te Werder von dürt die kleinen Mädchen, die mit dem Liebsten die — Blüten sehen wollten, stark beschwippelt heimfahren, dann kann man überzeugt sein, daß der Johannisbeerwein in den kraus- gelockten Köpfchen spukt. Und das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, ein Kater von Johannisbeerwein ist ein ganz furchtbarer Kater, wie er nicht einmal im Zoologischen Garten gezeigt wird.— Eine schöne und nützliche Strauchfrucht ist auch die Hage- butte, die Frucht der Wildrose. Früher fand man unsere hei» mische Wildrose, von den Botanikern Hundsrose(Rosa canina) genannt, überall in lichten Laubwaldungen, in Feldgehölzen und an Feldwegen. Heute ist sie verschwunden. Arme Leute haben allenthalben die Wildrosenstämme ausgegraben, um sie zu vier bis fünf Mark pro Hundert an die Rosenschulen zu verkaufen, die in das wilde Holz die edlen Augen der Gartenrosen einsetzten und so Edelstämme zogen, die uns im Garten so sehr erfreuen. Das war ein harter Beruf, und die ihn im Herbst und Winter ausübten, konnte man schon auf weite Entfernung an den von den Rosenstacheln, fälschlich Dornen genannt, furchtbar zerrissenen. geschundenen und geschwollenen Händen erkennen. Heute werden die Wildrosen in den Baumschulen aus Samen gezogen, der erst nach Jahr und Tag keimt, und die Wildrosen der Gärten, die man der Früchte halber pflanzt, sind aus anderen Ländern ein- geführt. Es sind zwei Arten, Rosa rugosa und pomifera, die uns wundervolle scharlachrote Früchte liefern. Diese ergeben vom 5kern° Hause befreit und eingekocht das feinste Kompott, das die Haus- frau überhaupt bereiten kann; sie färben sich im späten Herbst, bleiben also lange am Strauch. Und unsere Gartenrosen, die alle auf Wildrosen veredelt sind, treiben, wenn sie im strengen Winter, tvie im verflossenen, erfroren sind, oft wieder aus der Wurzel wilde Triebe aus. Ich lasse alle Erfrorenen Rosen stehen und warte das Erscheinen der Wildtriebe aus den Wurzeln ab. Diese Wildtriebe okuliere ich mit Edclrosen teils im Juli, teils im August. Im Frühling grabe ich dann alles aus, trenne die einzeln veredelten Triebe vom Wurzelstock der erfrorenen ehemaligen Edelrose und pflanze sie einzeln, nachdem alles Wilde heraus- geschnitten ist. Auf diese Weise ergänze ich mir Jahr für Jahr meinen Bedarf an Edelrosen und jeder, der mich jetzt besucht, kann sehen, wie aus dem Wurzelstock der im le$cn Winter erfrorenen Rosen, junges, edles Leben sprieht. Im Juli veredelt, treiben und blühen die Augen noch in diesem Sommer, das jetzt ausgeführte Beredeln nennt man dagegen Okulieren auf das schlafenve Auge, da die jetzt eingesetzten Edelaugcn wohl noch anwachsen, ober erst im kommenden Frühling austreiben. Dies Veredelungsverfahren «st ein sehr einfaches; man findet es genau beschrieben und durch Abbildungen erläutert im praktischen Taschenbuche für Garten- freunde.(Prxis 2t50 M. Vorrätig in der Vorwärtsbuchhandlung.) Kleines feuilleron. Sprachwissenschaftliches. volkstümliche Umdeutungen. Dass der Fremd- wörtermissbrauch in geradem Gegensatze zu dem natürlichen Sprach- empfinden steht, zeigt unter anderm auch die sogenannte Volks- etymologie. So nennt man in der Wissenschaft das Bestreben deS Volkes, unverstandene Wörter so umzumodeln, daß sich irgend etwas dabei denken läßt. Man sieht eben in den Worten mehr als einen leeren Schall; man will bestimmte Vorstellungen damit verbindeu. So niachte man im Mittelalter aus dem lateinischen arcubalista, verkürzt arbalista(= Wurfbogenmaschine) das deutsche Wort Armbrust, dabei etwa an eine Waffe denkend, die man auf die Brust aufsetzt und mit dem Arm hält. So deutete man später die Sintflut<— große, allgemeine Ueberschwemmung), weil man daS auch in„Singrün"—„Immergrün" enthaltene sin (= allgemein, immer) nicht mehr verstand, in eine Sündflut um. Andere Beispiele solcher Volksetymologien find: Hängematte nach dem holländischen banmnat, das auf hainaka, ein Wort der Ur- tbewohner von Haitt, zurückgeht.— Friedhof, von ft-Usn = schonen, hegen, also: der eingefriedigte Raum um eine Kirche.— Wetterleuchten, eigentlich Wetterlcich, d. h. Wetterspiel, -tanz(das zuckende Spiel entfernter Blitze).— Maulwurf, eigentlich Moltwurf, d. h. das die Erde(molt— Staub, Erde; vgl. Müll oder mundartlich Mölni, Melm— Straßenstaub) auswerfende Tier.— Felleisen aus französischem valise--- Mantelsack.— Eine Kette Hühner von„Kütte, Kitte", althochdeutsch kuttt-=- Herde, Schar.— Zu guter Letzt, eigentlich zu guter Letze; dieses Letze— verletzen ist verwandt damit— heißt zunächst Ende, dann Ab- schied, endlich Andenken zum Abschied oder Abschiedsschmaus; ebenso letzen=- zum Abschied mit Speise und Trank erquicken, später überhaupt--- erquicken, so in Goethes„Hermann und Dorothea ":„Alle waren geletzt und lobten das herrliche Wasser".„Einem etwas zur Letze d. h. als Andenken bieten' ist eine besonders in deutschen Volksliedern häufig vorkommende Formel. Luch der Ausdruck„zu guter Letze" fiudet sich oft, so noch bei Wieland:„Wie sie zu guter Letze den goldenen Becher mir bot." Als man das Wort nicht mehr verstand, trat eine Vermengung mit „letzt" ein. ahd. lezzist. eig.— der Lässigste, Säumigste. Man sagte mm„zu guter Letzt' in dem Sinne„zum guten Schlüsse', ohne sich dabei der alten Sitte des Abschiedschmauses zu erinnern. Aus dem Tierreiche. Schmetterlingsheere. An manchen heißen Sommer» abenden ziehen die elektrischen Lampen der Großstädte nicht selten ungeheure Schwärme weißer Schmetterlinge an, die in dichtgeballten Wolken um die lockenden Lichtquellen tanzen und von Stunde zu Stunde zu Tausenden zugrunde gehen. Diese Erscheinung findet bei vielen ausländischen Schmetterlingsarten in noch weit gesteigertem Maße ihr Gegenstück. Wie ein Aufsatz von Julius Stephan in der Zeitschrift„Natur und Offenbarung" erzählt, treten an gewissen Stellen der Bugong-Berge Neu-Südwales in jedem Frühjahr ungeheure Mengen eine? gelben Nachtfalter? auf, die so dicht schwärmen, daß sie nicht nur die Felsen geradezu be- decken, sondern fich in den Zelten anhäufen. Sie werden von den Raben massenhaft vertilgt, aber auch die Eingeborenen schätzen die Tiere als Leckerbissen. Der Naturforscher Seitz hat in Algier Schwärme von Ordensbändern gesehen, deren Anzahl auf viele Millionen zu schätzen war. Am Tage saßen die Tiere auf den Blüten und suchten ihrer lichtscheuen Natur zufolge jeden dunklen Ort auf. Es genügte, den Hut abzunehmen, um einige der Tiere darunter zu versammeln. Jeger schräg liegende Stein, den man be- rührte, brachte einen großen Schwärm zum Auffliegen. Derselbe Forscher hat Massenvorkommen von Schmetterlingen in der Gegend von Aden im Jahre 1880 beobachtet. Dort waren es die sogenannten Eulen. die in ähnlicher Weise auftraten und auch am Tage in Massen umherflogen. Das seltsame(daran ist, daß für diese ungeheueren Schmetterlings- Völker die ganze Umgebung von Aden nicht die Spur vegetabilischer Nahrung bietet. Man kann fich daher gar nicht erklären, woher die Raupen das nötige Futter erlangen können. Die Erklärung der Erscheinung ist darin zu finden, daß die Puppen in der Erde jahrelang liegen; bis nach langer Zeit wieder einmal hefttger Gewitterregen losbricht und vorübergehend ein Er» wachen der Vegetatton bewirkt. Der in die Erde eindringende Regen ist gleichsam der Lockruf für die Puppen, denen er anzeigt, daß es jetzt wieder zu essen gibt. In den Aequatorialgegenden ist die Schwarmbildung bei Schmetterlingen wie alle anderen Be- tätigungen der Lebenskräfte eine außerordentliche. Eine der be- kanntesten Stellen, an der diese Flüge auftreten, ist der Wasserfall von Maros in Süd-Celebes . Der Naturforscher Ribbe erzählt, daß auf einer kaum drei Meter breiten und zehn Meter langen Sand- bank Tausende von Schmetterlingen auf dem feuchten Sand saßen, während die Luft von einer dichten Wolke er- füllt war. Der Vergleich mit einer Wolke ist hier wirklich kaum eine Redefigur. ES handelt sich dabei um herrliche Exemplare der verschiedensten Arten. Auch auf der Insel Ceram waren die Bachufer stellenweise gänzlich von Schmetter- lingen bedeckt, und es gelang Ribbe einmal, mit einem Schlage des Netze? 150 Stück auf einmal zu erbeuten. Ganz ähnliche Be- obachtungen wurden auf Sumatra und in Siam gemacht. Sehr eigenarttge Schmetterlingsflüge weist das Gebiet des Amazonen- sttomeS auf. Die Zahl und Mannigfaltigkeit der bunten Schmetter- linge fand der Forscher BatcS dort so groß, daß sie geradezu die Physiognomie der Landschaft bedingten. Jeder Schritt scheuchte ganze Schwärme auf. Dabei läßt die Gesamtbewegung der Tiere häufig keinen Sinn erkennen, indem morgen« der Zug von Nord nach Süd und nachmittags in umgekehrter Richtung vor sich geht. Aus dem Pflanzenreich. Pflanzen auf der Weltreise. Ein Naturwunder, über das Darwin besonders eingehende Forschungen angestellt hat, ist die Besiedelung von Inseln, die ganz vereinzelt und viele hundert Meilen von jedem Festland entfernt im Weltmeer liegen. So klein und un- fruchtbar sie auch sein mögen, niemals wird man sie jeden Pflanzen- Wuchses und jeden Tierlebens bar finden. Wir wissen jetzt auch, wie die Strömungen sowohl des Windes wie des Ozeans und wie ferner die Seevögel zur Verschleppung von Organismen über weite Strecken beitragen. Mit der EntWickelung des Weltverkehr? ist selbstverständlich der Mensch als ein sehr bedeutsamer Faktor in der Verbreitung von Pflanzen und Tieren hinzugetreten, und zwar handelt er zum Teil tvohl ab- sichtlich, zum Teil aber auch unbewußt. Ein recht merkwürdiges Beispiel, wie durch die Tättgleit des Menschen zu dessen eigener Ueberraschung an einem Ort plötzlich fremdländische Pflanzen auf- tauchen können, deren Heimat in einem ganz anderen Erd- teil liegt, führte Professor Weiß in einer Sitzung der Literarischen und Philosophischen Gesellschaft in Manchester vor. In dem Reddish-Kanal bei Manchester sind Pflanzen gefunden worden, die teils in Amerika teils in Aegypten zu Hause sind. Sie haben ihre Reise über das Weltmeer mit Baumwolladungen gemacht, die aus diesen Gebieten nach Manchester gebracht wurden, um in den dortigen Mühlen verarbeitet zu werden. Einige dieser Mühlen lassen ihre Abwässer in den Kanal fließen, und in diesen waren zahlreiche Algen, die in der Baumwolle ge- sessen hatten, noch lebend vorhanden gewesen und hatten sich darauf in dem Kanal angesiedelt. So ist es gekommen, daß fich in diesem Gelvässer eine Mischung von niederen Pflanzen dreier Erdteile herausgebildet hat. verantwortt. Redakteur: Hans Weber, Berlin.— Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdrucker« u.Verl »g»anstalt Paul Singer LlTo..Berlin LW.
Ausgabe
26 (3.8.1909) 148
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