Mnterhaltungsölatt des'Vorwärts Nr. 144. Mittwoch� den 28 Juli.• 1909 !Sia»dritck verboten.) 20] Die Inselbauern. Moman von AugustStrindberg. Deutsch von Emil Schering . Als eine halbe Stunde vergangen war, stieß Norman Rundqvist, der sich die Stirn mit der Hand hielt, als sei ihm nicht wohl, an und zeigte mit dem Daumen nach Clara und Gustav auf der Feuerspritze. Rundqvist drehte sich behutsam zur Seite, sperrte die Augen auf, als sehe er den Bösen selber: schüttelte den Kopf und lächelte, als habe er ver- standen. Clara hatte nämlich die Augen geschlossen und ließ die Zunge hängen, als ob sie in schmerzlichen Träumen schliefe: Gustav aber starrte unverwandt Pastor Nordström an, als wolle er jedes Wort aufessen und strenge sich an, das Stundenglas rinnen zu hören. >„Aber die sind ja toll," flüsterte Rundqvist. ging langsam und vorsichtig rückwärts, behutsam mit den Fersen tappend, UM nicht heftig gegen die Ziegelsteine zu stoßen. Norman aber hatte Rundqvists Gedanken schon gelesen: schnell wie ein Aal war er zum Kirchhof hinausgeschlüpft. Dorthin folgte Rundqvist ihm bald. Beide eilten dann zu- sammen nach dem Boot hinunter. Draußen wehte ein kühler Seewind, und die hastig ein» genommenen Erfrischungen setzten ihre Kräfte bald wieder in Stand. Leise, wie sie gekommen, kehrten sie wieder in die Kirche zurück. Dort war Clara in des schlafenden Gustavs Armen cnt- schlummert: die umfaßten sie aber so hoch oben, daß Rundqvuist sie etwas hinunterschieben zu müssen glaubte. Dabei erwachte Gustav jedoch und umfaßte seinen Raub von neuem, als habe jemand ihm das Mädchen nehmen wollen. Eine halbe Stunde dauerte noch die Predigt: und dann ging noch eine halbe darauf mit dem Kirchenlied, ehe das Abendmahl begann. Unter starker Erregung wurden die Gnadenmittel ge- nommen. Rundqvist weinte. Als die feierliche Handlung zu Ende war, wollte sich Frau Flod in einen Kirchenstuhl drängen. Dabei wäre es beinahe zu einem Streit gekommen, und sie wurde aus dem Stuhl wieder hinausgewiesen. So brachte sie die letzte halbe Stunde hinter dem Stuhl des Kirchenvorstehers zu, auf den Hacken stehend, als verbrennten die Ziegelsteine ihr die Sohlen. Wie der Pastor das Aufgebot vorlas, wurde sie ganz wild, weil die Leute sie ansahen. Endlich war alles aus, und man stürzte nach dem Boot hinunter. Frau Flod konnte nicht mehr warten, fondern zog, sobald sie die Glückwünsche vor der Kirche empfangen, ihre Schuhe aus und trug sie hinunter zum Boot. Dort steckte sie die Füße ins Wasser und schalt Carlsson aus. Dann warf man sich über den Mundvorrat her. Als man entdeckte, daß die Pfannkuckien fehlten, wurde Lärm geschlagen. Rundqvist hielt es für wahrscheinlich, daß sie vergessen waren: Norman meinte, jemand habe sie auf dem Hinweg aufgegessen: dabei warf er einen argwöhnischen Blick auf Carlsson. Schließlich stieg man ins Boot. Da aber erinnerte sich Carlsson, daß er ein Faß Teer aus dem Kirchcnschuppcn ab- zuholen habe. Das gab einen Sturm. Die Frauen schrien, sie wollten keinen Teer im Boot haben: um keinen Preis, da sie neue Kleider anhätten. Doch Carlsson holte die Teer- tonne und verstaute sie. Da entstand wieder ein Leben über die Frage, wer neben dem gefährlichen Gefäß sitzen solle. „Worauf soll man denn sitzen?" jammerte Frau Flod . „Nimm die Röcke hoch und setze Dich auf den Hintern," antwortete Carlsson, der sich jetzt, nachdem er aus geboten war, sehr viel mehr zu Hause fühlte. „Was sagte er?" zischte die Alte. „Ja, das sage ich: setz Dich ins Boot, damit wir fort- kommen!" „Wer hat den Befehl auf See, möchte ich wissen?" fiel Gustav ein, der fand, daß man seiner Ehre zu nahe trat. Und Gustav setzte sich ans Steuer, ließ aufhissen und nahm die Schot in die Hand. Das Boot war tief beladen, der Wind war äußerst schwach, die Sonne brannte heiß, und die Köpfe befanden sich in Gärung. Das Boot kroch dahin„wie eine Laus auf ge- teerter Birkenrinde", und es half nicht, daß die Mannsleute einen Segelschnaps nahmen. Die Geduld verging ihnen bald, und das Schweigen, das eine Weile geherrscht hatte, wurde von Carlsson unterbrochen, der die Segel reefen und rudern wollte. Das wollte Gustav aber nicht: „Wartet nurl Sobald man aus den Kobben heraus ist, kann man schon segeln." meinte er. Und man wartete. Schon war draußen im Gatt zwischen den Inseln ein dunkelblauer Streifen zu sehen, und man hörte die See gegen die äußeren Schären branden. Ein starker östlicher Wind war im Anzug, und Leben kam in die Segel. Gerade als man um die Landzunge bog, kam solcher Wind, daß sich das Boot legte, wieder hoch hob und dann dahin schoß, daß es hinter ihm gurgelte. Jetzt mußte die ganze Gesellschaft einen Schnaps nehmen. Alle lebten auf, als das Boot guten Gang machte. Dann aber frischte der Wind auf: das Boot lag leewärts unter Wasser, wurde aber vom Wind durchgedrückt. Carlsson ward bange, hielt sich an den Tauen fest und bat, man solle reefen und zu den Riemen greifen. Gustav antwortete nicht, sondern holte die Schot an, daß Wasser ins Bm. kam. Da erhob sich Carlsson, wurde wild und wollte einen Riemen auslegen. Aber die Alte packte ihn beim Rock und zog ihn nieder. „Sitz still im Boot, Mensch, in Jesu Namen!" schrie sie. Carlsson setzte sich wieder, aber sein Gesicht war weiß. Aber er saß nicht lange, als er auffuhr und, ganz außer sich, den Rockschoß aufhob. „Alle Wetter, leckt der Racker!" heulte er und schlug mit dem Rockschoß. „Was leckt?" fragten alle auf einmal. >,Das Teerfaß!" „Herr Jesus!" riefen alle und rückten von dem Teerfluß fort, der allen Bewegungen des Bootes folgte. „Sitzt still im Boot," brüllte Gustav:«sonst segle ich Euch um." Carlsson hatte sich wieder erhoben, gerade als eine Brise kam. Rundqvist sah die Gefahr, hob vorsichtig ein Tauende auf und gab ihm einen Streich, daß er niederstürzte. Eine Schlägerei stand bevor. Frau Flod geriet außer sich und schritt ein. Sie ergriff ihren Liebsten am Rockkragen und schiittelte ihn. „Was ist das für ein Tropf, der noch nicht gesegelt hat?� Weiß er nicht, daß man im Boot still sitzen muß?" Carlsson wurde böse, riß sich los, verlor aber ein Stück vom Rockkragen. „Reißt Du meine Kleider kaput, Weibstück I" schrie er und setzte die Stiefel auf die Bootsseite, um sie vorm Teer zu schützen. „Was sagt er?" flammte die Alte auf.„Seine Kleider? Von wem hat er denn den Nock gekriegt? Weibstück für solch einen Laichhering, der nichts hat..." „Schweig," brüllte Carlsson, in seinem empfindlichsten Punkt getroffen:„sonst antworte ich mit der Wahrheit!" Gustav fand, nun ging es zu weit, und stimmte einen Schottischen an: in den fielen Norman und Rundqvist ein. Das giftige Gespräch flaute ab, um auf den gemeinsamen Feind überzugehen, den Pastor Nordström, der sie fünf Stunden hatte stehen und achtzehn Strophen hatte singen lassen. Die Flasche machte die Runde, der Wind wurde gleich- mäßiger, die Gemüter beruhigten sich. Die beste Stimmung herrschte, als das Boot in die Bucht einfuhr und an der Brücke anlegte. � �. Die Vorbereitungen für die Hochzeit, die dm Tage dauern sollte, nahmen ihren Anfang. Man schlachtete ein Ferkel und eine Kuh: kaufte hundert Kannen Branntwein: legte den Strömling in Salz und'Lorbeerblätter: scheuerte» backte, braute, kochte, briet, mahlte Kaffee,
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26 (28.7.1909) 144
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