Mnterhaltungsblatt des Horwärts Nr. 137. Sonnabend, den 17. Juli. 1909 (Nachdruck verSolen.) 181 Die Inselbauern. Koinan von August Strindberg . Deutsch von Emil Schering . l'- In diesem Augenblick kommt Carlsson mit der Alten aus dem Vorbau und bringt die gesuchte Harke. Die ist fein, mit zwei Herzen bemalt,Anno 1852" gezeichnet: es war einmal die Brautharke der Alten, die Flod selber angefertigt. Sie hatte Erbsen im Schaftknauf, die klapperten, wenn man die Harke rührte. Die Erinnerung an vergangene Freuden scheint den frischen Sinn der Alten in eine muntere Stimmung zu der- fetzen: ohne eine Spur von krankhafter Empfindsamkeit zeigt sie auf die Jahreszahl und sagt: Das war nicht gestern, als der Flod mir die Harke machte.. Und Du ins Brautbett stiegest, Tante," fiel der von Svinoker ein. Kannst es wohl noch einmal," meinte der aus Owassa. Sechs Wochen alten Ferkeln und zwei Jahre alten Witwen kann man nicht trauen," neckte der Fjällonger. Je trockener der Zunder, desto schneller�ängt er Feuer," brannte der von Fivcrsätra los. Und jeder warf seinen Scheit aufs Feuer. Die Alte aber schmunzelte und wehrte sie ab, machte gute Miene zum bösen Spiel und scherzte mit: böse zu werden, hatte keinen Zweck. Dann gings auf die Bruchwiese hinunter. Da standen Segge und Schachtelhalm so hoch wie ein Kiefernwald und das Wasser ging den Männern bis an die Stiefelschäfte. Die Mädchen zogen Strümpfe und Schuhe aus und hingen sie auf den Feldzaun. Die Alte harkte hinter Earlsson so fleißig, daß sie es den andern zuvortat. Manches Scherzwort über das junge Paar, wie sie genannt wurden, fiel. So ward es Mittag und so wurde es Abend. Der Spielmann war mit seiner Geige gekommen: die Tenne war geräumt und gekehrt, die schlimmsten Astlöcher waren mit Pech verkittet. Als die Sonne unterging, begann der Tanz. Carlsson eröffnete ihn mit Ida: deren schwarzes Kleid war viereckig zugeschnitten, hatte eine weiße Krause und einen Maria-Stuart -Kragen: wie eine beneidete Dame stand Ida unter den Bauernmädchen da: die Alten betrachteten sie mit Furcht und Kälte, die Jungen mit Verlangen. Carlsson konnte allein den neuen Walzer: darum nahm Ida ihn gern, ein Mal nach dem andern, nachdem ein Ver- such mit Norman mißlungen war. Als der so aus dem Felde geschlagen wurde, verfiel er auf den unglücklichen Gedanken, zu seiner Handharmonika zu greifen: um sein gequältes Herz auszuschütten und vielleicht mit einer letzten Leimrute den feinen und unbeständigen Vogel zu sangen: vor einigen Wochen glaubte er ihn in der Hand zu haben, bald aber saß er wieder auf dem Dache und schnäbelte mit einem andern. Carlsson fand indessen die Begleitung überflüssig, da er eigens einen wirklichen Spiclmann gedungen: und die engbrüstige Harmonika hielt mit der leichtfüßigen Geige nicht Schritt, sondern störte den Takt und brachte Unordnung in den Tanz. Die gute Gelegenheit, den Nebenbuhler abzu- tun, lockte Carlsson, zumal die Meinung, die Harmonika störe nur, allgemein zu sein schien. Er nahm also den Mund etwas voll und schrie dem unglücklichen Liebhaber, der sich in einer Ecke verkrochen hatte, über die Tenne hinüber zu: >Höllu, schnür den Lederbeutel, Du! Mach, daß Du hin- auskommst, und laß die Luft aus, wenn Du aufgeblasen bist." Die allgemeine Meinung verurteilte den Sünder mit einem zustimmenden Lachen. Norman aber waren einige Schnäpse zu Kopf gestiegen, und Idas Krause hatte unge- ahnte Kräfte hervorgezaubert: er dachte deshalb nicht daran, der Aufforderung zu folgen. Höllu!" ahmte er Carlsson nach, der unversehens in seine Mundart verfallen war, die auf Hochschweden lächerlich wirkte.Komm nur hinaus auf den Hof, dann werde ich Dir schon die Flöhe aus dem Schweinepelz lausen!" - Carlsson fand seine Stellung noch nicht so bedroht, uttt zu den Fäusten übergehen zu müssen, sondern hielt sich auf dem unschuldigeren Gebiet des Zungenkampfes. Was ist das für ein merkwürdiges Schwein, das Flöhe im Pelz hat?" Das stammt wohl aus Wärmland, glaube ich!" ant». wartete Norman.> Das verletzte die Nationalehre: noch im letzten Augen». blick nach einem vernichtenden Wort suchend, das sich aber nicht einstellte, ging Carlsson auf den Feind los, packte ihn bei der Weste und riß ihn auf den Hof hinaus. Die Mädchen stellten sich in die Türöffnung, um den Zu» sammenstoß zuzusehen: niemandem fiel es ein, dazwischen zu treten.» Norman war klein und untersetzt, abber Carlsson wav gröber gebaut und höher gewachsen. Im Nu warf er den Rock ab, um den er bange war, und die Kämpfer rannten zu- sammen. Normann mit dem Kopfe voran, wie ers von den Lotsenburschen gelernt hatte. Carlsson aber packte ihn, zielte einen häßlichen Fußtritt nach dem Unterleib, und wie ein zusammengerollter Igel siel Norman auf den Dunghaufen. Rallbuse!" schrie er, außerstande, sich weiter mit den Fäusten zu verteidigen." Carlsson schäumte: vergebens nach Schimpfwörtern suchend, setzte er Norman das Knie auf die Brust und ohr- seigte den Geschlagenen. Der spuckte und biß um sich, bekam aber schließlich eine Handvoll Streu in den Mund. Jetzt werde ich Dir das ungewaschene Maul putzen!" schrie Carlsson und rieb den Geschlagenen mit einem Stroh» wisch, den er aus dem Dunghaufen gerissen, so. daß die Nase blutete. Aber das öffnete dem wutschnaubenden Norman den Mund: seinen ganzen Vorrat von Schimpfworten schleuderte er dem Sieger ins Gesicht, der die Zunge des Besiegten doch nicht binden konnte. Die Musik war verstummt, der Tanz hatte aufgehört. Die Zuschauer hatten ihre Bemerkungen über die Wendungen des Wortstreites und Faustkampfes gemacht und mit demselben gleichmütigen Interesse zugehört und zugesehen, wie sie einem Schlachten oder einem Tanz zusahen. Doch fanden die Alten, Carlsson Angriff sei nicht ganz regelrecht, nicht nach alter Sitte gewesen. Plötzlich aber war ein Schrei zu hören, der den Haufen sprengte und alle aus der Feststimmung riß. Er zieht ein Messerl" schrie einer: man konnte nicht unterscheiden, wer.' Ein Messer!" wurde im Haufen geantwortet.Keine Messerl Fort mit den Messern!" Und die Kämpfer wurden umringt: Norman, dem es ge» lungen war, sein Klappmesser zu öffnen, wurde entwaffnet und auf die Füße gestellt, nachdem man Carlsson von ihm losgeristen. Raufen könnt Ihr Euch, Burschen, aber nicht Messern,"- schloß der Alte von Svinnokar die Schlägerei. Carlsson zog seinen Rock an und knöpfte ihn über seine zerrissene Weste: aber Norman hing der eine Hemdärmel wie ein Fetzen aufs Bein herab. Im Gesicht übel zugerichtet. schmutzig, blutig, hielt ers fürs beste, sich um die Ecke zu ent, fernen, um seine Niederlage nicht den Mädchen zu zeigen.»' Mit der frohen Zuversicht des Siegers und des Stärkern trat Carlsson wieder auf die Tanzbahn, um, nach einem tüchtigen Schluck, das Spiel mit Ida von neuem zu beginnen« die ihn mit Wärme, ja beinahe Bewunderung empfing. Der Tanz ging los wie ein Dreschwerk. Die Dämmerung war hereingebrochen. Der Branntwein machte die Runde, und man widmete dem Tun und Lassen des Nächsten geringere Aufmerksamkeit. Darum konnte Carlsson mit Ida aus der Tenne heraus kommen und das Hagtor erreichen, ohne dah jemand naseweise Fragen stellte. Aber gerade als das Mäd« chen über den Zauntritt gestiegen war und Carlsson auf dem Feldzaun stand, hörte er durchs Halbdunkel die Stimme der Alten, ohne wen sehen zu können. Carlsson! Ist Carlsson dal Komm er und tanz eine Runde mit seiner Harkerin." Aber Carlsson antwortete nicht, fondern glitt hinunter und schlüpfte in den Hag, leise wie ein Fuchs.