlich be« deutende Vorteile erreichen ließen. Man muß die Berichte und Schilderungen der damaligen Zeit nachlesen, um das Aufsehen zu verstehen, das diese neue Schöpfungen technischer Geistesarbeit auf die Mitwelt machten. Die Abbildungen und Erklärungen, die von der inneren Einrichtung der Schiffe ge« geben wurden, muten uns heute sonderbar an, weil sie uns zugleich die Anspruchslosigkeit der damaligen Zeit vor Augen führen. Man war noch nicht gelvöhnt, mit dem Komfort zu reisen, wie es die besitzenden Klassen heute für notwendig halten. Aber zugleich zeigt uns der finanzielle Mißerfolg dieser Unter« nehmungen, daß die Zeit für den Dampsschiffverkehr noch nicht er« füllt war. Die Technil mit ihren Erfolgen war den wirtschaftlichen Bednrfiiissen weit vorausgeeilt, der Betrieb der ersten Schiffe konnte sich noch nicht rentieren. Erst der heutige Weltverkehr kann die da- für notwendigen Kapitalien in Umlauf setzen, um eine ausgebildete Dampfschiffahrt zu gebrauchen, die den internationalen Güteraus- tausch durchzuführen imstande ist. Volkswirtschaft. Die Fleischproduktion in Argentinien  . Argen- tinie» ist heute einer der ausgesprochensten Agrikulturstaaten i die Industrie spielt daselbst kaum eine Rolle und wird eigentlich nur künstlich durch sehr hohe Schutzzölle am Leben erhalten, ohne die sie keinen Bestand hätte. Auch der Bergbau ist heute fast bedeutungs- los. Hingegen ist die Viehzucht Argentiniens   eine der hervorragend- sten der Welt und der Aufschwung der argentinischen Fleischproduktion hat für weit abgelegene Gebiete die größte Wichtigkeit erlangt. Man kann sagen, daß Argentinien   für die Versorgung der ganzen Welt mit Fleisch eine außergewöhnliche Stellung einnimmt und bei­nahe mit den Vereinigten Staaten   auf einer Stufe steht. Dies ist um so bemerkenswerter, als die argentinische Fleischindustrie erst seit etwa einem Jahrzehnt besteht und bei weitem noch nicht den Höhe- Punkt ihrer Leistungsfähigkeit erreicht hat. Im Jahre 1880 waren die Abfälle des Viehs die einzigen Artikel, die ausgeführt wurden, während heute der argentinische Export allein nach Großbritannien  an Rind- und Hammelfleisch den der Union   übersteigt, ob- schon gegenwärtig nur 15 Proz. deS kulturfähigen argentinischen Landes ausgenutzt werden, das insgesamt auf über 100 Millionen Hektar geschätzt wird. Argentinien   führt an gekühltem und ge- frorenem Rindfleisch allein mehr aus als die Union   an lebendem Rindvieh und gekühltem Fleisch. Lebee.des Vieh darf seit 6 Jahren die englischen Häfen nicht mehr passieren, die ihm wegenmöglicher Einschleppung der Maul- und Klauenseuche" verschlossen find. Im Jahre 1903 war diese Seuche tatsächlich in der Provinz Buenos Ayres   sowie in einigen Distrikten von Santa ausgebrochen. Der Regierung gelang es mit größter Energie, des Uebels Herr zu werden. Aber England nahm davon keine Notiz und schloß sich nach wie vor gegen Argentinien   ab, das vielen seiner Kolonien wie Australien  , Neuseeland  , Kanada   usw. einen unliebsainen Wettbewerb bereitete. Dadurch sah sich Argentinien   gedrängt, die Gefrier- fleischindustrie in größerem Stile auszunehmen. Auch hiergegen wehrte sich die Union  , denn sie versuchte mit ihrem Fleischtrust auch Argentinien   zu umklammern. Versuche dazu find schon gemacht worden: so hat ein nordamcrikanischer Konzern das Fleischgefricr-Etablissement La Blanka bei Bahia Blanko für 7'/z Millionen Pesos Gold angekauft. Auch andere Verkäufe arbeiten der nordamerikanischen Trustbildung in die Hände. Andererseits hat sich das deutsche Kapital in letzter Zeit mit der argentinischen Gefrierfleischindustrie befaßt und sucht sich daran zu beteiligen. Dem argentinischen Ackerbauministsr sind von einem deutschen  Syndikat'Vorschläge zur Errichtung von Flcischgefrieranlagen im Süden zugegangen. Für ein Etablissement im Hafen San Antonio  sind Pläne vorgelegt worden, wonach täglich bis 3000 Hammel ver- arbeitet werden können. Mehrere Gesellschaften sind in Bildung begriffen und zum Teil schon gebildet, wodurch die außerordentliche Bedeutung der argentinischen Geftierfleischindustrie auf das Deut- lichste gekennzeichnet wird. Verantw. Redakt.: Wilhelm DLwell, Lichtenberg. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VcrlsgsanstaltPaul Singer&To.. Berlin   LIV.